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Kasan [2]

[705] Kasan (tscheremiss. Oson), Hauptstadt des ehemaligen Tatarenreichs und des jetzigen Gouvernements K. (s. oben), liegt 85 m ü. M. und 4,5 km vom linken Wolgaufer, von der Kasanka und vier andern Flüßchen durchflossen, an der Eisenbahn Moskau-Rjasan-K. und ist auf sieben Hügeln erbaut. Sie besteht aus dem Kreml, der eigentlichen Stadt und den Vorstädten oder Sloboden. Der Kreml liegt am nördlichen Ende der Stadt auf einer Anhöhe und bildet ein längliches, von einer mit fünf Türmen geschmückten Mauer umgebenes Viereck, das auf drei Seiten von schroffen Abhängen, auf der vierten von einem tiefen Graben umgeben ist. Innerhalb des Kremls befinden sich mehrere Kirchen, darunter die Kathedrale der Verkündigung Mariä (1552 gegründet) mit zahlreichen Türmen und Kuppeln, dabei ein prächtiges Kloster (1556 gegründet) und ein Waisenhaus für Popentöchter; ferner ein Artilleriearsenal, das Regierungsgebäude, das Schloß (Wohnung des Gouverneurs) etc. Die eigentliche Stadt zerfällt in drei Viertel, hat z. T. kleine, einstöckige, von Gärten umgebene Häuser, 55 griechisch-kath. Kirchen und 6 Klöster, eine lutherische und eine römisch-kath. Kirche, eine Synagoge sowie 14 Moscheen und ein Denkmal des Dichters Dershawin; sie wird vorzugsweise von Russen bewohnt, während in den Vorstädten meist Tataren leben. Die Zahl der Bewohner beträgt (1897) 143,707, wovon etwa 20,000 Tataren. Die Industrie Kasans erstreckt sich auf Fabrikation von Justen, Seife, Matten und Stricken, Stearin- und Talglichten, Leder (besonders Saffian), Branntwein, Bier, Wachslichten, Tuch, Kattun, Heiligenbildern und geistlichen Gewändern, Goldwirkerei auf Leder, Flachsspinnerei, Mühlenbetrieb, Glockengießerei. In der Nähe befindet sich auch eine große Werft, auf der Peter d. Gr. seine kaspische Flotte bauen ließ. Der Handel ist neuerdings zurückgegangen. K. hat eine 1804 von Alexander I. gestiftete Universität mit einer historisch-philologischen, physiko-mathematischen, juristischen und medizinischen Fakultät (Zahl der Zuhörer 1903: 873), einer Bibliothek von 80,000 Bänden, einer Sternwarte, einem botanischen Garten und verschiedenen Sammlungen; eine geistliche Akademie, drei Gymnasien, zwei für Mädchen, eine Infanterie-Junkerschule, eine Realschule, ein Lehrerseminar, eine Ackerbauschule; außerdem ein Irrenhaus, ferner ein Theater, mehrere Hospitäler. K. ist Sitz eines griechisch-katholischen Erzbistums (K. und Swijashsk), eines Militär- und eines Lehrbezirks und das geistige Zentrum der russischen Mohammedaner, die hier ihre bedeutendsten Schulen und Druckereien haben. In K. erscheinen 17 Zeitungen und Zeitschriften. Unweit der Admiralitäts-Vorstadt steht die sogen. Schädelpyramide Iwans, ein Denkmal zu Ehren der unter Iwan IV. vor K. Gefallenen (1812–23 errichtet). Die malerischen Umgebungen der Stadt werden als die Kasansche Schweiz bezeichnet. – K. bestand wahrscheinlich schon vor dem 13. Jahrh., lag aber ursprünglich 45 km nordöstlich von der jetzigen Stadt, wo noch jetzt ein ovaler Erdwall mit Graben zu sehen ist. Nach Zerstörung dieser alten Stadt durch ein russisches Heer (1391) wurde K. 1438 durch den aus Sarai vertriebenen Chan der Goldenen Horde, Ulugh Mohammed, an seiner jetzigen Stelle neugegründet und Hauptstadt des Kasanschen Reiches (s. oben). 1552 fiel K. endgültig in die Hände der Russen. Wiederholt[705] litt K. durch Feuersbrünste; es ist schon zwölfmal abgebrannt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 705-706.
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