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Apokryphen

[604] Apokryphen (Apokryphische Bücher, v. gr.), 1) ursprünglich Bücher, welche sich aus früherer Zeit auf dem Wege geheimer Überlieferung erhalten hatten u. fortgepflanzt waren, so bes. bei den gnostischen Parteien Bücher, welche diese angesehenen Männern der Vorzeit beilegten u. auf welche sie sich für ihre Lehren stützten, wie sich z.B. die Anhänger des Prodikos rühmten, apokryphische Bücher des Zoroaster zu besitzen. Je größeres Gewicht die Häretiker auf solche Schriften legten, desto verdächtiger wurden sie in den ersten christlichen Jahrhunderten den Lehrern der Kirche, weshalb die apokryphischen Bücher als untergeschobene Machwerke häretischen Inhalts galten, u. sich an dieselben der Begriff des Untergeschobenen anknüpfte. Erst seit Hieronymus wurde es gewöhnlich, apokryphische Bücher auch 2) diejenigen Bücher der Bibel u. zwar a) des Alten Testamentes zu nennen, welche nicht in den Kanon gehörten, sondern erst nach dem Abschluß desselben (150 v. Chr.) bis zum Untergang des jüdischen Staates verfaßt waren. Sie unterscheiden sich von den kanonischen Büchern dadurch, daß sie ursprünglich wohl hebräisch geschrieben, aber nur noch in griechischer Sprache vorhanden, die Erzeugnisse der späteren jüdischen Literatur enthalten, welche zum Theil von ägyptischen Juden verfaßt u. nie von den palästinischen Juden als heilige Schriften anerkannt worden sind. A. in diesem Sinn sind: das Buch Judith, der Weisheit, Tobiä, Jesus Sirach, Baruch, 2 Bücher der Makkabäer, Stücke zu Esther, die Historie von der Susanna, vom Bel u. vom Drachen zu Babel, das Gebet der 3 Männer im feurigen Ofen, u. das Gebet Manass Durchgängig verworfen u. nicht in der Bibel aufgenommen sind die Pseudepigrapha, nämlich das 3. u. 4. Buch Esra, das 3. u. 4. Buch der Makkabäer, der 151. Psalm, der Anhang zu Hiob, die Vorrede zu den Klageliedern Jeremiä, Reste aus dem Buche Henoch, die Testamente der 12 Patriarchen u. der Söhne Jakobs, die Psalmen Solomonis. Der Name A. für diese Bücher wurde auf das Unsichere ihres Ursprungs bezogen, nicht darauf, daß sie von der Aufbewahrung in der Bundeslade od. dem Oron ausgeschlossen waren. Nach Luther sind es Bücher, welche nicht der heiligen Schrift gleich gehalten, aber doch nützlich u. gut zu lesen sind Dieser Begriff hat sich in der Protestantischen Kirche fixirt, u. diese Meinung galt auch in der alten Morgenländischen Kirche, u. erst die Synode zu Jerusalem im Jahr 1672 hat, im Gegensatz zur Protestantischen Kirche u. in Übereinstimmung mit der Römisch-katholischen Kirche, welche die A. im 4. Jahrhundert kanonisirt u. ihre Kanonicität durch das Tridentiner Concil von Neuem bestätigt hat, die A. für Bestandtheile der heiligen Schrift von kanonischem, aber zum Unterschied von den, von der ganzen christlichen Kirche als kanonisch angenommenen, nur vom deuterokanonischem Ansehen erklärt. In neuerer Zeit hat die Presbyterianische Kirche in Schottland u. England, so wie die evangelische Partei der Anglicanischen Kirche die A. ganz verworfen u. es als entschieden gefährlich u. verderblich bezeichnet, diese mit den kanonischen Büchern in den Ausgaben der Bibel in der Landessprache zu verbinden, u. die englisch-schottischen Bibelgesellschaften protestirten seit 1825 gegen die Verbreitung der Bibeln mit den A. Diese Ansicht hat in neuester Zeit auch in Deutschland bei Einigen Billigung gefunden, u. die Gegner der A. sagen von ihnen nicht blos, daß sie weder von den Juden je als kanonisch u. göttlich anerkannt sind, noch das Zeugniß Christi u. der Apostel für sich haben, wie die kanonischen Bücher, sondern daß sie rein menschliche Erzeugnisse sind u. sogar seelengefährliche Irrthümer enthalten, weshalb es unstatthaft sei, sie mit den inspirirten, das Wort Gottes enthaltenden Büchern des A. u. N. T. zusammenzustellen. Vgl. Keerl, Die A. des A. T., Lpz. 1852; Ders., Die A-frage, ebd. 1855; Dagegen: R. Stier, Die A., Braunschw. 1853, u. m. A. b) Die A. des Neuen Testamentes, welche Beiträge zur neutestamentlichen Geschichte enthalten, sind größtentheils zu Anfang des 2. Jahrhunderts u. fast alle, wie das ganze N. T., in griechischer Sprache geschrieben u. nie in den am Schluß des 4. Jahrh. gesammelten neutestamentlichen Kanon aufgenommen, weil sie nicht für inspirirt galten. Man kann sie eintheilen in: aa) apokryphische Evangelien; zu diesen gehören: das Evangelium der Hebräer (Ev. der 12 Apostel), im syrochaldäischen Dialekt mit griechischen Buchstaben, blos bei den Ebioniten u. Nazaräern im Gebrauch, wahrscheinlich interpolirter Matthäus; das Ev. der Kerinthianer, von diesen gebraucht, zum Theil aus Matthäus; das Ev. der Karpokratianer, soll das der Ebioniten mit Hinzufügung der Stammtafel Jesu gewesen sein; das Ev. secundum Aegyptios, bes. von den Enkratiten gebraucht, nur noch Bruchstücke vorhanden;[604] das Ev. des Barnabas, erzählt das Leben Jesu abweichend (nach ihm ward Judas statt Christus gekreuzigt, während dieser von Engeln in den Himmel entrückt wurde); das Ev. des Marcion (s.d.); das Ev. des Nikodemos, wahrscheinlich durch Umbildungen aus den Acta Pilati entstanden, enthält Christi Verhör vor Pontius Pilatus u. seine letzten Schicksale; das Ev. der Valentinianer, das Ev. des Basilides des, scheint mit Lukas u. Matthäus verwandt, Fragmente bei Epiphanios; das Protevangelium des Jakobus über Maria u. Jesu Kindheit, enthält viel Sagen, wird dem Bruder Jesu beigelegt, stammt aus der Zeit Justins des Märtyrers; das Ev. des Petrus soll sehr verwandt mit dem der Hebräer gewesen sein; Evangelia infantiae Christi, wie das Ev. Thomae, mit dem Jakobusevangelium aus gleicher Zeit stammend; der Pseudo-Matthäus, lateinisch aus der hebräischen Urschrift des Matthäus von dem Presbyter Hieronymus; Ev. Arabum (ursprünglich syrisch, 1697 von H. Sike lateinisch übersetzt), füllt die Lücke zwischen der Kindheit u. dem Auftreten Jesu aus; die Briefe Christi an Abgar (s.d.); Evangelium de nativitate Mariae (lateinisch), eine Geschichte Mariens bis zur Geburt Jesu; Geschichte Josephs des Zimmermanns, bis zu dessen Tod, lateinisch aus dem Arabischen. Diese A. sind gesammelt im Codex apocr. N. T. von Fabricius, Hamb. 1719 (2. Ausg.), 3 Thle.; Auctarium dazu von Birch, Kopenh. 1804; Thilo, Codex ap. N. T., Lpz. 1832, 1 Thl.; Evangelia apocrypha von Tischendorf, Lpz. 1853. bb) Bücher der apokryphischen Apostelgeschichte unter dem Titel Ηράξεις (lateinisch Acta); zu ihnen gehören die Acta Petri et Pauli, herausgeg. von Thilo 1836f.; Acta Pauli et Theclae, herausgegeben von Grobe im Spicilegium; Acta Barnabae, herausgegeben in den Act. S. S. (2. Bd. des Monat Juni); Acta Andreae, herausg. von Woog, Lpz. 1749: Acta Andreae et Matthiae, herausg. von Thilo, 1846; Acta Thomae, von Thilo, 1823; eine Sammlung dieser A. von Tischendorf, Acta Apostolorum apocr., Lpz. 1851, welche außer den genannten noch enthält: Acta Philippi, Acta Philippi in Hellade. Acta et martyrium Matthae, Consummatio Thomae, Martyrium Bartholomaei, Acta Thaddaei u. Acta Johannis.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 604-605.
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