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Elektrizität

[400] Elektrizität, die Ursache elektrischer Erscheinungen, hervorgerufen durch einen Spannungszustand, der durch mechanische Reibung (Reibungselektrizität), durch chemische Vorgänge (Berührungselektrizität), durch Temperaturunterschiede (Thermoelektrizität) oder durch Aenderung eines magnetischen Feldes (Induktionselektrizität) erzeugt werden kann.

Im folgenden sind die Erscheinungen der sogenannten Reibungselektrizität, auch statische (ruhende) Elektrizität genannt, behandelt. Bezüglich der übrigen Gebiete vgl. die Art. Galvanismus, Induktion und Thermoelektrizität.

Reibt man einen Glasstab mit einem mit Amalgam (Mischung aus Zinn und Quecksilber) bestrichenen Lederlappen oder eine Siegellack- oder Hartgummistange mit einem Tuchlappen, so erlangen die geriebenen Körper die Fähigkeit, leichte Körperchen wie Papierschnitzel, Holundermarkkügelchen u. dergl. anzuziehen. Diesen Zustand bezeichnete man als elektrisch (nach dem griechischen Namen des Bernsteinharzes – Elektron –, an welchem man zuerst diese Eigenschaft beobachtete), und die Ursache, die diesen Zustand hervorrief, als Elektrizität. Körper, die man durch Reiben in diesen Zustand bringen konnte, nannte man idioelektrisch, dagegen anelektrisch diejenigen, die dies nicht zuließen (vgl. weiter unten Nichtleiter und Leiter). Die mit einem elektrisierten Stabe berührten Körperchen werden aber nicht, wie bei der magnetischen Anziehung, dauernd festgehalten, sondern nach kurzer Berührung wieder abgestoßen. Bei der Berührung sind sie selbst elektrisch geworden, ein Teil der Elektrizität des Stabes ist auf sie übergegangen. Berührt man z.B. ein an einem Seidenfaden, also isoliert hängendes Markkügelchen mit einer geriebenen Glasstange, so wird es abgestoßen; nähert man jetzt diesem Markkörperchen einen geriebenen Hartgummistab, so zieht er es an. Die beiden elektrischen Körper; der Glasstab und der Hartgummistab, befinden sich also in verschiedenen elektrischen Zuständen, da sie auf das Markkügelchen entgegengesetzte Wirkungen ausüben. Dasselbe Kügelchen, das von dem Glasstabe abgestoßen wird, wird von dem gleich darauf genäherten Hartgummistabe angezogen und umgekehrt. Ueberträgt man ferner auf die eine von zwei auf Glasfüßen befindlichen (also isolierten) Messingplatten eine Elektrizitätsmenge durch Berührung mit einem elektrisierten Glasstabe und auf die andre eine gleichgroße Menge durch Berührung mit einem elektrisierten Hartgummistabe, so erweisen sich beide Platten, nachdem man sie zur Berührung gebracht und dann wieder getrennt hat, als vollkommen unelektrisch. Die beiden Elektrizitätsmengen haben sich also gegenseitig aufgehoben oder neutralisiert. Man nahm deshalb zwei verschiedene elektrische Zustände und somit auch zwei verschiedene Elektrizitäten an, die man Glas- und Harzelektrizität oder auch positive und negative Elektrizität nannte. Aus den Beobachtungen des Verhaltens dieser Elektrizitäten in bezug auf die Anziehung und Abstoßung leichter Körper folgerte man das Gesetz: Gleichnamige Elektrizitäten stoßen sich gegenseitig ab, ungleichnamige ziehen sich an. – Bei dem Reiben zweier Körper aufeinander werden stets beide elektrisch, und zwar der eine positiv, der andre negativ. Ferner kann auch ein und derselbe Körper sowohl positiv als auch negativ elektrisch werden. Glas z.B., das, mit amalgamiertem Leder gerieben, positiv elektrisch wird, kann durch Reiben mit Pelzwerk negativ werden. Beide Tatsachen führten zu der von Symmer (1759) aufgestellten Theorie, daß die elektrischen Erscheinungen durch zwei imponderable Fluida hervorgebracht würden, die bei den betreffenden Körpern in gleicher Menge vorhanden seien und sich gegenseitig neutralisierten, während sie beim gegenseitigen Reiben zweier verschiedenartiger Körper getrennt würden, so daß der eine einen Ueberschuß des einen, der andre einen Ueberschuß des andern Fluidums erhielte. Diese (Zweifluida-) Theorie ist zwar längst aufgegeben worden, und man würde richtiger sagen müssen: Bei der Reibung zweier Körper tritt eine elektromotorische Kraft auf, die an dem einen Körper ein höheres, an dem andern ein niedrigeres Potential schafft, hat aber dennoch die ältere bequemere Ausdrucksweise bis heute beibehalten. Die Theorie von Symmer wird auch als dualistisch bezeichnet, der Franklin und Aepinus eine unitarische entgegenzusetzen versuchten [1]. Das eigentliche Wesen der Elektrizität ist noch unbekannt, doch scheinen einzelne Tatsachen darauf hinzuführen, daß sie zu dem Medium der Lichterscheinungen, dem sogenannten Lichtäther, in naher Beziehung steht (vgl. Elektrooptik). Zu dieser Ansicht haben namentlich die Herzschen Versuche [6] geführt, welchem Forscher es gelang (1888), die Uebereinstimmung in der Fortpflanzung, Reflexion und Interferenz zwischen den elektrischen und den Lichtwellen nachzuweisen. Auf die Herzschen Entdeckungen gründete Marconi (1896) seine Telegraphie ohne Leitungsdraht (s.d.). – Die neueren Theorien der Elektrizität sind besonders von Faraday und von Maxwell entwickelt und basieren auf der Annahme einer Zustandsänderung des Dielektrikums (s.d.). Hiernach füllen die kleinsten Teilchen eines Dielektrikums (wozu auch der luftleere Raum gehört) bei einer elektrischen Einwirkung (im elektrischen Felde) eine sogenannte dielektrische Verschiebung erleiden und sich polarisieren, d.h. an ihren gegenüberliegenden Enden (Polen) entgegengesetzte Eigenschaften erhalten (ähnlich wie dies bei einem Stabmagneten der Fall ist), so daß eine Verschiebung von + Elektrizität in der einen, von – Elektrizität in der andern Richtung stattfindet. Die Teilchen ordnen sich dabei zu Kraftlinien (s. weiter unten) an, die an ihren freien Enden + bezw. – Elektrizität aufweisen. Das Dielektrikum setzt dem Entstehen der Polarisation (der dielektrischen Verschiebung) einen bestimmten Widerstand entgegen, den Faraday der betreffenden Dielektrizitätskonstante (s.d.) als direkt proportional annimmt. In Leitern dagegen ist die elektrische Wirkung durch keinen erheblichen Widerstand gehemmt. Ausführlicheres über diese Theorien und die neuere Elektronentheorie in [4], [5].

Das Raumgebiet, in dem ein elektrisch geladener Körper eine Zustandsänderung hervorruft, bezeichnet man als elektrisches Feld. Ein in dieses Kraftfeld gebrachter Körper[400] sucht sich in der Richtung desselben zu bewegen, und zwar je nach seinem eignen elektrischen Zustand in abstoßendem oder anziehendem Sinne; die durch seinen Querschnitt in der Feldrichtung gezogenen, also die Richtung der Kraft angebenden Linien heißen Kraftlinien. Die elektrische Feldstärke oder Feldintensität (E) für einen bestimmten Punkt ist die Kraft (in Dynen), die auf die Elektrizitätsmenge 1 in diesem Punkte wirkt. Die Zahl der durch ein im elektrischen Felde befindliches Flächenelement q hindurchgehenden Kraftlinien ist N = E · q.

Die Größe der abstoßenden oder anziehenden Kräfte hängt von den erzeugten Elektrizitätsmengen ab und von der Entfernung, in welcher letztere aufeinander wirken. – Unter der Einheit der Elektrizitätsmenge verlieht man diejenige Menge, die auf eine gleichgroße in der Entfernung von 1 cm die Kraft einer Dynen (s. Maßsystem, absolutes) ausübt. Diese Einheit, elektrostatische Einheit (E.S.E.) genannt, ist sehr klein; die praktische Einheit, 1 Coulomb, d.i. die Elektrizitätsmenge, die bei 1 Ampère Stromstärke in 1 Sekunde durch jeden Querschnitt fließt, ist 3000000000 mal so groß. Zum Messen der Elektrizitätsmenge dient die Coulombsche Torsionswage [2]. Coulomb fand ein ähnliches Gesetz, wie es auch für die magnetischen Kräfte gilt, daß nämlich die erzeugte Kraft proportional ist dem Produkt der beiden aufeinander wirkenden Elektrizitätsmengen und umgekehrt proportional dem Quadrate ihrer Entfernung. Es ist also P = ± e e1/r2 Dynen, wo das + -Zeichen für die Abstoßung gleichnamiger das – -Zeichen für die Anziehung ungleichnamiger Elektrizitätsmengen gilt. Für e = e1 = 1 und r = 1 wird auch P = 1, und es ergibt sich: die Einheit der Elektrizitätsmenge ist diejenige, die eine ihr gleiche in der Entfernung eines Zentimeters mit der Kraft einer Dyne abstößt.

Bringt man aus beliebiger Entfernung einen elektrisch geladenen Körper in das Kraftfeld eines andern gleichartig elektrischen Körpers (Elektrizitätsmenge e), so ist hierzu eine Arbeitsleistung erforderlich, um die gegenseitige Abstoßung zu überwinden. Ist jener Körper mit der Einheit der Elektrizitätsmenge geladen und war die Entfernung r, so ergibt die Berechnung der Arbeit den Wert e : r. Diesen Arbeitswert bezeichnet man als Potential und verlieht darunter die potentielle Energie (Arbeitsfähigkeit), welche die Elektrizitätsmenge 1 in dem betreffenden Feldpunkte besitzt. Das Potential hat für alle Raumpunkte, die von e gleichweit entfernt sind, denselben Wert; eine durch diese Punkte gleichen Potentials gelegte Fläche heißt Aequipotential- oder Niveaufläche. Die Niveauflächen des zu einem elektrisch geladenen Punkt gehörenden Kraftfeldes sind konzentrische Kugelflächen mit dem Punkt als Mittelpunkt. – Die Kraftlinien (s. oben) treten überall rechtwinklig durch die Niveauflächen hindurch. Bei einer punktförmigen Elektrizitätsquelle sind sie Kugelradien; in einem homogenen Felde (in dem die Feldintensität gleiche Größe und Richtung hat) sind sie parallele Gerade.

Wird eine elektrische Menge aus einer Niveaufläche auf eine andre gebracht (also längs einer Kraftlinie verschoben), so ist hierzu eine Arbeit gleich der Differenz der Potentiale (V1V2) beider Niveauflächen erforderlich. Ist a die Länge des Verschiebungsweges, so ergibt sich zwischen der elektrischen Feldstärke f und der Potentialdifferenz die Beziehung f = (V2V1)/a. Infolge des zwischen den Niveauflächen bestehenden Potentialgefälles hat ein elektrisches Massenteilchen stets das Bestreben, von Punkten höheren zu Punkten niederen Gefälles überzugehen. In der Richtung der Kraftlinien ist das Potentialgefälle naturgemäß am größten; eine Verschiebung in der Niveaufläche selbst erfordert keine Arbeit, weil das Potential hier überall dasselbe ist und keine Aenderung desselben eintritt. Da der absolute Wert eines Potentials nicht meßbar ist, weil die Meßinstrumente nur die Bestimmung von Potentialdifferenzen ermöglichen, gibt man seinen Unterschied gegen Erde an und setzt zu diesem Zweck das Erdpotential gleich Null, was insofern zulässig, als die Erde ein sehr großer und guter Leiter ist.

Inbezug auf die Uebertragung der Elektrizität von einem elektrischen Körper auf einen unelektrischen ist folgendes zu beachten. Bringt man einen elektrisierten Körper, z.B. einen Glasstab, mit einem andern Körper, der sich im unelektrischen Zustande befindet, in Berührung, so geht der elektrische Zustand mehr oder weniger auf den letzteren über. Hierbei zeigen jedoch die einzelnen Körper ein ganz verschiedenes Verhalten, indem einige nur an der Berührungsstelle selbst, andre auf ihrer ganzen Oberfläche elektrisch werden. Nach diesem Verhalten kann man sämtliche Körper in zwei Gruppen einteilen, nämlich in solche, welche die Elektrizität sofort und leicht weiterführen, und in solche, die diese Weiterführung gar nicht oder nur in geringem Maße gestatten. – Zur ersten Gruppe gehören alle anelektrischen Körper, besonders die Metalle, und man nennt sie Leiter (Konduktoren); zur zweiten Gruppe alle idioelektrischen Körper, die man Nichtleiter der Elektrizität oder Isolatoren nennt (s.a. Dielektrikum). – Mit dem Namen »Halbleiter« bezeichnet man eine Gruppe von Körpern, die ihren Eigenschaften nach zwischen jenen beiden stehen. Es sind: Leiter: Metalle, Graphit, Kohle, Säuren, Salzlösungen, Wasser. Halbleiter: Aether, Alkohol, Holz, Papier. Nichtleiter: Harze, Schwefel, Paraffin, Wachs, Glimmer, Glas, Porzellan, Seide, Kautschuk, Oel.

Im Gegensatz zum Isolator kann in einem Leiter kein Gleichgewicht bezüglich des elektrischen Feldes bestehen. Jede Potentialdifferenz verursacht sofort ein Abströmen der Elektrizitätsmenge, bis durch Verschwinden der Differenz überall das gleiche Potential hergestellt ist. Die Leitoberfläche ist als Niveaufläche anzusehen; die Kraftlinien stehen daher senkrecht zur Oberfläche.

Eine Folge der Abstoßung gleichartiger Elektrizitätsmengen ist auch die, daß auf einem elektrischen Körper die Elektrizität sich im allgemeinen nicht gleichmäßig verteilt, sondern sich namentlich an den Enden anhäuft. Wir haben also nicht überall die gleiche Dichte (elektrische[401] Flächendichte), d.h. die gleiche Menge pro Flächeneinheit, sondern dieselbe ist am größten an besonders hervorragenden Stellen, wie Ecken und Spitzen. Hier wird daher die Elektrizität auch am leichtesten ausströmen, anderseits aber auch am leichtesten von außen her einziehen. – Der Sitz einer im Gleichgewichtszustande befindlichen elektrischen Ladung befindet sich, wie Coulomb durch eine Anzahl Versuche nachgewiesen hat, nur an der Oberfläche eines Körpers, und es dringt dieselbe nicht in das Innere ein, was auf experimentellem Wege leicht nachweisbar ist [1].

Mit den bisher erwähnten Mitteln, dem geriebenen Glas oder Hartgummistabe, lassen sich nur geringe Mengen von Reibungselektrizität hervorbringen. Zur Erzeugung größerer bedient man sich der Elektrisiermaschine (s.d.), des Elektrophors und der Influenzmaschine. Die Anordnung des Elektrophors beruht auf den Erscheinungen der elektrostatischen Influenz, die sich am einfachsten nach der alten Ausdrucksweise darstellen lassen. Nähert man einen elektrischen Körper einem Leiter, so wird das zugewendete Ende des letzteren in bezug auf den Körper ungleichnamig elektrisch, das entgegengesetzte Ende gleichnamig. Diese Einwirkung bezeichnet man als elektrische Verteilung oder Influenz. Die beiden in dem unelektrischen Körper neutralisierten Elektrizitäten werden bei der Annäherung des elektrischen Körpers getrennt, indem die gleichnamige abgestoßen, die entgegengesetzte angezogen wird. Berührt man nun den Leiter, so fließt die erstere Elektrizität ab, während die letztere festgehalten wird. Läßt man jetzt die Berührung aufhören und entfernt dann den elektrischen Körper, so wird die festgehaltene Elektrizität sich über seine Oberfläche verteilen. Sie ist jetzt im Ueberschuß vorhanden, der vorher unelektrische Körper ist elektrisch geworden.

Auf diesem Verfahren, einen Körper elektrisch zu machen oder Elektrizität zu erzeugen, beruht, wie schon erwähnt, die Konstruktion des Elektrophors. – Legen wir auf eine derartige metallische Unterlage a (Fig. 1) eine isolierende Schicht, z.B. eine Hartgummischeibe oder eine Harzmasse, b, laden diese z.B. mit negativer Elektrizität durch Schlagen mit einem Fuchsschwanze und setzen darauf einen metallischen Deckel c, so werden in diesem die Elektrizitäten getrennt. Berühren wir nun den Deckel, so fließt die negative Elektrizität ab. Heben wir alsdann vermittelst einer isolierenden Handhabe d den Deckel ab, so enthält er freie positive Elektrizität. Wird diese in Form von Funken entladen, z.B. in einem Sammelapparat (s. unten) aufgespeichert, so kann der Vorgang wiederholt werden. Die Ladung der Harzscheibe bleibt ziemlich lange erhalten, und man kann so immer neue Elektrizitätsmengen erzeugen; dabei ist aber jedesmal mechanische Arbeit zu leisten, da durch das Heben des Deckels die anziehende Kraft der beiden Elektrizitätsmengen überwunden werden muß. Dasselbe Prinzip verwendeten Töpler [7] und Holzt [1] zur Konstruktion von Elektrisiermaschinen, welche die absatzweise Elektrizitätserzeugung des Elektrophors in eine kontinuierliche verwandelten.

Eine weitere Anwendung der Influenzwirkung findet sich bei den elektrischen Sammelapparaten, dem Kondensator (s.d.) und der Leidener Flasche (Fig. 2). Sie besteht aus einem Glasgefäße a, das innen und außen, mit Ausnahme eines Streifens am oberen Rande, mit Staniolbelägen b und b1 beklebt ist. Führt man der inneren Belegung fortwährend Elektrizität zu, während die äußere zur Erde abgeleitet ist, so wird durch die gegenseitige Influenzwirkung der beiden Beläge eine erhebliche Elektrizitätsmenge gebunden und aufgesammelt. Verbindet man durch einen Draht den inneren und den äußeren Belag, so findet sofort die Entladung der Flasche statt. – Um zu erkennen, ob ein Körper elektrisch ist oder nicht und welcher Art die Elektrizität desselben ist,- bedient man sich des Elektroskops (Fig. 3); dasselbe besteht aus zwei in einem Glasgefäße a an einem metallischen Stabe aufgehängten Markkügelchen oder Goldblättchen b, und seine Wirkung beruht auf den vorher erwähnten Beziehungen der elektrischen Anziehung und Abstoßung. Nähert man dem Knopfe des Apparates einen elektrischen Körper, so divergieren die Blättchen, auch wenn keine Berührung erfolgt; nach der Entfernung desselben fallen sie wieder zusammen. Berührt man jedoch den Knopf oder die Platte z.B. mit einem geriebenen Glasstabe, teilt also dem Elektroskop positive Elektrizität mit, so bleiben die Blättchen divergent. Ist nun der zu untersuchende elektrische Körper ebenfalls positiv, so divergieren sie bei seiner Annäherung stärker, ist er negativ, so fallen sie zusammen. Durch das allmähliche Abströmen der Elektrizität in die Luft, die besonders im feuchten Zustande ein Leiter ist, fallen nach einiger Zeit die Blättchen von selbst zusammen. Das Zusammenfallen wird übrigens auch durch Einwirkung von radioaktiven Körpern oder von Röntgenstrahlen sofort bewirkt, da diese Einwirkungen auch trockene Luft in einen guten Leiter verwandeln.

Wenn ein Apparat nicht allein den elektrischen Zustand anzeigt, wie der vorstehende, sondern auch eine Messung der auftretenden Kräfte ermöglicht, so nennt man ihn Elektrometer. Das Goldblattelektroskop kann zu einem Elektrometer umgestaltet werden, wenn man hinter den Blättchen eine Skala anbringt, an der die Größe der Divergenz abgelesen werden kann. – Weiteres über Elektrometer s. Meßinstrumente, elektrische; über elektrostatische Kapazität s. Kondensator, elektrischer.


Literatur: [1] Müller-Pfaundler, Lehrbuch der Physik, Braunschweig 1890. – [2] Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik, Leipzig 1895. – [3] Fröhlich, Die Lehre von der Elektrizität und dem Magnetismus, Berlin 1878. – [4] Maxwell, Lehrbuch der Elektrizität und des Magnetismus, Berlin 1883. – [5] Heinke, Handbuch der Elektrotechnik, Bd. 1, Abt. 1–3, Leipzig 1902–04. – [6] Wiedemanns Annalen, Jahrg. 1888 u. 1889. – [7] Poggendorffs Annalen, Jahrg. 1865.

Holzt.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.

[402] Atmosphärische Elektrizität. Die Luft erscheint immer mit freier Elektrizität geladen. Ein in einiger Höhe über dem Boden isoliert aufgehellter Konduktor zeigt, wenn er mit der Erde leitend verbunden und die Verbindung hierauf aufgehoben wird, eine Ladung, ein Potentialgefäll gegen die umgebende Luft, das mit dem Elektroskop geprüft und gemessen werden kann. Bei heiterem Wetter erweist sich die Luft mit der Höhe zunehmend positiv elektrisch, bei Nebel in verstärktem Maße. Bei zunehmendem Dunstdruck, aber unabhängig von der relativen Feuchtigkeit, nimmt das Potentialgefäll ab. Dementsprechend findet eine tägliche und jährliche Veränderlichkeit statt. Die Niederschläge, Wolken, Regen, Schnee, sind bald positiv, bald negativ elektrisch. Die starke Ladung dieser Niederschläge erzeugt Entladungserscheinungen, seien es plötzliche Entladungen mit Blitz und Donner zwischen Wolke und Wolke, oder zwischen Wolke und Erde, oder seien es Entladungen mit Büschellicht, wie die Flächenblitze mit schwachem Donner oder wie das St. Elmsfeuer, durch das sich die Elektrizität der Erde, aus Spitzen ausströmend, gegen die Atmosphäre entladet. Ueber den Ursprung der atmosphärischen Elektrizität und die Ursache ihrer Veränderungen gibt es eine Reihe von Theorien, unter welchen die sogenannte Elektronentheorie neuerdings die hervorragendste Stelle einnimmt. Elektronen sind Elementarquanta, gleichsam Atome, der Elektrizität, solche negativer und solche positiver, deren Bewegungsgeschwindigkeiten in den Kathodenstrahlen und Kanalstrahlen der Geißlerschen Röhren sie als eine Art Gase von sehr geringer Dichte erscheinen lassen, beispielsweise die negativen Elektronen als tausendmal kleiner als die Wasserstoffmolekeln. Die Verbindung von Elektronen mit den Atomen der chemischen Elemente heißen Ionen. Ionisierte Luft ist Luft, die Elektronen enthält und durch diesen Gehalt elektrisch leitend wird. Der Elektronengehalt der Luft ist je nach meteorologischen Vorgängen sowohl der Menge als dem Vorzeichen nach verschieden, er nimmt mit der Höhe der Atmosphäre zu. In der Nähe der negativen Erdoberfläche überwiegen meist die positiven Ionen. In betreff der Beobachtungen und der neuesten Theorien verweisen wir auf die Arbeiten von Exner [1] und von Elster und Geitel [2] sowie auf die Behandlung der Frage durch Ebert [3].


Literatur: [1] Exner, Franz, Untersuchungen auf dem Gebiete der atmosphärischen Elektrizität, Meteorol. Zeitschr. 1900, S. 529–543, mit eingehender Literaturübersicht. – [2] Elster u. Geitel, Ueber die Existenz elektrischer Ionen in der Atmosphäre, Terrestr. Magn. and Electr. 1899, S. 213–234. – [3] Ebert, H., Die atmosphärische Elektrizität auf Grund der Ionentheorie, Meteorol. Zeitschr. 1903, S. 107–114.

Aug. Schmidt.

Elektrizität im Beleuchtungswesen, s. Beleuchtung, elektrische.

Elektrizität im Bergbau. Die Anwendung der Elektrizität war im Bergbau bis vor etwa zwanzig Jahren, entsprechend dem damaligen Stande der Elektrotechnik, eine wenig bedeutende. Elektrische Schachtsignale (s. Schachtförderung) wurden in mehreren Ausführungen benutzt, die elektrische Zündung [1], S. 161, bei der Schießarbeit (s. Bohr- und Sprengarbeit) war vielfach üblich. Der schon älteren Bestrebungen, mittels der verschiedenen Verteilung der Elektrizität im Erdinnern Anhalte zur Beurteilung über das Vorhandensein von Erzmitteln zu erlangen, der elektrischen Schürfung [2] (s. Schürfen) sei hier nur kurz gedacht. Das Telephon und die elektrische Beleuchtung über und auch unter Tage, namentlich das Glühlicht, haben beim Bergbaubetriebe vielfach Eingang gefunden; dagegen blieb die Benutzung tragbarer Akkumulatorenlampen (s.a. Geleucht und Feuerschutz) wegen der hohen Anschaffungskosten und geringen Haltbarkeit der Akkumulatoren auf die Fälle beschränkt, wo es sich um das Eindringen in mit irrespiralen Gasen erfüllte Räume nach Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosionen und um Bekämpfung von Grubenbrand handelte. – Am bedeutungsvollen ist gegenwärtig für den Bergbaubetrieb die elektrische Arbeitsübertragung [3] (s.a. Kraftübertragung im Bergbau). Vor den andern zur Uebertragung seither angewendeten Mitteln (Gestänge, Dampf, Preßluft, Preßwasser) bietet sie in vielen Fällen erhebliche Vorteile und überhaupt die einzige Möglichkeit, die durch eine mehrere Kilometer weit entfernte Kraftquelle erzeugte Arbeit nutzbar zu machen.

Die hauptsächlichsten Vorzüge der elektrischen Arbeitsübertragung für den Bergbaubetrieb und namentlich für die Verwendung unter Tage sind: hoher Wirkungsgrad, also billiger Betrieb, sehr leichter Einbau der biegsamen Leitung; einfachste Verteilung der Arbeit auf große Entfernungen, ferner Verwendbarkeit sowohl für den Betrieb der verschiedensten Arbeitsmaschinen als auch zur Beleuchtung. (Ueber die besonderen Anforderungen, die zur Verhütung von Gefahren im Bergbaubetriebe an elektrische Anlagen zu stellen sind, vgl. Baum, »Essener Glückauf« 1904, S. 104.) Für die Arbeitsentnahme von der Leitung ist von besonderer Wichtigkeit die Benutzung von Kabeltrommeln (Fig. 1) bei solchen Arbeitsmaschinen, die oft ihren Standpunkt wechseln wie Abteufpumpen, Bohr- und Schrämmaschinen. Die festverlegten Leitungen L (in diesem Falle für Gleichstrom) enden in einem Anschlußkasten A, der luftdicht verschlossen ist und auch die Bleisicherungen enthält; von hier aus führt das Verbindungskabel V, in dem beide Leitungen vereinigt sind, zur Kabeltrommel T, auf der 60 m biegsames Leitungskabel aufgewickelt sind; die leitende Verbindung wird durch eine Endscheibe der Trommel vermittelt, d ist eine Kappe zum Schutz des Anschlußstöpsels[403] des Verbindungskabels. Die Verlängerung und Verkürzung der Leitung ist durch diese Einrichtung erheblich erleichtert. Die ständige Abgabe von Arbeit an eine Lokomotive ist nur von der elektrischen Leitung aus möglich, jedoch in Schlagwettergruben wegen der Bildung von Kontaktfunken am Stromabnehmer nicht zulässig. Akkumulatorlokomotiven haben sich wegen der geringen Widerstandsfähigkeit der Akkumulatoren gegen die beständigen Erschütterungen bis jetzt nicht eingeführt. Bei Anwendung von Dampf und Preßluft läßt sich nur das für Grubenbetrieb minder geeignete System der Reservoirlokomotiven anwenden. Außerdem kommen in neuester Zeit Lokomotiven mit Explosionsmotoren in Anwendung.

Es wird heute sowohl Gleichstrom als auch Wechselstrom, und zwar mehrphasiger Wechsel- oder Drehstrom im Bergbau angewendet. Der erstere kommt namentlich bei geringeren Entfernungen und kleinerem Arbeitsbedarf in Frage; er ermöglicht die Anwendung von Akkumulatoren, wodurch eine erhöhte Betriebssicherheit erzielt werden kann. Für Lokomotivbetrieb ist Gleichstrom geeigneter, da er nur zwei Leitungen erfordert, während für Wechselstrom drei nötig sind und die Einrichtung der Weichen nicht so einfach wird; auch ist Rückleitung durch die Schienen bei Wechselstrom nicht zulässig. Drehstromdynamomaschinen sind für Uebertragung des Arbeitsbedarfes auf große Entfernungen vorzuziehen, da sie sich für wesentlich höhere Spannungen wickeln lassen als Gleichstrommaschinen; für gleiche Leistung ergibt sich dadurch eine geringere Stromstärke und kleinerer Querschnitt, also niedrigere Anlagekosten der Leitung. Auch sind Drehstromtransformatoren den Gleichstromtransformatoren dadurch überlegen, daß sie keine beweglichen Teile haben.

In Fig. 2 und 2a ist eine elektrisch betriebene Zentrifugalpumpe dargestellt; es bezeichnet E den Elektromotor, K die nachgiebige Kupplung, C die Zentrifugalpumpe; Sg ist das Saugrohr, D der Flansch für das Steigrohr. Elektromotor und Pumpe sitzen auf derselben Welle; die sämtlichen Teile sind auf einem gemeinsamen Grundrahmen aufgestellt Diese Pumpen werden für Wassermengen von 0,25–20 cbm in der Minute und für Druckhöhen bis 24 m gebaut. In neuester Zeit hat man zur Ueberwindung von 200–300 m Druckhöhe mehrere auf derselben Welle sitzende Laufräder hintereinander geschaltet und dadurch dem Wasserstrahle den notwendigen Druck erteilt [4]. Der Antrieb kleiner schnell laufender Ventilatoren erfolgt in derselben Weise; große Ventilatoren mit kleiner Umlaufszahl werden durch Riemenvorgelege mit der Elektromotorwelle verbunden. Für Ventilatorschächte, die nicht selten in bedeutender Entfernung von der Hauptschachtanlage, etwa nahe der Feldgrenze, benötigt werden, erspart man bei elektrischer Arbeitsübertragung die besondere Kesselanlage nebst den Einrichtungen für Kohlenzufuhr und Speisewasserversorgung.

Fig. 3 und 3a zeigt eine Drillingskolbenpumpe mit elektrischem Antrieb. Durch die Anordnung von drei Plungern P, P1 P2, deren Antriebskurbeln um 120° gegeneinander versetzt sind, ist nicht nur die für, einen ruhigen Gang der Pumpe erforderliche gleichmäßige Wassergeschwindigkeit im Sang- und Druckrohr erreicht, sondern auch ein nur wenig schwankender Arbeitsbedarf. Der Elektromotor E steht auf einer Verlängerung der Grundplatte und treibt die Kurbelwelle W mit zweifachem Vorgelege an. Infolge der seitlichen Anordnung des Motors bleiben sämtliche Teile leicht zugänglich. Diese Pumpen werden für Wassermengen bis zu 10 cbm in der Minute und für Druckhöhen bis zu 100 m angewendet. Größere unterirdische Wasserhaltungsmaschinen werden jetzt auch ohne Zahnrädervorgelege mit unmittelbar auf die Kurbelwelle aufgesetztem Elektromotor gebaut.

Aus Fig. 4 ist die Anordnung einer Drillingskolbenpumpe nebst Elektromotor, Anlasser L und Kabeltrommel T auf einem fahrbaren Gestell ersichtlich, wie dieselbe beim Vortrieb von Fallstrecken, z.B. zur Ausrichtung tieferer Sohlen, Verwendung findet. Die Pumpe wird mit[404] Hilfe eines Flaschenzuges gesenkt, das Kabel wickelt sich dementsprechend von der Trommel ab und wird an der Firste beteiligt; es bedarf dann nur noch der Verlängerung des Steigrohres und die Pumpe ist wieder betriebsfertig. Auch elektrisch angetriebene Abteufpumpen für Schächte, als Mehrfach-Plunger- oder Mehrfach-Zentrifugalpumpen, werden jetzt häufig angewendet.

Die erste elektrisch angetriebene Fördermaschine für einen Hauptschacht wurde 1891 gebaut und mit Vorgelege versehen, da damals langsamlaufende Motoren, die unmittelbar auf die Seilkorbwelle hätten gesetzt werden können, noch nicht ausgeführt wurden. Um dem sehr schwankenden Energiebedarf der Fördermaschine Rechnung zu tragen, wurde ausschließlich Widerstandsregulierung angewendet. Hierdurch mußte in unwirtschaftlicher Weise elektrische Energie vernichtet werden, außerdem übertrugen sich die Schwankungen in der Stromentnahme auf das ganze Leitungsnetz und wirkten ungünstig auf andre Motoren ein.

Die in Fig. 5 dargestellte Maschine hat einfaches Vorgelege, der Motor ist seitlich angebaut; Anlassen, Bremsen und Umsteuern des Motors werden durch denselben Steuerhebel St und den Brems B1 mit Hilfe des für diesen Zweck von der Firma C. Hoppe, Berlin, besonders gebauten Anlaßkastens L für umzusteuernde Motoren bewirkt Der Elektromotor kann nur bei geöffneter Bremse angelassen und anderseits die Bremse nur angezogen werden, wenn der Motor ausgeschaltet ist. Auf der Fördertrommel F ist eine zweite elektrisch betätigte Bremse B vorhanden, t ist der Teufenzeiger mit Sicherheitsvorrichtung gegen das Zuhochtreiben (Ueberheben). Der eine Korb kann als Loskorb (s.d.) gebaut werden.

Direkt wirkende Fördermaschinen mit Motor auf der Seilkorbwelle baute man seit 1899 die erste war die Tiederhaller Maschine. Sie wird durch Gleichstrom von 500 Volt Spannung betrieben, zwischen die mit Nebenschlußwicklung versehene Dynamomaschine und die Fördermotoren ist eine Akkumulatorenbatterie der ersteren parallel einschaltet Die Maschine ist in 300 m Tiefe unter Tage und 140 m vom Hauptschachte entfernt aufgestellt und fordert aus einem 200 m tiefen Schachte. – Die Akkumulatorenbatterie nimmt während der Förderpausen und in der Zeit geringen Energiebedarfes der Fördermaschine die überschüssig geleistete Arbeit der gleichförmig weiterlaufenden Primärmaschine auf und gibt sie nach Bedarf an die Fordermotoren wieder ab. Beim Einhängen von Lasten arbeiten die Fördermotoren als Dynamomaschinen und geben Strom in die Pufferbatterie zurück; zugleich wirken sie bremsend auf die Fördermaschine. Ferner gewährt die Akkumulatorenbatterie den erheblichen Vorteil daß die Forderung auch bei Stillstand der Primärmaschine eine Zeitlang im Betrieb bleiben kann. – Bei der Lastförderung werden die beiden Elektromotoren parallel geschaltet, sie machen dann bei 6 m Seilgeschwindigkeit 70 Umdrehungen in der Minute und können zeitweise zusammen 300 PS. leisten Werden für die Personenbeförderung die beiden Motoren hintereinander geschaltet, so betragt die Seilgeschwindigkeit 3 m. Durch eine besonders patentierte Schaltung können auch die zu Revisionsbefahrungen notwendigen sehr kleinen Geschwindigkeiten bis zu 0,09 m herab ermöglicht werden. Die Maschine ist für das Anfahren mit Anlaßwiderständen und außerdem mit den nötigen Bremsen versehen. Zur besonderen Sicherheit gegen das Zuhochtreiben dient ein Verzögerungs-(Retardier-) Apparat, der mit dem Teufenzeiger verbunden ist und gegen das Ende eines Aufzuges den Steuerhebel rechtzeitig selbsttätig zurücklegt, so daß die Geschwindigkeit sich wesentlich verlangsamt. Wird trotzdem über die Hängebank hinaufgetrieben, so wird der Strom unterbrochen und der Sicherheitsbrems eingeworfen [3], [5].

Von besonderer Bauart sind die beiden im Jahre 1902 in Betrieb gesetzten Fördermaschinen der v. Arnimschen Steinkohlenwerke in Planitz bei Zwickau in Sachsen [6]. Für jede Fördermaschine ist eine Gleichstromprimärmaschine mit Nebenschlußwicklung und besonderer kleiner Erregermaschine vorhanden. Beim Verstellen des Anlaßhebels der Fördermaschine wird auf elektrischem Wege die Erregerspannung der Primärmaschine in den Grenzen von 0–240 Volt geändert und dadurch die Umlauf zahl des Fördermotors geregelt. Die Betriebsdampfmaschinen sind mit einer empfindlichen selbsttätigen Expansionssteuerung versehen Bei Stillstand der Forderung ist die Erregerspannung und auch die Spannung der Primärdynamomaschine[405] gleich Null, der Fördermotor erhält keinen Strom. Mit allmählicher Steigerung der Erregerspannung wächst auch die Spannung der Primärmaschine; letztere gibt daher mehr und mehr Energie von immer höherer Spannung an den Fördermotor ab, dieser läuft an, die Dynamomaschine erhält allmählich ihre höchste Spannung, nämlich 500 Volt, und der Fördermotor macht 72–80 Umdrehungen in der Minute. Entsprechend wird die Umlaufzahl des Fördermotors beim Zurücklegen des Anlaßhebels geregelt. – Der Schacht hat 200 m Tiefe, die Maximalgeschwindigkeit für die Kohlenförderung beträgt 8,5 m, bei der Seilfahrt 3 m. Die Fördermaschinen stehen über dem Schachte. – Durch die geschilderte Anordnung wird zwar der Energieverlust der Widerstandsschaltung vermieden und ein hoher Wirkungsgrad erreicht, die Primäranlage muß jedoch so stark bemessen sein, daß sie das Maximum der von der Fördermaschine benötigten Energie liefern kann; eine volle Ausnutzung des in der Primäranlage festgelegten Kapitales und der verfügbaren Energie ist aber nicht möglich.

Die neueste Bauart der elektrisch angetriebenen Fördermaschinen ist diejenige von Ilgner [3]. Die Kraftaufspeicherung erfolgt durch ein schweres Schwungrad; die Fördermaschine kann von einer Zentrale mit beliebigem Stromsystem aus nach Transformierung der nötigen elektrischen Energie in Gleichstrom von veränderlicher Spannung betrieben werden. Die Schwierigkeiten, die diese schweren Schwungräder durch Heißlaufen der Lager ursprünglich verursachten – an der Maschine auf Schacht Zollern II der Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft hat das Schwungrad bei 401 Gewicht 4 m Durchmesser und macht 300 Umdrehungen in der Minute [7] –, sind durch Kühlung der Lager und Schmieren unter Anwendung hohen hydraulischen Druckes vollständig behoben worden. Der elektrischen Zentrale wird während des Ganges der Förderung gleichmäßig nur diejenige Energie entnommen, die der durchschnittlichen Arbeitsleistung der Fördermaschine entspricht. Der Umformer besteht aus dem Anlaßmotor, der den Strom aus der Zentrale entnimmt; er sitzt auf derselben Welle mit dem Schwungrade, das durch Beschleunigung oder Verzögerung seiner Schwungmassen die starken Schwankungen im Energieverbrauche der Fördermaschine ausgleicht. Auf derselben Welle sitzt weiter die Gleichstromanlaßdynamo mit Fremderregung, deren Spannung durch Aenderung der Erregung zwischen Null, einem positiven und negativen Maximum geregelt werden kann. Die Seilkorbwelle der Fördermaschine ist mit dem Gleichstromfördermotor direkt gekuppelt. – Das Schwungrad wirkt hier ganz ähnlich wie die Pufferbatterie der Tiederhaller Maschine (s. oben). Die Größe der Erregung und damit zugleich die Umlaufszahl der Fördermaschine wird vom Steuerhebel eingestellt, und zwar unabhängig von der Belastung. Die Bremsen werden durch Druckluft betätigt, ein selbsttätig wirkender Verzögerungsapparat ist wie bei der Tiederhaller Maschine vorhanden. Die Ilgner-Maschine ist zwar teuer in der Anlage, aber Bauart und Bedienung sind sehr einfach, außerdem arbeitet sie sehr wirtschaftlich (15 kg Dampfverbrauch für die PS.-Stunde im Schachte), und die Sicherheit des Betriebes ist sehr groß, da ein Durchgehen der Maschine und das Uebertreiben ausgeschlossen ist.

Besondere Bedeutung hat die elektrische Kraftübertragung für die bergmännischen Gesteinsarbeiten (s. Gewinnungsarbeiten) erlangt zum Betrieb von Schrämmaschinen und von Gesteinsbohrmaschinen (vgl. Bohr- und Sprengarbeit).


Literatur: [1] Heise, F., Sprengstoffe und Zündung der Sprengstoffe, mit besonderer Berücksichtigung der Schlagwetter- und Kohlenstaubgefahr auf Steinkohlengruben, Berlin 1904. – [2] Posepny, F., Ueber neuere am Comstock- und im Eureka-Bergreviere durchgeführte Versuche der elektrischen Schürfung, Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen 1885, S. 411. – [3] Siemens & Halske, Berlin, Elektrische Kraftübertragung im Bergbau, 2. Heft, 1902. – [4] Diviš, Julius, Hochdruckkreiselpumpen und Hochdruckventilatoren (System A. Rateau), Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen 1904, S. 331. – [5] Hoppe, O., »Essener Glückauf« 1900, S. 490. – [6] Lasche, O., Förderanlagen mit elektrischem Antrieb, »Essener Glückauf« 1902, S. 700. – [7] Randebrock, Die Schachtanlage Zollern II der Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft, »Essener Glückauf« 1905, S. 781 (Fig. 1–5 nach Siemens & Halske, Berlin).

Treptow.

Fig. 1.
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Fig. 2., Fig. 2a.
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Fig. 3., Fig. 3a.
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Fig. 4.
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Fig. 5.
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Elektrizität im Schiffbau, die Verwendung der elektrischen Energie an Bord von Schiffen.

Sie fällt mit dem Aufschwung der elektrotechnischen Industrie zusammen und erstreckte sich zunächst auf die Beleuchtung der Schiffsräume und des Außenfeldes. Die große Zahl der an Bord der Kriegsschiffe und Passagierdampfer vorhandenen Wohn- und Schlafräume, welche bei Eintritt der Dunkelheit einzeln zu beleuchten waren, im besonderen jedoch die wichtigen, unterhalb des Panzerdecks bezw. des Zwischendecks gelegenen Maschinen- und Kesselräume, die Munitions- und Vorratskammern und sonstigen Hellegats, die Tag und Nacht künstliches Licht haben mußten, erklären ohne weiteres den raschen Uebergang zur elektrischen Beleuchtung und die baldige Aufgabe der Oellampen sowie der Talg- und Stearinkerzen. Abgesehen davon, daß diese Lampen und Kerzen einer unausgesetzten Wartung bedürfen, waren sie wegen ihrer Rauch- und Qualmerzeugung sowie durch die Abgabe von Kohlensäure in hygienischer Beziehung von um so größerem Uebel, als die Luft in den unteren Schiffsräumen an und für sich schon keine reine ist und durch künstliche Lüftungseinrichtungen erneuert werden muß. Hierzu kommt, daß in den Heizräumen mit künstlichem Zug für die Feuerungen die gewöhnlichen Beleuchtungseinrichtungen unhaltbar sind und hier die Elektrizität allein ein praktisches Licht liefern kann. Es ist daher kennzeichnend, wenn Edison die erste praktische Glühlichtbeleuchtung auf dem Dampfer »Columbia« einrichtete, so daß die elektrische Glühlichtbeleuchtung von einer Schiffsinstallation aus ihren Siegeslauf begann. Für Kriegsschiffe trat zu gleicher Zeit die Verwendung von Bogenlampen für Scheinwerfer nach Einführung der Torpedoboote in den Vordergrund [1], [6].

Die Ausnutzung des elektrischen Stromes an Bord für motorische Zwecke, und zwar zunächst zum Antrieb von Ventilatoren und Werkzeugmaschinen, begann erst im Jahre 1890 allgemeiner zu werden, und man ging alsbald dazu über, die Motoren auch für den Geschützbetrieb[406] zu verwenden. Im Jahre 1895 wurde die Elektrizität auf dem Küstenpanzerschiff »Aegir« der deutschen Marine fast auf alle Hilfsmaschinen an Bord versuchsweise ausgedehnt [2]. Auch an Bord der Handelsdampfer kam zu gleicher Zeit der elektrische Kraftbetrieb für Hebezeuge, wie Ladekrane, Kohlenwinden, verschiedentlich in größerem Maßstab zur Ausführung, während der elektrische Antrieb von transportabeln Kreiselpumpen sich für Bergungsdampfer vorteilhaft erwies [6]. Dagegen blieben die Versuche zur Fortbewegung der Schiffe mittels Elektrizität wegen der schweren und wenig ausgiebigen Akkumulatorenbatterien nur auf Boote und kleine Luftfahrzeuge sowie auf Unterseeboote beschränkt. Auch die Verwertung des elektrischen Stromes zum Heizen der Schiffsräume ist wegen der hohen Betriebskosten nur für die Luxuskabinen der Schnelldampfer zur Ausführung gekommen.

Besonders vielseitig entwickelte sich nach Einführung der elektrischen Kraftübertragung an Bord die elektrische Befehlsübermittlung für die verschiedensten Zwecke der Schiffsleitung, und zwar für den Maschinen- und Kesselbetrieb, für die Navigierung und den Signaldienst sowie für die Feuerleitung der Artillerie- und Torpedowaffe und fand ihren wichtigsten Abschluß mit Einführung der Funkentelegraphie. Die vielseitige Verwendung der Elektrizität an Bord der Schiffe läßt sich hiernach in vier Hauptzweige gliedern: 1. Innenbeleuchtung mittels Glühlampen; 2. Außenbeleuchtung mittels Bogenlampen; 3. Motorenantrieb für Hilfsmaschinen; 4. Signal- und Kommandoapparate.

Für die Erzeugung von Elektrizität auf Schiffen kommt nur Gleichstrom in Frage. Diese Stromart ist auf Anregung der »Schiffbautechnischen Gesellschaft« von dem Verbände deutscher Elektrotechniker sowie dem englischen Engineering Standard Committee bei einer Stromstärke von 110 Volt als Normalstrom für Schiffe festgesetzt worden und dürfte bald internationale Geltung erhalten [8]. Die Begründung für die Empfehlung des Gleichstroms unter Verwendung des Zweileitersystems stützt sich auf folgende Grundsätze:

1. Die Gleichstrommotoren sind nach dem heutigen Stande der Elektrotechnik infolge ihrer besseren Regulierfähigkeit gerade für die Kraftanlagen an Bord von Schiffen geeigneter.

2. In bezug auf Lebensgefahr ist der Gleichstrom weniger gefährlich als Wechselstrom von gleicher effektiver Spannung.

3. Die Kriegsmarine ist schon wegen ihrer Scheinwerfer auf Gleichstrom angewiesen. Eine einheitliche Stromart für Kriegs- und Handelsmarine liegt nicht nur im Interesse der Schiffahrt, sondern auch im Interesse der elektrotechnischen Industrie und erfordert daher eine Berücksichtigung dieses Umstandes., der für die Handelsschiffe vielleicht nicht so ins Gewicht fällt.

4. Das Kabelnetz wird bei dem für Kraftanlagen augenblicklich nur in Frage kommenden Drehstrom unübersichtlicher. Da die drei Leitungen wegen ihrer Induktionswirkungen in einem Kabel verlegt werden müssen, ist dieses, namentlich für größere Motoren, seines Querschnitts wegen sehr schwer zu verlegen. Auch sind Abzweigungen schwierig auszuführen.

5. Bei den Handelsschiffen überwiegt im allgemeinen der Strombedarf für Beleuchtung.

6. Der bisher meistens für Wechselstrom angeführte Vorteil der Nichtbeeinflussung der Kompasse fällt weniger ins Gewicht, da sich diese Beeinflussung auch bei Gleichstrom durch richtige Verlegung der Kabel sowie Bau und Aufstellung der Motoren vermeiden läßt.

Die Stromerzeugungsanlagen für Linienschiffe schwanken in ihrer Leistung zwischen 300 und 600 Kilowatt, die Primäranlage der letzten amerikanischen Linienschiffe ist sogar auf 800 Kilowatt gesteigert. Die Dampfdynamos der Schnelldampfer teilten bis zu 350 Kilowatt. Die einzelnen Aggregate der Primärstationen werden bis zu 100 Kilowatt Leistung ausgeführt. Zum Antrieb der Dynamos finden vorzugsweise schnell laufende Einzylinder- oder Zweifachexpansionsmaschinen Verwendung, die mit den Dynamos direkt gekuppelt sind. Neuerdings finden Dampfturbinen von de Laval, Parsons und der Allgemeinen Elektrezitätgesellschaft zunehmende Verbreitung [1], [4], [5], [13]. Die Dynamomaschinen werden vorwiegend mit Compoundwicklung versehen, um eine gute Regulierung und leichte Bedienung zu ermöglichen, und die Hauptschalttafel ist so eingerichtet, daß jede Dynamo auf jeden Stromkreis geschaltet werden kann. In der deutschen Kriegsmarine finden neuerdings nur Nebenschlußdynamos Verwendung, um durch Parallelschaltung derselben die Anlage zu vereinfachen und die Maschinen besser ausnutzen zu können; auch können die Stromkreise mit schwankendem Strombedarf durch besondere Schalter von der Beleuchtungsanlage getrennt werden [3], [13]. Ueber die Gliederung der Stromkreise und Anordnung der Leitungen sowie die Glühlampen und Bogenlichtbeleuchtung s. Beleuchtung, elektrische, der Schiffe, Bd. 1, S. 673, und Scheinwerfer, elektrische.

Die Verwendung von Akkumulatoren auf Schiffen zur Unterstützung laufender Dynamos in Parallelschaltung als Pufferbatterie oder Momentreserve ist eine beschränkte, sowohl wegen der beim Laden auftretenden Schwierigkeiten als auch besonders wegen der hohen Gewichtsbeanspruchung. Sie werden nur für die Nachtzeit als Momentreserve und im besonderen als eigne Stromquellen mit einer Spannung von 36 Volt für die Kommandoapparate verwendet Neuerdings wird die elektrische Befehlsübermittlung an das Starkstromnetz mittels Umformer angeschlossen, und die Akkumulatorenbatterie dient nur als Reserve [1].

Die elektrische Kraftübertragung hat ständig an Ausdehnung zugenommen, und auf einzelnen Kriegsschiffen werden bereits fast alle Hilfsmaschinen durch Elektromotoren angetrieben. Für die Hilfsmaschinen für seemännische Zwecke, wie Rudermaschine, Ankerlichtmaschine und Bootskrane, ist der Dampfantrieb noch vorhergehend, dagegen ist der elektrische Antrieb für Ventilatoren, Eismaschinen, Kohlenwinden, Werkzeugmaschinen, Kreiselpumpen für die, Lenzeinrichtung und Munitionswinden bereits allgemein eingeführt [1]. Besondere Schwierigkeiten zeigten sich bei Einführung des elektrischen Antriebs für die Schwenkwerke und Höhenricht-vorrichtungen der schweren Schiffsgeschütze, weil einerseits sehr große Gewichte zu bewegen waren, die beim Rollen des Schiffes unter Umständen kräftige Motoren erforderten, während[407] anderseits zum genauen Einstellen auf das Ziel eine genaue Regulierbarkeit der Antriebsmotoren erforderlich wurde. Eines der ersten Schiffe mit elektrischer Bedienung der Schiffsgeschütze war das von der Forges et Chantiers de Ja Méditerrannée in La Seyne erbaute chilenische Panzerschiff »Kapitän Prat«; der elektrische Antrieb war insofern noch unvollkommen, als die genaue Einteilung auf das Ziel sich ruckweise in Stößen vollzog. Wesentlich genauer erfolgt der Betrieb der Panzertürme nach dem System Leonard. Bei demselben wird die Geschwindigkeit eines in einem magnetischen Felde konstanter Spannung – rotierenden Ankers proportional der Spannung des den Motorbürsten zugeführten Stromes reguliert. Die Feldwicklung der Motoren erhält ihren Strom aus dem allgemeinen Leitungsnetz, während für die Aenderung der Spannung des Ankerstromes eine besondere Nebenschlußdynamo benötigt wird, dessen Feld gleichfalls:, separate Erregung erhält, die vom Geschützführer mit Hilfe eines Rheostaten eingestellt wird. Nach diesem System sind die Turmschwenkwerke auf den amerikanischen Linienschiffen »Kearsage« und »Kentucky« eingerichtet. Hier erfolgte auch die Feststellung der Türme durch magnetische Bremsung. Die Höhenrichtung sowie das Einbringen der Munition besorgen kleine Motoren mittels Zahnradgetriebe. In der deutschen Marine verwendet man für die Panzertürme der Mittelartillerie einen Motor mit Hauptstromregulierung, dessen Feinregulierung, durch Variation des Motorfeldes erfolgt [1], [7]. Neuerdings verwendet man in der amerikanischen Marine einen Generator, der durch einen Motor mit Differentialcompoundwicklung angetrieben wird. Die Feldwicklungen des Generators und des Motors haben besondere Erregung, die durch Kontroller vom Geschützstand aus reguliert werden. Für die Geschützbedienung ist schließlich das elektrische Abfeuern sowie die Nachtvisiereinrichtung von Bedeutung geworden.

Die Verwendung der Elektrizität zum Legen des Ruders ist nur vereinzelt durchgeführt. Die elektrische Steuermaschine von Psatischer (vertrieben von der Electro Dynamic Co. in Philadelphia) ist auf russischen Kriegsschiffen mehrfach zur Ausführung gekommen. Sie arbeitet nach dem System der Wheatstoneschen Brücke und besteht aus einer Ausgleichleitung, deren Strom durch eine Erregermaschine mit Dynamo und Motor derart verstärkt wird, daß er den Rudermotor antreiben kann [1]. Die elektrische Steuermaschine S.M.S. »Aegir« (von der Union Elektrizitätsgesellschaft, Berlin) verwendet zwei ständig in entgegengesetztem Sinne rotierende Motoren, die von dem Steuerstände aus verschieden erregt werden können, derart, daß die Geschwindigkeit des einen Motors sich erhöht, die des andern sich gleichzeitig erniedrigt. Diese Differenz der Geschwindigkeiten beider Motoren tritt an dem freien Wellenende eines Differentialgetriebes zutage, an das der Steuermechanismus angeschlossen ist. Wegen der nicht unbeträchtlichen Leerlaufsarbeit der Motoren auch bei Ruhelage des Ruders hat die genannte Firma, gleichfalls nach den Entwürfen von Eßberger, eine zweite Steuermaschine konstruiert, bei der neben dem Rudermotor nur eine Zusatzdynamo erforderlich ist, die das Anlassen, Regulieren und Reversieren besorgt [7].

Die elektrischen Bootswinden zum Ein- und Aussetzen der schweren Boote der Kriegsschiffe haben mehrfach Eingang gefunden, doch haben dieselben noch nicht so einwandfrei gearbeitet, daß ihrer allgemeinen Einführung nähergetreten werden konnte [1].

Besonders vielseitig ist die Verwendung der, Elektrizität für die Befehlsübermittlung an Bord der Kriegsschiffe, für die sogenannten Kommandoapparate, ausgebildet. Diese Apparate bestehen in der Hauptsache aus einem Kommandogeber mit Kurbel- oder Hebelantrieb zum Senden des Stromes zu den verschiedenen, mit geeignet geschalteten Elektromagneten versehenen Empfängersystemen und aus dem Kommandoempfänger, der die übermittelten Befehle durch Bewegung eines Zeigers auf einer Skala anzeigt. Siemens & Halske, Berlin, bauen die elektrischen Kommandoapparate nach dem System der Sechsrollenmotoren [9]; die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft, Berlin, benutzt die dem Drehstrom eigentümliche Stromschaltung, bei der mit dem Hebel des Gebers ein Magnetfeld im Empfänger sich genau synchron dreht, für die Kommandoapparate nach dem Drehfeldfernzeigersystem [10], während die Union Elektrizitätsgesellschaft, Berlin, die Apparate nach dem System der veränderlichen Spannung, d.h. nach dem Prinzip der Spannungsmesser, konstruiert [11]. Alle drei Systeme haben für Maschinentelegraphen, Maschinenumdrehungsanzeiger, Rudertelegraphen und Ruderlagezeiger, für Maschinenraum- und Heizraumtelegraphen, Torpedosignalgeber und Artillerietelegraphen u.s.w. Verwendung gefunden [1]. Für letztere ist das Sechsrollenmotorsystem besonders geeignet, und dieselben sind von Siemens & Halske auf eine große Zahl von Kommandoworten durch Einführung eines endlosen Bandes., auf das die Kommandozeichen aufgetragen sind, ausgebildet worden [9].

Neben die Apparate für optische Befehlsübermittlung treten dann noch akustische Uebertragungen mit Hilfe lauttönender Telephone, die vornehmlich von Siemens & Halske ausgebildet wurden, sowie Anrufglocken und Alarmsignale als Feuermelder und Warnsignale beim Schießen sowie beim Schließen der wasserdichten Schottüren [9]. Als Stromquelle benutzt man für alle optischen und akustischen Befehlsübermittlungen Akkumulatoren oder rotierende Gleichstromtransformatoren, da sämtliche Apparate mit geringer Spannung arbeiten.

Neben den elektrischen Kommandoapparaten innerhalb eines Schiffes haben namentlich für die Kriegsmarine die Signallaternen, die einesteils die Position des Schiffes angeben, andernteils zu Befehlsübermittlungen von Schiff zu Schiff benutzt werden, eine stetig zunehmende Bedeutung erlangt. Hierher gehören: die Positionslaternen (grün und rot als Seitenlaternen, weiß als Toplaterne), die Hecklaterne, die Fahrgeschwindigkeitslaterne sowie die Ankerlaterne und zum Signalisieren die Nachtsignalapparate nach dem Laternensystem von Sellner, Conz, Kaselowski und Siemens & Halske, der Gottwaldsche Nachtwinker sowie das Blitzlicht mit Hilfe der Scheinwerfer und ihrer Jalousieverschlüsse. Die Laternenapparate, aus drei Doppellaternen mit weißem und rotem Licht bestehend, geben mit Hilfe eines Signalgebers oder Tasters verschiedene Kombinationen von weißen und roten Lichtern. Der Sellnersche [408] Apparat ist dahin erweitert, daß mit demselben auch Nebelsignale mit der Dampfpfeife oder bei Tage mittels des Mastwinkers – Semaphor – gegeben werden können [9].

In den letzten Jahren ist die Signalgebung von Schiff zu Schiff bezw. von Land zu Schiff mit Hilfe der Funkentelegraphie von großer Bedeutung geworden. Die von Marconi 1889 eingeführte Telegraphie ohne Draht ist nach längeren Versuchsstadien in verschiedenen Kriegsmarinen sowie auf einzelnen Schiffen der Handelsmarine zur Anwendung gelangt. Das Abstimmen auf bestimmte Wellenlängen ist vornehmlich in Deutschland durch die Arbeiten von Slaby und Braun gefördert worden. – Die Systeme Slaby-Arco und Braun werden seit 1903 von der Gesellschaft für drahtlose Telegraphie gemeinsam ausgebeutet. Ihr System »Telefunken« ist in der deutschen Kriegsmarine eingeführt und hat ferner in der amerikanischen und schwedischen Marine Eingang gefunden, während die englische und italienische Marine das verbesserte Marconi-System angenommen haben. Die russische und französische Marine wenden das System Ducretet-Popoff an. Für die Erzeugung der Funkenenergie auf weite Entfernungen wird bei dem System »Telefunken« eine Wechselstrommaschine mit Transformator verwendet. Die großen transatlantischen Schnelldampfer haben meist Marconi-Stationen an Bord, weil die an der Südküste Englands errichteten Landstationen nach diesem System eingerichtet sind [1], [12].


Literatur: [1] Roedder, O.C., Die elektrotechnischen Einrichtungen moderner Schiffe, Wiesbaden 1903. – [2] Uthemann, Die Verwendung der Elektrizität auf Kriegsschiffen, Marine-Rundschau 1899. – [3] Granert, Die elektrischen Anlagen neuerer Kriegsschiffe, Elektrotechn. Zeitschr. 1900. – [4] Kellog, J.W., Use of electricity on shipboard, London 1904. – [5] Bakon, M., L'électricité dans la marine, Paris 1904. – [6] Arldt, C., Elektrizität an Bord von Handelsdampfern, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingen. 1897. – [7] Geyer, W., Elektrische Kraftübertragung an Bord, Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft 1902. – [8] Schulthes, C., Gleiche Stromart und Spannung der elektrischen Anlagen an Bord von Schiffen, ebend. 1905. – [9] Raps, A., Elektrische Befehlsübermittlung an Bord, ebend. 1901. – [10] Arldt, C., Drehfeldfernzeiger, Elektrotechn. Zeitschr. 1897. – [11] Heubach, Neue Signalapparate der Union Elektrizitätsgesellschaft, ebend. 1902. – [12] Nauticus, Die Fortschritte der Funkentelegraphie, Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen 1904. – [13] Schulthes, Einiges über Schiffselektrotechnik, Glasers Annalen 1905.

T. Schwarz.

Elektrizität im Transportwesen, s. Eisenbahnen, elektrische.


Elektrizität im Verkehrswesen, s. Telegraphie und Telephonie.


Elektrizität in der Chemie, s. Elektrolyse.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 400-409.
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