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Canning

[739] Canning, 1) George, brit. Staatsmann, geb. 11. April 1770 in London, gest. 8. Aug. 1827, verwaiste früh und ward von seinem Oheim, einem Bankier in London, erzogen. Er studierte, ließ sich als Rechtsanwalt in London nieder und kam als Anhänger Pitts 1794 ins Parlament. Pitt ernannte ihn 1796 zum Unterstaatssekretär für die auswärtigen Angelegenheiten; außerdem wurde er durch seine Mitarbeiterschaft an der Zeitschrift »The Anti-Jacobin, or Weekly Examiner« eine kräftige Stütze der Politik Pitts. 1801 mit diesem aus dem Amte geschieden, übernahm C. in Pitts zweiter Verwaltung 1804 bis 1806 das Schatzamt der Flotte, trat nach dem Tode seines Gönners in die Opposition zurück und wurde 1807 in dem Kabinett des Herzogs von Portland Minister des Auswärtigen. Das Bombardement von Kopenhagen, die Wegnahme der dänischen Flotte und das 1809 mit der spanischen Junta geschlossene Bündnis waren sein Werk. Im Herbste d. I. entzweite er sich mit dem Kriegsminister Lord Castlereagh wegen der von diesem angeordneten Expedition nach Walcheren; die Folge eines Duells, in dem C. verwundet wurde, war der Austritt beider aus dem Ministerium. Nachdem er 1814 als Gesandter zu Lissabon fungiert hatte, trat er 1816 als Präsident des indischen Kontrollamtes ins Ministerium ein, verließ aber 1820 wegen des Ehebruchsprozesses gegen Königin Karoline, mit der er befreundet war, England und legte nach seiner Rückkehr sein Amt nieder. 1822 nahm er den Posten eines Generalgouverneurs von Indien an; allein eben im Begriff abzureisen, erhielt er nach dem Selbstmorde Castlereaghs aufs neue das Portefeuille des Auswärtigen. C. erwies sich als ein entschiedener Gegner der damals auf dem Festlande herrschenden absolutistischen Tendenzen und leitete auch in der Heimat den Übergang zu einer liberalern Politik ein. Er begünstigte den Aufstand der spanischen Kolonien in Südamerika, vereitelte 1827 eine absolutistische Erhebung in Portugal und ergriff Partei für den griechischen Aufstand. Durch das Petersburger Protokoll vom 4. April 1826 verbanden sich Rußland und England zu einer für Griechenland günstigen Vermittelung, und der Londoner Vertrag vom 6. Juli 1827 nahm die Intervention dieser Mächte und Frankreichs in Aussicht, die später durch die Schlacht von Navarino die Befreiung Griechenlands herbeiführte. Inzwischen war C. im Februar 1827 an die Spitze des Ministeriums getreten, in das auch Führer der Whigs, wie Lord Lansdowne, aufgenommen wurden. C. leitete noch die Aufhebung der britischen Korngesetze ein und erklärte sich auch für die Emanzipation der Katholiken. Seine Gesundheit erlag aber den übermäßigen Anstrengungen und den Angriffen der Tories, die ihn als einen Abtrünnigen betrachteten. C. wurde in der Westminsterabtei neben Pitt beigesetzt. Das Parlament bewilligte seiner vermögenslosen Witwe, der die Peerswürde verliehen ward, im Januar 1828 eine jährliche Pension. Vgl. »Speeches and memoirs of George C.« (Lond. 1845, 6 Bde.); R. Bell, Life of C. (das. 1846); Stapleton, C. and his times (Oxf. 1859); Hill, Life of George C. (Lond. 1887); Marriot, George C. and his times (das. 1903). Mehrere von Cannings Gedichten und prosaischen Aufsätzen aus dem »Microcosm« und »Anti-Jacobin« stehen in Redes »Memoirs of the life of G. C.« (Lond. 1828, 2 Bde.). Seine »Official Correspondence« gab Stapleton heraus (Lond. 1887, 2 Bde.).

2) Charles John, Graf, Sohn des vorigen, geb. 14. Dez. 1812, gest. 27. Juni 1862 in London, kam 1836 in das Unterhaus, erbte aber schon 1837 die Peerswürde seiner Mutter und trat als Viscount C. ins Oberhaus. Unter Peel war er von 1841–46 Unterstaatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten,[739] dann einige Monate Oberkommissar der Wälder und Forsten. Im Dezember 1852 ward er im Ministerium Aberdeen Generalpostmeister, und 1856 wurde er unter Palmerston zum Generalgouverneur von Indien ernannt. Er trat dem indischen Aufstand (1857) mit Umsicht und mit Mäßigung entgegen und harrte trotz des unverdienten Tadels, den Lord Ellenborough ihm wegen seines Einschreitens in Audh (s.d.) erteilte, auf seinem Posten aus. Am 1. Sept. 1858 ging die Herrschaft über Britisch-Indien von der Ostindischen Kompagnie an die Krone über, und C. wurde der erste Vizekönig von Indien. 1859 wurde er zum Grafen C. erhoben. Vgl. Cunningham, Earl C. (in den »Rulers of India«, Lond. 1891).

3) Sir Stratford, engl. Diplomat, s. Stratford de Redcliffe, Viscount.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 739-740.
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