[484] Kalkutta, Hauptstadt des britisch-ind. Kaiserreichs und der Lieutenant-Governorship Bengalen, unter 22°34' nördl. Br. und 88°26' östl. L., 130 km vom Golf von Bengalen, am linken Ufer des Hugli oder Bhagirathi, Ausgangspunkt von vier Bahnen, erstreckt sich von N. nach S. 5 km am Fluß entlang.
Das Klima ist heiß, feucht und ungesund. Als höchste Temperatur wurde 41°, als niedrigste 11° gemessen, als Durchschnitt im heißesten Monat (Mai) 30°, im kältesten (Dezember) 20°. Sehr stark ist der Regenfall; Zyklone richten periodisch große Verheerungen an, Cholera und Fieber sind endemisch, die Pest ist in K. verhältnismäßig mild aufgetreten. Gesundheitsstationen sind Simla, Sommerresidenz des Vizekönigs, und Dardschiling. Seit 1870 wird die Stadt mit filtriertem Wasser versorgt, wodurch der Gesundheitszustand sich wesentlich gebessert hat. Die eigentliche Stadt, vom Fluß und der Circular Road eingeschlossen, bedeckt 21 qkm und enthält die weit ausgedehnte Esplanade, den Maidan, Exerzierplatz für die Truppen und Promenade der eleganten Welt, wo, dicht am Hugli, das Fort William einen Raum von 3 km Umfang einnimmt, mit großem Arsenal, 619 Geschützen und 25,000 Mann. Im N. begrenzen den Maidan der Palast des Vizekönigs, das Rathaus, die Bank von Bengalen, das Generalpostamt, Zollamt, die Münze; weiter sind nennenswert die Gebäude des Gesetzgebenden Rats, der Obergerichtshof, eine Irrenanstalt, ein großes Gefängnis. Hospital, der Palast des anglikanischen Bischofs, 27 protestantische (St. Paulskathedrale), 8 kath. Kirchen, ein deistisches Gotteshaus (merkwürdigerweise keine orthodoxe Hindutempel). Die Stadt hat zahlreiche Denkmäler, darunter die von Ochterlony, Warren Hastings, Wellington, Cornwallis, Outram, Peel (im schönen Eden Garden, woselbst auch eine 1854 herübergebrachte birmanische Pagode). Die Bevölkerung betrug 1901: 847,796 (mit Vorstädten 1,106,738) Köpfe (562,596 männlich, 285,200 weiblich), darunter 553,261 Hindu, 249,939 Mohammedaner, 37,925 Christen. Der Nationalität nach waren 5323 Europäer, davon 4325 Engländer, 224 Franzosen, 173 Deutsche, 163 Türken, 102 Italiener. Starke Militärabteilungen stehen im Fort William und in den Vorstädten Barrackpur und Dum Dum. Die Industrie ist auf das K. gegenüberliegende Howrah (s. d.) konzentriert. Mit diesem hatte K. 1902: 26 Jutefabriken mit 15,132 Webstühlen, bei denen über 80,000 Arbeiter beschäftigt waren, 8 Baumwollspinnereien mit 324,038 Spindeln, 3 große Papierfabriken, 2 große Zuckerfabriken, mehrere Indigofabriken, eine Messinggießerei und viele kleinere gewerbliche Anstalten. Namentlich ist K. Sitz der Juteindustrie, wie Bombay der der Baumwollindustrie. Großartige Etablissements besitzt der Staat in Stadt und Umgegend, darunter die große Geschützgießerei in Kosipur. Unterstützt durch Fluß, Eisenbahnen und die Nähe des Meeres, hat sich der Handel zu großartigen Verhältnissen entwickelt und den von Bombay überflügelt. Der Gesamthandel wertete 1902: 1100 Mill. Rupien, wobei der geringfügige Handel der Nebenhäfen Bengalens eingerechnet ist; die Einfuhr betrug 328, die Ausfuhr 640 Mill. Rupien. Aus Deutschland kam 1902 für 11,159,460, dorthin ging für 82,683,580 Mark Ware. Bei der Einfuhr nehmen Baumwollfabrikate, Garne und Twist etwa die Hälfte ein, andre wichtige Einfuhrartikel sind Woll- und Seidenwaren, Metalle und Metallwaren, Kleider, Schirme, Papier, Papierwaren, Bücher, Glaswaren, Drogen, Zucker, Speck, Schinken, Käse, Butter, Petroleum, Chemikalien, Farben u. a. Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind Jute und Jutesäcke, Opium, Tee, Reis, dann Häute, Baumwolle, Ölsaaten, Indigo (dauernd abnehmend), Rohseide (für 5,753,220 Rupien), Gummi. Kohle kann jetzt aus K. bereits ausgeführt werden (1902 fast 2 Mill. Ton.). Der Hafen für große, schwerbeladene Schiffe ist Diamond Harbour, mit K. durch Eisenbahn verbunden; andre Schiffe können[484] bis zur Stadt gelangen, deren Hafen sich 16 km lang am Ufer hinzieht, doch ist die Einfahrt wegen der Veränderlichkeit des Wasserstandes und der Sandbänke nicht selten gefährdet. Die über den Hugli nach Howrah (s. d.) führende Schiffbrücke wird zu bestimmten Stunden geöffnet. Es liefen 1902 ein 538 Dampfer von 1,402,030 Ton. und 24 Segelschiffe von 34,656 T., aus 517 Dampfer von 1,352,233 T. und 30 Segelschiffe von 33,692 T. Außer sieben englischen Dampferlinien, dem Österreichisch-Ungarischen Lloyd (16 Dampfer) und den Messageries maritimes verkehrte hier die Hansa- und die Hamburg-Amerika-Linie. Mit dem Innern ist K. durch die Dampfer auf dem Ganges, die Eastern Bengal- und South Eastern-Bahn sowie von Howrah aus durch die East India-Bahn verbunden. Kürzere Linien sind K.-Balliagh und die Munizipalbahn. Eine 27 km lange Straßenbahn durchzieht die vornehmsten Straßen. In K. sind 14 Banken vertreten. Die Stadt besitzt 7 Krankenhäuser, zahlreiche Bildungsanstalten, darunter das Hindu College, University Senate House, Hare School, Presidency College, Sanskrit College, Medical College, Calcutta Madrassa, die berühmte La Martinière, die Free Institution, einen prächtigen botanischen und zoologischen Garten, ein Museum, ist Sitz der Asiatic Society of Bengal, der Gesellschaften für Natur- und Arzneikunde, für Gartenbau, eines Handwerkerinstituts u. a. K. ist Sitz des Vizekönigs von Indien, des Lieutenant-Governors von Bengalen, der obersten Verwaltungsbehörden, des Appellhofs für Indien, eines katholischen Erzbischofs und eines anglikanischen Bischofs, des Oberbefehlshabers in Indien und Kommandeurs der Truppen in Bengalen, eines deutschen Generalkonsuls etc. An die eigentliche Stadt schließen sich 17 Vorstädte an mit einem Gemisch der verschiedensten Rassen und Kasten. Die Stadt wurde 1686 durch englische Kaufleute, die der Mogulstatthalter von Bengalen aus ihrer Faktorei Hugli vertrieben hatte, im Dorfe Tschatanati gegründet, das mit Kali Ghat (daher der Name) und andern Orten die Stelle des heutigen K. einnahm. Am 20. Juni 1756 wurde der Ort durch Suradsch ed Daulah eingenommen, wobei 146 englische Gefangene in das »Black Hole« eingesperrt wurden, in dessen engem Raum 123 während der Nacht umkamen. Nachdem aber Clive 2. Jan. 1757 die Stadt zurückerobert hatte, hob sich K. rasch wieder. Seit 1772 ist es Sitz der britisch-indischen Regierung.
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