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Ätzen

[71] Ätzen, die Erzeugung von Vertiefungen auf der Oberfläche verschiedener Körper durch Anwendung von Lösungsmitteln. Ist der zu ätzende Körper nicht vollkommen homogen, so werden einzelne Teile stärker angegriffen als andre, und es entstehen Muster, welche die wahre Struktur scheinbar homogener Körper erkennen lassen (Widmanstättensche Figuren bei Meteoreisen) und bisweilen zur Verzierung erzeugt werden (Damaszieren, Moiré métallique). Überzieht man die Oberfläche homogener Körper mit einer von dem Ätzmittel nicht angreifbaren Masse (Ätzgrund), so kann man durch Gravieren und Ä. der bloßgelegten Oberfläche mit einer Flüssigkeit (Ätzwasser) Zeichnungen hervorbringen, die nach Beseitigung des Ätzgrundes mit Hilfe von Druckerschwärze von den geätzten Platten auf Papier übertragen werden können. Sollen in der Ätzung verschiedene Abstufungen oder Töne erreicht und deshalb einzelne Linien mehr oder weniger vertieft werden, so unterbricht man die Ätzung, überzieht die zu schützenden Teile mit einer Lösung des Ätzgrundes und setzt dann das Ä. fort. Dies ist das Tiefätzen, bei dem die dunkeln, eingeätzten Stellen mit Druckerschwärze gefüllt werden und die Lichter stehen bleiben. Ätzgrund besteht aus einer zusammengeschmolzenen Mischung von Wachs, Asphalt und Pech. Als Ätzwasser benutzt man auf Kupfer verdünnte Salpetersäure, auch eine Lösung von salpetersaurem Kupfer mit einer Lösung von Salmiak in Essig und etwas Salpetersäure, oder eine Mischung von verdünnter Salzsäure mit einer siedend heißen Lösung von chlorsaurem Kali. Zum Ä. in Stahl (Siderographie) benutzt man eine Mischung aus Holzessig, Weingeist und Salpetersäure oder eine Lösung von Quecksilberchlorid mit Weinsteinsäure und einigen Tropfen Salpetersäure, auch eine saure Lösung von salpetersaurem Silber (Glyphogen) und eine Lösung von Jod und Jodkalium in Wasser. Die abgespülte und getrocknete Platte schützt man durch einen Überzug mit Firnis oder Talg vor dem Rosten. Zum Ä. des lithographischen Steines wird meist verdünnte Salpeter- oder Salzsäure angewendet.[71]

Beim Hochätzen werden die Lichter weggeätzt und die stehen bleibenden Erhabenheiten mit Schwärze überzogen. So geätzte Platten können in den Typensatz eingesetzt und mit diesem zugleich abgedruckt werden. Um Messer- u. Säbelklingen, Galanteriewaren etc. mit glänzenden Figuren auf mattem Grund zu verzieren (unechte Damaszierung), überzieht man die Stellen, die ihre Politur behalten sollen, mit flüssigem Ätzgrund u. setzt das Ganze Dämpfen von Salzsäure aus.

Als Ätzmittel auf Glas dient Flußsäure (Fluorwasserstoffsäure). Man rührt Flußspatpulver mit verdünnter Schwefelsäure zu einem dünnen Brei und läßt denselben bei 30–40° auf der Glastafel eintrocknen; die nicht durch Ätzgrund geschützten Partien werden hierbei matt. Eine Lösung von Fluorwasserstoff-Fluorkalium mit Salzsäure und schwefelsaurem Kali gibt eine sehr gleichmäßige Ätzung. Auch kann man das Muster, das matt eingeätzt werden soll, mit einem Kautschukstempel und einer fettigen Farbe auf das Glas übertragen und mit Fluorwasserstoff-Fluorammonium bestreuen. Das Salz haftet nur an der Farbe und wirkt nach dem Anhauchen durch diese hindurch auf das Glas. Eine aus Fluorwasserstoff-Fluorammonium, gefälltem schwefelsaurem Baryt und rauchender Fluorwasserstoffsäure dargestellte Tinte liefert in 15 Sekunden eine scharfe Ätzung. Die von Böttger und Bromeis erfundene Hyalographie liefert geätzte Glasplatten zum Druck. – Zum Ä. auf Zink werden Holzessig, Salpetersäure und Chlorsäure angewendet. Gold ätzt man mit Königswasser, Silber, Messing, Marmor u. Perlmutter mit verdünnter Salpetersäure, Bergkristall, Amethyst, Achat und andre kieselsäurereiche Steine ätzt man mit Flußsäure, Bernstein und Elfenbein mit konzentrierter Schwefelsäure. Zum Ä. auf Metall benutzt man auch eine Ätzmasse aus salpetersaurem Eisenoxyd mit etwas Platinchlorid für Eisen und Stahl und aus Antimonchlorid mit Platinchlorid für alle übrigen Metalle, mit Ausnahme von Gold und Plat in. Die Ätzmasse wird auf einer Glasplatte ganz dünn und gleichmäßig verrieben und mittels eines Kautschukstempels auf die sehr sorgfältig gereinigte Metallfläche übertragen. Man erhält eine matte Ätzung oder eine fest haftende schwarze Färbung. Nach kurzer Zeit wäscht man mit Wasser, das wenig Soda oder Ätzammoniak enthält, trocknet und reibt die Ätzung mit etwas fettem Öl ein oder überzieht sie ganz dünn mit Spiritus- oder Öllack. Über die Galvanokaustik s. d. Die ältesten Ätzungen zeigen Waffen aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Kunst entwickelte sich sehr schnell und wurde auf Rüstungen und alle Eisengeräte angewendet. Man rieb die vertieften Stellen mit einer Mischung von Schwarzlot und Öl ein und befestigte die Masse durch Erhitzen (Schwarzätzung). Vgl. Miller, Die Glasätzerei (3. Aufl., Wien 1896); Schuberth, Das Ä. der Metalle für kunstgewerbliche Zwecke (das. 1888); Kampmann, Dekorierung des Flachglases (Halle 1889); S. Meyer, Die Liebhaberkünste (3. Aufl., Leipz. 1902); Fischer, Das Gesamtgebiet der Glasätzerei (Braunschw. 1892); Boeheim, Waffenkunde (Leipz. 1890). Vorlagenwerke: Hansen, Der Kunst-Glasätzer (32 Tafeln, Düsseld. 1895); Haas, Moderne Glasätzereien (Berl. 1901).

Über Ä. in der Medizin s. Ätzmittel.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 71-72.
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