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Britannien

[431] Britannien (s. Karte »Germanien etc.«), im weitern Sinne die Insel Albion (Albainn, »Berginsel«, jetzt England mit Schottland) mit Jerne oder Hibernia (kelt. Vergyn, »die westliche«, jetzt Irland), daher auch Britanniae oder Britannicae Insulae, benannt nach ihren Bewohnern, die von den Galliern nach ihrer Sitte, den Körper zu bemalen, Brythȏn oder Brittanni genannt wurden. Die Römer lernten B. von allen westeuropäischen Ländern zuletzt kennen, obgleich die Phöniker und die Griechen (durch den massaliotischen Periplus Aviens im 6., durch Pytheas im 4. Jahrh. v. Chr.) schon früh eine Kunde von den Inseln hatten, die sie Kassiteriden (Zinninseln) nannten. Die älteste Bevölkerung war keltisch und trennte sich in zwei Sprachgruppen, die gadhelische (goidelische, gälische) im W. und N., die kymrische (brythonische) im S. Die Briten stimmten in Religion, Sitte, Sprache, Tracht etc. wesentlich mit den Galliern überein; doch waren sie roher, färbten den Körper mit Waid und kämpften auf Streitwagen. Die erste römische Unternehmung gegen B. war die des Julius Cäsar (August und September 55 v. Chr.), der bei einem zweiten Zug (Juli bis September 54) zwar den britischen König Cassivelaunus (s.d.) unterwarf, aber doch seine Truppen aus B. wieder wegführte, so daß fortan nur Handelsverkehr zwischen dessen Bewohnern und den Römern bestand. Erst unter dem Kaiser Claudius wurde ein Teil des Küstenlandes bis zur Themse erobert (42/43 n. Chr.), doch mußten die Römer wiederholt Aufstände (s. Caratacus) unterdrücken, besonders den der Briganten von Camulodunum unter Führung der Ikener-Königin Boudicca (61). Die Unterwerfung Britanniens wurde vollendet durch Qu. Petillius Cerialis (71–75) und namentlich durch Cn. Julius Agricola (78–85), der selbst einen Teil von Kaledonien bis zu den Meerbusen des Clyde (Clota) und des Forth (Boderia) vorübergehend unterwarf. Kaiser Hadrian gab diese letzte Eroberung dauernd auf und ließ 122 durch einen 120 km langen Wall mit 17 Kastellen vom Solway bis zum Tyne (Hadrianswall oder the Roman wall, fälschlich Piktenwall genannt) die Nordgrenze sichern. Antoninus Pius besetzte 142 die von Hadrian aufgegebene Landschaft wieder und erbaute nördlich vom Hadrianswall einen halb so langen Wall mit 10 Kastellen zwischen dem Clyde und Firth of Forth (Piuswall). Septimius Severus, der 211 in Eburacum starb, und Caracalla gaben die nördliche Grenze abermals auf und stellten nur den Hadrianswall wieder her. Der Menapier Carausius, ein römischer Flottenbefehlshaber, nahm, durch sächsische und fränkische Seeräuber unterstützt, 286 den Kaisertitel in B. an und herrschte, 289 vom Kaiser Maximian notgedrungen anerkannt, kraftvoll, bis er 293 von seinem Genossen Allectus gestürzt ward, der selbst wieder dem Constantius Chlorus (296) unterlag. Nach des letztern Tode zu Eburacum (306) ward dessen Sohn Konstantin (d. Gr.) in B. zuerst zum Kaiser ausgerufen. Bald nach seinem Tode (337) begannen die Einfälle der Pikten und Skoten von Norden her, die selbst nach dem großen Siege fortdauerten, den Theodosius, der Vater des Kaisers Theodosius d. Gr., 369 erfocht. Da nun auch Gegenkaiser in B. auftraten, die, wie Maximus (hingerichtet 388) und Konstantin (ermordet 411), ihre Herrschaft selbst über Gallien ausdehnten, so gab Kaiser Honorius 407 die römische Herrschaft über B. ganz auf. Als der römische Feldherr Aëtius 446 den Briten seinen Beistand verweigerte, rief Vortiger, ein britischer Fürst in Kent, die Sachsen zu Hilfe, die sich seit 450 in B. festsetzten (s. Angelsachsen). – Als römische Provinz wurde B. 197 n. Chr. eingeteilt in Britannia inferior (das südliche B.) und Britannia superior (das nördliche); Diokletian bildete die Provinzen Britannia prima und B. secunda (Süden), Flavia Caesariensis und Maxima Caesariensis (Norden); durch den oben genannten Theodosius d. ä. wurde das von den Barbaren zurückeroberte nördlichste Gebiet als Valentiniana zu einer fünften Provinz gemacht. Mittelpunkte des Verkehrs waren unter der römischen Herrschaft Londinium (London) und Eburacum (York). Vgl. Camden, Britannia (1586 u. ö.); Horsley, Britannia romana (1732); Rhys, Celtic Britain (2. Ausg., 1884); Anderson, Scotland in pagan times (Edinb. 1883–86, 2 Bde.); Hübner, Römische Herrschaft in Westeuropa (Berl. 1890); Elton, Origin of English history (das. 1882); Scarth, Roman Britain (das. 1883).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 431.
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