[go: up one dir, main page]

Turm

[675] Turm, ein Bauwerk von geringer Grundfläche bei vielgeschossiger Höhe, das einzelstehend oder in Verbindung mit andern Gebäuden errichtet ist.

Zu allen Zeiten dienten die Türme ganz besonders den Zwecken der Verteidigung als Wehrtürme [1]. So in Verbindung mit den Stadtmauern, an den Burgen (s.d., Bd. 2, S. 405 ff.) und Torbauten des Mittelalters (s. die Figur) oder als Brückentürme (s.d.) und als hochgelegene Warttürme. In ihrer Grundform meist viereckig, seltener achteckig, rund oder halbrund, bildeten sie stets die Stützpunkte der Abwehr. Den jeweiligen Angriffswaffen der verschiedenen Zeitalter entsprechend, waren die frühesten Türme aus Holz erstellt, von genügender Stärke; später mußten sie aus Stein in Dicken von 2 m bis zu 6 m erbaut werden, um den Geschossen widerstehen zu können. Den heutigen Stahlgeschossen sollen die in die Erde eingegrabenen Beton- oder Panzertürme standhalten. – Auch als Grabmal fand der Turm in reicher architektonischer Gestaltung Verwendung (vgl. a. Mausoleum, Bd. 6, S. 346). Ebenso als Leuchttürme (s.d.) an Hafeneinfahrten oder an Meeresküsten. So der auf der Insel Pharos bei Alexandria im Jahre 280 v. Chr. durch Sostratos erbaute Leuchtturm von 120 m Höhe, der den Zeitgenossen als eines der neben Wunder der Welt erschien und von Bedeutung für die Entwicklung des Turmbaus geworden ist [3]. Die Ausgestaltung der Kirchtürme des Mittelalters ist in der Besprechung der Glockentürme (Bd. 4, S. 575) behandelt, ebenso die der Minarette bei Moscheen (s. Bd. 6, S. 497). – Die günstige Wirkung der Türme im Städtebild führte in der Folge dazu, sie zu Hauptschmuckstücken an öffentlichen Gebäuden, an Königsschlössern, Rathäusern (Brüssel, Siena u.s.w.) Kaufhäusern (Brügge, Ypern) oder als Uhr- oder Zeitglockentürme (Bern) auszubilden, wobei die Städte wetteiferten, sich an Zahl, Höhe und Reichtum der Türme zu überbieten. Aus ähnlichen Gesichtspunkten werden heute städtische Schul- und andre Gebäude mit Türmen versehen und ist im Jahre 1889 der Eiffelturm (300 m hoch) in Paris entstanden. – Im Wohnbau kommt der Turm als Treppenturm zur Aufnahme einer Wendeltreppe (Mergentheim, Chambord a. Loire) vor oder als Erkerturm, Ecktürmchen. In neuester Zeit entstehen in den Großstädten Nordamerikas die turmartigen Wolkenkratzer, d.h. Wohn- und Geschäftshäuser von 20 und mehr Geschossen, um bei den Ungeheuern Boden Preisen den gegebenen Raum nach der Höhe aufs äußerste auszunutzen.


Literatur: [1] Viollet-le-Duc, Dictionnaire raisonné de l'architecture française, Paris 1865, Bd. 9, Tour, S. 67–189; Bd. 7, Porte, S. 314–386; Bd. 5, Donjon, S. 34–96, Flèche, S. 426–472. – [2] Piper, Otto, Burgenkunde, München 1895. – [3] Thiersch, Herrn., Pharos, Antike, Islam und Occident, Berlin und Leipzig 1909. – [4] Sutter, K., und Schneider, F., Turmbuch, Berlin 1895.

Weinbrenner.

Spalentor in Basel.
Spalentor in Basel.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 675.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: