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Größe

[420] Größe, jedes Ding, das aus Teilen zusammengesetzt ist oder in Teile zerlegt werden kann, das also der Vergrößerung oder Verkleinerung fähig ist. Die wichtigsten Größen sind die Zahlengrößen, die Raumgrößen, auch extensive oder Ausdehnungsgrößen genannt (Längen, Flächen, Körperräume), und die Zeitgrößen, auch protensive Größen genannt. Intensive Größen heißen solche, die einer Steigerung und Abschwächung, einer größern oder geringern Stärke (Intensität) fähig sind, wie Kräfte, das Licht, die Wärme etc. Man unterscheidet stetige oder kontinuierliche Größen und [420] unstetige oder diskrete. Zu jenen gehören die Raum- und die Zeitgrößen, bei denen die Zerlegung in Teile beliebig weit fortgesetzt werden kann, so daß also von jeder Größe zur andern ein allmählicher Übergang ohne Unterbrechung möglich ist. Dagegen sind die Zahlengrößen, auf die man durch das Zählen kommt (die sogen. natürlichen Zahlen) unstetig, weil sie alle aus einer unter ihnen, der sogen. Einheit, zusammengesetzt sind und jede aus der vorhergehenden durch Hinzufügung der Einheit entsteht, so daß man also bei jeder vollständig angeben kann, wie viele Einheiten sie enthält, womit ihre Zerlegung in Teile zu Ende geführt ist. Jedoch lehrt die Arithmetik, daß man durch Einführung der Bruche (der rationalen Zahlen) und der irrationalen Zahlen die Reihe der natürlichen Zahlen vervollständigen und so den Begriff einer stetigen Zahlengröße herstellen kann. Auf diese Weise ist es möglich, die Raum- und die Zeitgrößen auf Zahlengrößen zurückzuführen. Man vergleicht nämlich Größen derselben Art untereinander, indem man eine von ihnen als Einheit benutzt und die andern aus Vielfachen und aus Teilen dieser Einheit zusammensetzt. Man nennt dieses Verfahren Messung der betreffenden Großen und erhält so für jede G. eine Zahl, ihre sogen. Maßzahl, die angibt, wie viele Einheiten und Teile der Einheit die G. enthält. Die Raum- und die Zeitgrößen kann man unmittelbar messen, intensive Größen jedoch nur, wenn es gelingt, sie auf extensive zurückzuführen. So mißt man Kräfte durch die Wege, die ein Körper unter ihrem Einfluß zurücklegt, man mißt die Wärme durch die Ausdehnung des Quecksilbers im Thermometer. Zwei Größen derselben Art heißen gleich, wenn sie, durch dieselbe Einheit gemessen, dieselbe Maßzahl bekommen, im entgegengesetzten Falle sind sie ungleich und die eine von ihnen ist dann immer die größere, die andre die kleinere. Zwei Größen, die beide aus Vielfachen derselben dritten zusammensetzbar sind, heißen kommensurabel und die dritte ihr gemeinsames Maß. Gibt es kein solches gemeinsames Maß, so heißen sie inkommensurabel. Im erstern Falle bekommt jede der beiden Größen, wenn man die andre als Einheit benutzt, eine rationale Zahl als Maßzahl, im zweiten eine irrationale uno man sagt je nachdem, das Verhältnis beider Größen sei rational oder irrational. Z. B. ist der Umfang eines Quadrats zur Seitenlänge kommensurabel und verhält sich zu dieser wie 4 zu 1, dagegen ist der Durchmesser des Kreises zum Kreisumfang inkommensurabel und verhält sich zu diesem wie 1 zu 3,1415926 ... Die Arithmetik ist durch die Verknüpfungen, die sie mit den Zahlengrößen vornimmt, und durch Fragen nach Zahlen, die bestimmte Forderungen erfüllen, zur Einführung neuer Arten von Größen genötigt worden. So kommt man bei der Subtraktion auf die Unterscheidung von positiven und negativen Großen, der im gewöhnlichen Leben der Gegensatz zwischen Vermögen und Schulden entspricht. Das Wurzelausziehen führt auf die Unterscheidung der reellen und der imaginären Größen. Schließlich ist noch von großer Wichtigkeit der Begriff der endlichen Größen im Gegensatz zu den unendlich großen und den unendlich kleinen Größen. Endlich heißt jede G., die kleiner ist als ein bestimmtes angebbares Vielfaches der zugrunde gelegten Einheit. Eine G. wird unendlich groß (klein), wenn sie großer (kleiner) wird als jede noch so große (noch so kleine) endliche G. Eine Zahl n, die man über alle Größen wachsen läßt, wird also unendlich groß, in Zeichen: sie wird ∞. Ein Bruch, dessen Zähler die Einheit ist und dessen Nenner über alle Grenzen wächst, wird unendlich klein und nähert sich ohne Aufhören dem Werte Null. Mit den unendlich großen und den unendlich kleinen Größen beschäftigt sich die Infinitesimalrechnung (s. Differential- und Integralrechnung). In der Algebra unterscheidet man bekannte und unbekannte Größen, jene bezeichnet man gewöhnlich mit den ersten Buchstaben des Alphabets: a, b, c ..., diese mit den letzten. In der selben Weise bezeichnet man in der Analysis einerseits die unveränderlichen (festen) oder konstanten Größen und anderseits die veränderlichen oder variabeln. Vgl. Stolz, Größen und Zahlen (Rede, Leipz. 1891); Poincaré, Wissenschaft und Hypothese (deutsch von Lindemann, Leipz. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 420-421.
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