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Friaul

[101] Friaul, ehemals selbständige ital. Landschaft mit eignen Herzogen, umfaßte die italienische Provinz Udine und den Distrikt Portogruaro der Provinz Venedig (das venezianische F.), dann einen großen Teil der österreichischen Markgrafschaft Görz und Gradisca nebst dem sogen. Idrianer Boden (das österreichische F.), insgesamt ca. 9000 qkm (160 QM.) mit über 700,000 Einw. Die Einwohner, Furlaner genannt, sind meist Italiener; ein Teil spricht aber einen eignen Dialekt, der, noch wenig ergründet, viel keltische Elemente zu enthalten scheint. – F. (ital. Friuli oder Patria del Friuli) hat seinen Namen von der altrömischen, einst hier gelegenen Stadt Forum Julii. Die ältesten bekannten Bewohner dieses Landstrichs waren im Westen die Euganeer, im Nordosten die Karner (daher der Name Carnea, Cargnia für das friaulische Bergland), die in der Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. von den Römern unterworfen wurden. Im 6. Jahrh. n. Chr. ward F. von den Langobarden erobert und zu einem Herzogtum gemacht; es umfaßte damals das Land zwischen dem Tagliamento, den Norischen und Julischen Alpen und dem Fluß Formio (Risano). Dazu kamen in der fränkischen Zeit, wo F. in eine Mark verwandelt wurde, im Osten Istrien und im Westen mehrere Städte diesseit des Piave; Hauptstadt war Cividale, das alte Forum Julii. Des Königs Alboin Neffe Gisulf (569 bis 610) war der erste langobardische Herzog. Unter ihm brachen die Avaren um 610 verwüstend in F. ein und verbrannten die Hauptstadt; Gisulf starb den Heldentod. Auf ihn folgten seine beiden ältesten Söhne, Taso und Kakko, denen auch slawische Gebiete, wahrscheinlich im kärntnerischen Gailtal, unterworfen waren. Unter den folgenden Herzogen sind hervorzuheben: Lupus, der sich 663 gegen den Langobardenkönig Grimoald empörte, jedoch gegen die Avaren fiel, die der König gegen ihn hetzte; Pemmo, der glücklich gegen die Slawen kämpfte, aber, weil er den Patriarchen von Aquileja, Calixtus, hatte gefangen nehmen lassen, 737 von dem Langobardenkönig Luitprand abgesetzt wurde; Ratchis, Sohn des vorigen, 744 zum König der Langobarden erwählt; Anselm, Schwager des Königs Aistulf, der 749 in den geistlichen Stand trat, 751 das Kloster Nonantola bei Modena stiftete und als ein Hauptgegner des Königs Desiderius erscheint; Hrodgaud, den Karl d. Gr. 774 einsetzte, der aber 775 an einer Verschwörung gegen den König teilnahm und 17. Juni 776 im Kampfe gegen die Franken umkam. Seitdem bildete F. eine Mark des fränkischen Reiches, deren bald als Markgrafen, bald als Herzoge bezeichneten Vorstehern zeitweise auch Dalmatien, Unterpannonien und Kärnten unterstellt waren. Markgraf Balderich (819–828) wurde 828, da er einen verheerenden Einfall der Bulgaren nicht verhindert hatte, abgesetzt, und nun ward F. in vier Bezirke geteilt, von denen nur einer den Namen der Markgrafschaft F. behielt. Unter Kaiser Lothar verwaltete die Markgrafschaft der Franke Eberhard, der mit Ludwigs des Frommen jüngster Tochter, Gisela, vermählt war, gegen Sarazenen und Serben tapfer kämpfte und 864 oder 865 starb. Dessen Sohn Berengar (s.d. 1) wurde 888 zum König von Italien gewählt und 915 zum Kaiser gekrönt, hatte aber bis zu seinem Tode (924) fortwährend um den Besitz der Herrschaft zu kämpfen. Nach dem ersten Zuge Ottos I. nach Italien wurden 952 die Markgrafschaften von Verona und F., welch letztere jetzt auch als Mark von Aquileja bezeichnet wird, dem Herzog Heinrich von Bayern unterstellt; von 952–962 galt F. als ein Teil Deutschlands. Seit 962 ward F. zwar wieder zu Italien gerechnet, aber seine Verbindung, erst mit dem Herzogtum Bayern, später mit Kärnten, dauerte fort, bis 1077 Heinrich IV. die herzoglichen und gräflichen Rechte in F. dem Patriarchen von Aquileja verlieh. Im spätern Mittelalter machte Venedig allmählich, teils durch freiwillige Unterwerfung des Adels und der Städte, teils durch gewaltsame Eroberungen, den größern Teil von F. zu einer venezianischen Provinz. Im Besitz eines andern Teiles blieben, seit 1420 unter venezianischer Lehnshoheit, die Grafen von Görz, nach deren Aussterben (1500) Kaiser Maximilian I. vermöge alter Verträge ihre Grafschaft in Besitz nahm. Das venezianische F. kam 1797 an Österreich und 1805 an das Königreich Italien. 1809 verlor Österreich auch den übrigen Teil von F. durch Abtretung an die illyrischen Provinzen. Im Kriege von 1814 gewann der Kaiser von Österreich ganz F. wieder und führte seitdem den Titel Herzog von F. und das Wappen des Landes (einen gekrönten Adler in blauem Feld). 1866 kam das venezianische F. an das neue Königreich Italien. Vgl. Manzano, Annali dei Friuli (Udine 1858–79, 7 Bde.); Derselbe, Compendio di storia friulana (das. 1876); Antonini, Il Friuli orientale (Mail. 1865); v. Zahn, Friaulische Studien (Wien 1878); Pirona, Vocabolario friulino (Vened. 1869); L. Fracassetti, La statistica etnografica del Friuli (Udine 1903). Ein Vokabular des Dialekts der drei deutschen Sprachinseln in F. verfaßte Marinelli (1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 101.
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