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Dualismus

[155] Dualismus (nlt.-franz. von lat. dualis = zweifach) beißt diejenige Ansicht, welche, im Gegensatz zum Monismus, zwei Prinzipien annimmt, und zwar entweder in bezug auf den Menschen oder in bezug auf Gott oder in bezug auf die Welt und das Dasein. Die erste Form des Dualismus heißt anthropologischer, die zweite theologischer, die dritte kosmologischer oder metaphysischer Dualismus. – Der anthropologische Dualismus sieht in Leib und Seele des Menschen zwei Wesen, die nicht bloß durch einen Gegensatz von Qualitäten, sondern auch durch die ganze Form ihrer Tätigkeit voneinander getrennt sind und weder eine Ableitung auseinander zulassen, noch eine gemeinsame[155] Grundlage besitzen. Um diesen Gegensatz der Seele und des Leibes hervorzuheben, bedient sich der Dualismus der Prädikate: einfach und zusammengesetzt, übersinnlich und sinnlich, unbedingt und bedingt usw. Er stützt sich auf die Behauptung, daß die Verschiedenheit der Erscheinungen einen verschiedenartigen Träger fordere. Er fußt auch auf dem Gegensatz zwischen Sinnlichkeit und. Vernunft auf dem Gebiet des Erkennens und auch des Begehrens. Auch glaubt er am besten das Vorhandensein von Irrtum und Sünde sowie die Existenz von apriorischen Wahrheiten und kategorischen Imperativen erklären zu können; er rühmt sich, die ursprüngliche und naive Ansicht zu sein. Gegen ihn aber ist geltend gemacht, daß die Prädikate, die er an Leib und Seele gegenüberstellt, sich nicht ausschließen; übersinnlich ist z.B. alles am Leibesleben, was sich unsrer Wahrnehmung entzieht; und wenn die Körperwelt »bedingt« genannt wird, so wird hierdurch gerade der Monismus gefordert. Das Wesen des Geistes in die Freiheit, das des Leibes in die Notwendigkeit zu setzen, ist willkürlich und hinfällig. Und wenn aus der Verschiedenheit der Erscheinungen auf verschiedenartige Substanzen geschlossen wird, so ist dieser Schluß dadurch entkräftet, daß uns nur Vorstellungen, nicht die Dinge selbst durch unser Bewußtsein gegeben sind. Wir haben räumliche und zeitliche Vorstellungen von den Dingen; aber die Dinge sind nicht selbst räumlich, und die Vorstellung des Körpers ist auch nur Vorstellung. Der Rücksicht auf ethische Interessen darf kein Einfluß auf psychologische Theorien eingeräumt werden; und den Leib für den Irrtum verantwortlich zu machen ist deshalb unstatthaft, weil der Irrtum nur Sache des Urteils ist. Vor allem vermag der Dualismus nicht die Wechselwirkung zwischen Leib und Seele und besonders die Sinnesempfindung und Bewegung zu erklären. Der eigentliche anthropologische Dualismus beginnt in der Neuzeit erst mit Descartes (1596-1650) und ist von Leibniz (1646-1716) bekämpft, wirkt aber noch in Kant abgeschwächt nach; in neuerer Zeit haben ihn Krause, Günther, Ulrici u.a. vertreten. Vgl. W. Volkmann, Psychol. 4. Aufl. 1894. 1, 102, 136. Flügel, die Seelenfrage. Köthen 1878.

2. Der theologische Dualismus nimmt zwei Urprinzipien der Dinge, ein gutes und ein böses an, welche seit Ewigkeit im Streite liegen. Diese durch den Parsismus und [156] Manichäismus vertretene Ansicht macht das Wesen Gottes innerlich widerspruchsvoll. Vgl. böse, Determinismus, Freiheit.

3. Der kosmologische oder metaphysische Dualismus stellt zwei Grundwesen auf, aus denen alles Vorhandene bestehn soll, Geist und Materie (Anaxagoras) oder Denken und Ausdehnung (Cartesius), von denen er annimmt, daß nicht eins auf das andere oder beide auf ein drittes zurückgeführt werden könnten. Aber dieses Stehenbleiben bei zwei Prinzipien hat etwas Unbefriedigendes an sich, und fast alle modernen philosophischen Versuche zielen darauf hin, ein einziges letztes Prinzip für die Lösung der Welträtsel zu finden und sich monistisch abzurunden. Das einzige ausgesprochen dualistische System eines bedeutenden neueren Philosophen ist nur der Cartesianismus (s. d.) gewesen, und wo die Systeme größerer Denker nicht voll monistisch ausfielen, da hat die Mit- und Nachwelt sofort die monistische Umbildung in die Hand genommen, wie es z.B. dem Kantianismus durch Fichte, Schelling und Hegel erging. Vgl. Metaphysik, Monismus.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 155-157.
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