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Liberĭa [1]

[506] Liberĭa, Negerrepublik an der Körner- (Pfeffer-) Küste am Golf von Guinea (s. Karte bei »Guinea«), vom Manahfluß bis zum Rio San Pedro 620 km lang; die Grenze gegen das Innere ist durch Verträge (1885, 1887, 1892) mit England und Frankreich festgesetzt, so daß das Gebiet von L. etwa 95,400 qkm umfaßt; das fruchtbare und gesunde Hinterland gehört zu Frankreich. Die Bevölkerung wird auf 2,060,000 (nach andern auf nur 1 Mill.) Einw. geschätzt (60,000 Americo-Liberianer). Die flache, einförmige Küste, zwischen den Kaps Mesurado und Palmas, zeigt mit Mangroven bedeckte Sümpfe, die zur Regenzeit (Mai bis August, Oktober und November) sehr ausgedehnt sind. Dahinter hebt sich das Land allmählich zu 1000 m, waldig und unbewohnt. Von zahlreichen, das Land durchschneidenden Flüssen (St. Paul, Little Bassa, Sinoë, Cavally u.a.) sind die Mündungen meist verstopft, sonst aber, wenn auch durch Stromschnellen beeinträchtigt, etwa 120 km hinauf mit Barken schiffbar. Das Klima (27,5° im Jahresmittel) ist für Europäer ungesund, wenn auch nicht so mörderisch wie in Sierra Leone. Herrliche Wälder im Innern bergen Ölpalmen, Gummibäume; ferner gewinnt man Rosenholz, Mahagoni, Pappel-, Eben- und Farbhölzer; dazu Kolanüsse, Ananas, Kaffee, der wild wächst, dessen Kultur aber ertragreich zu werden verspricht. Von der Tierwelt werden Elefanten, Leoparden, Flußpferde, Krokodile immer seltener; dagegen sind Affen, Chamäleons, Eidechsen, Ameisen zahlreich. Die Bevölkerung setzt sich außer den Krunegern (s. Kru) und den aus Amerika übergesiedelten Negern, bez. deren Nachkommen, buntscheckig aus Bassa, Bussi, Deh, Gallina, Gola, Grebo, Pessie u.a. zusammen. Zivilisierte Neger gibt es etwa 18,000, protestantische Christen sehr verschiedenen Sekten angehörig. Dagegen macht der Mohammedanismus im Innern immer mehr Fortschritte trotz der Bemühungen amerikanischer protestantischer Missionsgesellschaften. Eine Staatskirche besteht nicht. Elementarschulen befinden sich in jeder größern Ortschaft; ein College ist beabsichtigt, aber noch nicht eröffnet. Ein Kriminalkodex ist 1900 erlassen. Die Dienstpflicht besteht vom 16.–50. Jahr. Der Ackerbau ist, da der Boden trotz der Güte nicht unter Kultur genommen, auf Kartoffeln, Maniok, Zucker, Kakao und Kaffee (s. oben) beschränkt. Gold und Kupfer sind vorhanden; doch können Weiße Landbesitz nur mit Erlaubnis der Regierung erwerben. Jetzt (1905) besteht die West African Gold Concessions Company. Dasselbe gilt auch für den Handel, an dem aber doch Deutsche, Engländer und Amerikaner beteiligt sind. Ausfuhrartikel sind: Gummi, Palmöl, Palmkerne, Kakao, Kaffee, Elfenbein, Farbhölzer; Einfuhrartikel: Baumwolle, Petroleum, Spirituosen u.a. Die Ausfuhr nach England betrug 1902: 77,749 Pfd. Sterl., die Einfuhr von dort: 52,235 Pfd. Sterl. Münzen, Gewichte und Maße sind die englischen, doch erfolgen die Berechnungen nach nordamerikanischem System. Viel Papiergeld zirkuliert. – Offizielle Sprache ist die englische. Die Verfassung ist der der amerikanischen Union nachgebildet: an der Spitze ein Präsident mit seinem Kabinett, ein Senat mit 9 auf 4 Jahre, ein Repräsentantenhaus mit 13 auf 2 Jahre gewählten Mitgliedern. Ein Weißer kann das Bürgerrecht nicht erlangen. Infolge der Arbeitsscheu der Liberianer tritt Verfall ein. Schwarze Kolonisten werden nicht mehr hingesandt, nur noch freiwillige Einwanderer. Die Bevölkerung nimmt nur langsam zu. Die Armee beträgt 1000, Miliz und Freiwillige 500 Mann. Die Finanzen ergaben 1902 an Einnahmen 310,100 Doll. (1900: 218,804), an Ausgaben 318,110 Doll. (1900: 207,935). Eine Staatsschuld von 100,000 Pfd. Sterl. wurde 1871 aufgenommen (7 Proz.) und wuchs 1899 auf 178,500 Pfd. Sterl. Ein Arrangement erfolgte 1899; immerhin bleibt eine Schuld von über 115,000 Pfd. Sterl. – L. zerfällt in vier Grafschaften: Bassa, Sinoë, Kap Maryland und Montserrado. Hauptstadt ist Monrovia, das mit Krootown zusammen (1897) 5000 Einw. zählt. Außerdem kommen, zum Teil als Häfen, in Betracht: Robertsport, Edina, Grand Bassa (Buchanan), Sinoë, Greenville, Harper, Kap Palmas, Nanna-Kroo und Half-Cavalla. Das Wappen der Republik s. Tafel »Wappen IV«, Fig. 4, die Flagge Tafel »Flaggen I«. Als Orden besteht der am 13. Jan. 1879 gegründete »Orden der Afrikanischen Befreiung« in drei Klassen.

Die Republik verdankt ihre Entstehung dem 1816 in Washington gegründeten Kolonisationsverein zur Ansiedelung freier Farbigen der Vereinigten Staaten, der östlich vom Kap Mesurado einen Küstenstrich von den Negerhäuptlingen erwarb. Die Kolonie gedieh (1832: 2500 Ansiedler) und vergrößerte sich. 1847 selbständige, auch in Europa anerkannte Republik, erweiterte sie sich: 1848 (Gebiet am Gallinas), 1852 (Gebiet am Cassa), 1880 (Gebiet des Königreichs Medina); 1857 trat die Negerrepublik Maryland (1834 am Kap Palmas gegründet) hinzu. Doch nach und nach minderte sich die amerikanische Einwanderung; die tüchtigen Leute der Kolonie starben allmählich aus, und der Nachwuchs entsprach dem nicht. So wurde 1870 L. beim Abschluß einer Anleihe von 100,000 Pfd. Sterl. so schwer benachteiligt, daß es noch unter den Folgen leidet (vgl. »Deutsche Kolonialzeitung« vom 20. Juni 1901). 1882 wurde das Gallinasgebiet dem achten Präsidenten Gardiner von England abgenötigt. Seit 1886 machten dann die Vereinigten Staaten Anstrengungen, Einfluß auf L. zu gewinnen und dort wenigstens eine Kohlenstation zu erwerben: Oktober 1899 untersuchte der amerikanische Kreuzer Montgomery, im Frühsommer 1902 der Kreuzer San Francisco die liberische Küste, und im Juni 1900 suchte eine Abordnung aus L. in geheimer Mission bei MacKinley um Einverleibung in die Union nach. Doch schlug dort die Stimmung wieder um, seitdem Anfang 1903 der Versuch, 54 Neger aus Georgia in Cheesemanburg anzusiedeln, kläglich gescheitert war. Vgl. Wanbermans, L., histoire de la fondation d'un état nègre libre (Brüss. 1885); Büttikofer, Reisebilder aus L. (Leiden 1890); Delafosse, Un état nègre; la république de L. (Par. 1900); Johnston, Liberia, the negro republic in West Africa (Lond. 1905); Schurtz in Helmolts »Weltgeschichte«, Bd. 3 (Leipz. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 506.
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