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Agénde

[165] Agénde (Kirchenagende, v. lat. agenda, »was getan werden soll«), in der alten Kirche Bezeichnung für sämtliche gottesdienstliche Handlungen, im Mittelalter insbes. für die Messe und das Offizium, diente als Name eines die kirchlichen Gebete, Ansprachen und Segnungen zusammenfassenden Buches, vor der Reformation äußerst selten (ein solches hieß im Mittelalter sacerdotale, manuale, rituale), häufiger in den Reformationskirchen, die jedoch ihre Vorschriften für den Gottesdienst meist unter dem Namen der Kirchenordnungen gegeben haben. Unter den lutherischen Agenden und Kirchenordnungen des 16. Jahrh. schließen sich einige eng an die katholischen Gebräuche an, wie die Brandenburger Kirchenordnung von 1540, die österreichische A. von 1571; andre, wie die herzoglich preußische Kirchenordnung von 1525, die braunschweigische von 1528 etc., stellen sich ganz auf den von Luther in der »Formula missae« (1523) eingenommenen Standpunkt, während die württembergischen Kirchenordnungen von 1536 und 1555 sowie die Pfälzer von 1554 etc. den katholischen Ordo missalis gänzlich verlassen und durch radikalere Umgestaltung des Gottesdienstes ein reformiertes Gepräge erhalten. In der reformierten Kirche unterscheiden sich die Kirchenordnungen des 16. Jahrh., je nachdem sie einen mehr Zwinglischen Typus (so die Züricher und die Baseler, beide von 1529) oder einen mehr Calvinischen (wie die verschiedenen Genfer von 1536 und 1541 etc.) tragen; in den deutsch-reformierten Kirchenordnungen zeigt sich, wie in der Kirchenordnung des Pfalzgrafen Friedrich von 1563 und den hessischen von 1566 und 1573, eine lutheranisierende, resp. unierende Tendenz. Ebenfalls aus einer Vermittelung zwischen der reformierten und lutherischen Gottesdienstordnung ist das vielfach auf altkirchliche Gebräuche zurückgreifende »Common Prayer Book«, die anglikanische A., hervorgegangen (vgl. Anglikanische Kirche). Gegen den Schluß des 18. Jahrh. tauchen in den protestantischen Kirchen Agenden auf, die einen von denen der Reformationszeit abweichenden, dem Geiste der Aufklärung und des Rationalismus sich anpassenden Charakter tragen. Die Rückkehr zu den Gottesdienstordnungen des 16. Jahrh. beginnt mit der preußischen A. seit 1816 (vgl. Agendenstreit), und nach dem Vorbilde Preußens erfolgte auch in den andern evangelischen Landeskirchen Deutschlands eine Rückbildung zu den alten agendarischen Formeln, soz. B. in Württemberg durch das Kirchenbuch von 1843, in Bayern durch den Entwurf einer A. von 1857, in Sachsen durch den Entwurf einer A. für die evangelisch-lutherische Landeskirche von 1878 etc. Vgl. Richter, Evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts (Weim. 1846, 2 Bde.); Jacoby, Die Liturgik der Reformatoren (Gotha 1871–76, 2 Bde.); G. Rietschel, Lehrbuch der Liturgik, Bd. 1 (Berl. 1900). – Allgemein bedeutet A. auch soviel wie Notizkalender.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 165.
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