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Annālen

[545] Annālen (Jahrbücher, Annales libri), Bücher, worin die merkwürdigsten Begebenheiten in streng chronologischer Folge, nach Jahren abgeteilt, verzeichnet werden. Vielfach hat die Geschichtschreibung mit A. angefangen; die alten Ägypter, Babylonier Assyrer, Perser und Chinesen hatten ihre A. In Griechenland wie in Rom standen diese A., die in Griechenland ὧροι (horoi) hießen, im Zusammenhang mit den offiziell geführten Beamtenlisten. In Rom mag die Anlage wirklicher Jahrbücher, die von dem pontifex maximus abgefaßt wurden, im 4. Jahrh. v. Chr. begonnen haben. Eine Redaktion dieser offiziellen Stadtannalen in 80 Büchern veranstaltete der Oberpontifex P. Mucius Scävola (um 130 v. Chr.); seitdem kamen die Pontifikal-Aufzeichnungen gegenüber den Werken der privaten Annalisten nicht mehr in Betracht. An der Spitze der letztern steht Fabius Pictor zur Zeit des zweiten Punischen Krieges; ihre letzten Vertreter reichen bis zur Mitte des 1. Jahrh. v. Chr. Im einzelnen ist die Geschichte der römischen Annalistik neuerdings oft behandelt worden.

Im Mittelalter beginnt die eigentliche Annalistik in England mit kurzen geschichtlichen Bemerkungen, die man am Rande der Ostertafeln verzeichnete. Auf dem Festlande wurden A. in klösterlichen und bischöflichen Kirchen, später wahrscheinlich auch am königlichen Hofe geführt. Die ältesten aus dem Gebiete des fränkischen Reiches erhaltenen A. stammen aus dem 8. Jahrh. Zuerst roh und dürftig, erweitern sie sich[545] bald zu ausführlichen Geschichtsdarstellungen. Von den A. unterscheidet man die Chroniken (s. Chronik), in denen nicht das Kalenderjahr die Grundlage der chronologischen Anordnung bildet. Ein Verzeichnis der mittelalterlichen A. findet man bei Potthast, Bibliotheca historica medii aevi (2. Aufl., Berl. 1896; Bd. 1, S. 48–100). Ausführlicher unterrichten über die deutsche Annalistik »Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter« von Wattenbach (6. Aufl., Berl. 1893–94, 2 Bde.) und Lorenz (3. Aufl., das. 1886–1887, 2 Bde.). – Neuerdings ist der Name A. vielfach auf wissenschaftliche Zeitschriften, und nicht bloß auf solche historischer Tendenz, übertragen worden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 545-546.
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