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Willkür

[785] Willkür (arbitrium) ist: 1) im Gegensatz zum Trieb der selbständige Wille (s. d.), die Wahlfähigkeit (s. d.), 2) das gesetzlos-individuelle, unmethodische Wollen und Handeln. Willkürlich (voluntarium): willentlich, freiwillig, eigenwillig.

ALBERTUS MAGNUS bestimmt: »Voluntarium est, cuius principium in ipso consciente singularia sive circumstantias, in quibus est actus« (Sum. th. I, 79, 1). Nach THOMAS ist »voluntarium«, was »secundum inclinationem voluntatis« ist, auch »illud cuius domini sumus« (Sum. th. I, 82, 1 c. II. I, 6, 2 c. 6, 3 a). MICRAELIUS bestimmt: »Voluntarium est, quod fit sponte a volente. Estque vel elicitive voluntarium, quod est in potestate volentis. vel subiective voluntarium, quod est in voluntate, tanquam in subiecto« (Lex. philos. p. 1113). CHR. WOLF[785] erklärt: »Insoweit... die Seele den Grund ihrer Handlungen in sich hat, insoweit eignet man ihr eine Willkür zu und nennet daher willkürliches Tun und Lassen, wovon der Grund in der Seele zu finden« (Vern. Ged. I, § 518). Nach G. F. MEIER ist Willkür das »Vermögen, nach Belieben zu begehren und zu verabscheuen« (Met. III, 370). Nach FEDER ist die Willkür der Seele das »Vermögen, nach Wohlgefallen und Gutbefinden ihre Kräfte zu gebrauchen« (Log. u. Met. S. 2S). Nach PLATNER ist sie »das Vermögen zu wählen« (Philos. Aphor. II, § 520). Unter »freier Willkür« versteht KANT den nur durch Vernunft motivierten Willen (Krit. d. rein. Vern. S. 608). Nach KRUG heißt der Wille Willkür, »wiefern er zwischen entgegengesetzten Bestimmungen wählen (küren) kann« (Handb. d. Psychol. I, 63). Nach SCHELLING ist Willkür »die mit Bewußtsein freie Tätigkeit« (Syst. d. tr. Ideal. S. 485). BIUNDE bestimmt: »Willkür ist die Wahl des Willens. sie ist ein mit Bewußtsein begleitetes Bestimmen eines Etwas als des Zweckes, wobei indessen auch die Möglichkeit ungehindert erscheint, einem andern Zweck zu folgen« (Empir. Psychol. II, 317). Nach HILLEBRAND ist Willkür arbiträrer Wille (Philos. d. Geist. I, 307). J. E. ERDMANN definiert: »Der Wille, indem er sich auf die verschiedenen Determinationen bezieht, um der einen oder der andern das Übergewicht zu geben, ist wählender (kürender) Wille, Willkür« (Gr. d. Psychol. § 157. vgl. K. ROSENKRANZ, Syst. d. Wissensch. § 671. G. BIEDERMANN, Philos. als Begriffswissensch. I, 264 ff.. CHALYBAEUS, Wissenschaftslehre, S. 241 ff.). LOTZE bestimmt: »Willkürlich ist eine Handlung dann, wenn der innere Anfangszustand, von dem eine Bewegung als Folge entstehen würde, nicht bloß statthat, sondern von dem Willen gebilligt oder adoptiert oder gewähren gelassen wird« (Grdz. d. Psychol. S. 57). WINDELBAND versteht unter Willkür (die von ihm nicht angenommene) »Zufälligkeit in der Welt des innern Geschehens« (Die Lehre vom Zufall, S. 7). Nach E. v. HARTMANN bezieht sich das Wort »Willkür« »auf die verstandesmäßige Abwägung der unmittelbaren und mittelbaren Folgen verschiedener Entschließungen, nach deren Beendigung die motivatorische jeder Seite der Disjunction durch den Charakter, d h. die Summe der Triebe, ohne weitere Reflexionen bestimmt wird« (Mod. Psychol. S. 197). Nach HAGEMANN ist Willkür der freie Wille (Psychol.3, S. 122). WUNDT versteht unter Willkür die zusammengesetzte Willenshandlung (s. Wille). Nach TÖNNIES ist Willkür »das Denken, sofern darin der Wille enthalten ist« (Gem. u. Gesellsch. S. 100. s. Sociologie). – Vgl. Liberum arbitrium, Wille, Willensfreiheit.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 785-786.
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