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Mysterĭen [1]

[346] Mysterĭen (griech., »Geheimnisse«), bei den Alten Geheimkulte verschiedener Art, die auf dem Glauben beruhten, daß es neben der allgemeinen Gottesverehrung noch eine andre, nur in bestimmten Kreisen auszuübende gebe. M. bildeten fast in allen griechischen Staaten einen wesentlichen Teil des Staatskultes und unterstanden der Aussicht von Amts wegen bestellter Priester. Manche wurden nur von Priestern und sonstigen Kultbeamten begangen, andre zwar nicht öffentlich, doch unter Teilnahme einer zahlreichen Gemeinde, die entweder nur aus einer bestimmten Klasse von Staatsangehörigen bestand, wie bei den Thesmophorien (s. d.) in Athen aus verheirateten Bürgerinnen, oder aus Leuten jeder Art, jeden Geschlechts und Alters mit gewissen Beschränkungen (Ausschluß von Sklaven und Barbaren), die nach Erfüllung bestimmter Bedingungen, namentlich Reinigungen, die oft nach Graden abgestuften Weihen erhalten hatten (s. Mysten und Epopten). Mitteilung der heiligen Handlungen und Gebete, zum Teil selbst der Namen, unter denen bei den staatlichen M. die Götter angerufen wurden, an nicht Geweihte wurde von Staats wegen als Gottlosigkeit bestraft, daher wir wohl von mancherlei Äußerlichkeiten der M. Kunde haben, aber nicht von dem eigentlichen Inhalt. Unter den altheimischen M. galten als die heiligsten die eleusinischen (s. Eleusis) der chthonischen Gottheiten Demeter und Kore, nächst ihnen die samothrakischen der Kabiren (s. d.), in späterer Zeit die der Isis (s. d.). Ursprünglich hatten die eleusinischen M. jedenfalls nur die Bedeutung eines Gottesdienstes, dessen eigenartige Formen sich nach der Legende der gefeierten Götter ausgebildet hatten; aber schon früh und je länger je mehr legte man ihnen eine höhere Bedeutung bei, namentlich den Eingeweihten eine Bestärkung der Hoffnung auf ein Jenseits, eine Verheißung eines bevorzugten Loses nach dem Tod und dadurch Trost in den Leiden des Lebens zu gewähren, eine Auffassung, die sich auch den samothrakischen und Isismysterien mitgeteilt zu haben scheint. Neben den staatlichen M. gingen mancherlei private einher, wie der allmählich weitverbreiteten religiösen Genossenschaft der Orphiker (s. Orpheus), die durch ihre Weihen und Reinigungsgebräuche eine Entsühnung und Läuterung für dieses und das jenseitige Leben verhießen. Ihr Einfluß vornehmlich hat die Einführung und Verbreitung fremder M., wie der wilden und fanatischen des Dionysos-Bacchus, Sabazios und der Kybele, veranlaßt. Der römische Kult weist nur vereinzelte Geheimgottesdienste auf (s. z. B. Bona Dea). Früh schon drangen in Italien und dann auch in Rom die M. des Bacchus ein, wurden aber wegen ihrer Ausschweifungen 186 v. Chr. mit blutiger Strenge unterdrückt. Nach der Einverleibung Griechenlands in das römische Reich suchten auch Römer Aufnahme in die griechischen M., besonders die eleusinischen. In der Kaiserzeit waren weit verbreitet im römischen Reiche die M. des Mithra (s. d.). Erhalten hat sich das Mysterienwesen bis in die letzten Zeiten des Heidentums. Vgl. E. Rohde, Psyche (3. Aufl., Tübing. 1903, 2 Bde.); Rubensohn, Die Mysterienheiligtümer in Eleusis und Samothrake (Berl. 1892); Aurich, Das antike Mysterienwesen in seinem Einfluß auf das Christentum (Götting. 1894); Wobbermin, Religionsgeschichtliche Studien zur Frage der Beeinflussung des Urchristentums durch das antike Mysterienwesen (Berl. 1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 346.
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