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Wiese

[724] Wiese nennt man in der Landwirthschaft dem natürlichen Graswuchs überlassene, meist ebene Bodenflächen, von welchen der möglichst ansehnliche Ertrag in frischem Grase, Heu und Grummet beabsichtigt wird, um zu kräftigem und nahrhaftem Futter für gewisse Arten von Vieh zu dienen Allgemeine Erfodernisse sind also ein dem Graswuchs möglichst günstiger Boden, wozu eine gewisse Feuchtigkeit unerlaßlich ist, die Bedeckung desselben mit einer dichten Grasnarbe, welche das reichliche Gedeihen des Grases auch durch Beschattung des Bodens und Zurückhaltung seiner befruchtenden Feuchtigkeit befördert, und daß sie mit möglichst gleichförmig wachsenden und der Zeit und Größe nach sich gleichmäßig entwickelnden, guten ausdauernden oder reisen Samen ausstreuenden Wiesengräsern und Kräutern bestanden sind. Man unterscheidet natürliche oder eigentliche Wiesen, die unausgesetzt der natürlichen Berasung überlassen bleiben; Wechselwiesen, welche abwechselnd zum Graswuchse benutzt und nach gewisser Zeit wieder gepflügt oder umgebrochen werden, um dadurch überhandgenommene, tiefwurzelnde und wenig nutzbare schlechte Gewächse, auch Moose zu vertilgen und durch Aussaat für eine gewisse Zeit wieder bessere wachsen zu machen; künstliche Wiesen, d.h. zu Grasland bestellte und angesäete Bodenflächen. Es werden jedoch mitunter auch mit Futterkräutern, besonders mit ausdauernden bebaute Felder darunter verstanden, die aber mit künstlich in Grasland verwandelten Flächen nicht verwechselt werden sollten. Der Lage und Beschaffenheit nach gibt es Thal-, Fluß- oder Niederungswiesen, die in Thälern, an Flüssen, zwischen Seen, Teichen oder an Bächen liegen, vorübergehenden Überschwemmungen durch Austreten der Gewässer oder Ansammlung von Regen- und Schneewasser ausgesetzt sind, welche düngende Stoffe darauf ablagern, ohne den Boden zu versumpfen, durch die Ausdünstung der nahen Gewässer und das von ihnen in den Untergrund sich verbreitende Wasser immer Zuschuß von Feuchtigkeit erhalten, daher meist sehr fruchtbar sind und das Jahr zwei- und dreimal gemäht werden. Sie liegen jedoch zuweilen so, daß sie bei Ueberschwemmungen der Versandung oder der Beschädigung beim Eisgange ausgesetzt sind, auch wol die Heuernten dann und wann fortgeschwemmt oder verdorben werden. Feldwiesen liegen mehr oder weniger tief zwischen Feldern und ihr Ertrag hängt von der ihnen eignen Feuchtigkeit ab, die jedoch keine stockende Nässe sein darf. Bergwiesen befinden sich auf ebenen Theilen oder flachen Abhängen der Berge und werden durch Quellen oder von der Höhe darüber sich herabziehende Nässe feucht erhalten. Waldwiesen, von Wald umgeben, liefern in ihrem meist stark beschattet gewesenen Grase kein vorzügliches Heu. Bruch- oder Moorwiesen haben in der Regel saures, scharfes Heu, manchmal so schwammigen Boden, daß kein Wagen darüber fahren kann und das Gras nach besondern Ladeplätzen geschafft werden, ja mitunter nicht einmal dort getrocknet werden kann u.s.w. Der jährliche Ertrag vom Morgen Wiese schwankt je nach der Beschaffenheit zwischen 6–35 Ctr. Heu, und nachdem sie einmal oder öfter gemäht werden, nennt man sie einschürige oder Jakobswiesen (welche um Michaelis geschnitten werden), zweischürige, Pfingst- oder Grummetwiesen und dreischürige, welche zwei Heu- und eine Grummeternte geben. Alles, was zur Pflege und Verbesserung der Wiesen und zur Anlage von neuen gehört, ist Gegenstand des Wiesenbaues, wie z.B. das mögliche Entfernen aller Unebenheiten und hinderlichen Bäume und Gebüsche, das Trockenlegen sumpfiger und Eindämmen der von Überschwemmungen im Sommer bedrohten Wiesen, das Düngen und Bewässern (s. Bewässerung), wozu auch das Berieseln gehört, welches nur auf dazu angelegten, abhängigen Wiesen vorgenommen werden kann. Verjüngung der Wiesen wird es genannt, wenn man sie mit guter Erde 1–2 Zoll hoch überstreut, oder mit mehre Jahre an der Luft gelegenem Teichschlamm, wobei vorher die Grasnarbe mit der Egge etwas aufgerissen wird. Anleitung zum Wiesenbau geben unter Anderm Pohl's »Verjüngen der Wiesen und Revision der Wiesenwirthschaftslehre« (Lpz. 1810), Patzig, »Praktischer Rieselwirth« (Lpz. 1836), Berg, »Über Bewässerung und Wiesenbau« (Lpz. 1824). Die Bedeutung der Wiesen in der Landwirthschaft war bei dem früher beobachteten Dreifeldersystem übrigens insofern eine andere wie bei dem jetzt eingeführten Futterbau, dem Fruchtwechsel und der Stallfütterung, als ein bestimmtes Verhältniß der Wiesen in jeder Wirthschaft nöthig war, um den wesentlichen Bedarf an Winterfutter außer dem Strohe und einen solchen Zuschuß von Dünger zu gewinnen, wie das Feld ihn beim bloßen Getreidebau brauchte. Auf diesem beruhte der vornehmste Ertrag, denn die Nutzung von der Viehzucht war damals zu gering und das Feld gewann daher an Werth, je mehr Wiesen dabei waren. – Wiesenhobel, Wiesen- oder Hügelpflug werden landwirthschaftliche Werkzeuge von verschiedener Einrichtung genannt, deren Zweck ist, die Wiesen damit behufs der Einebnung von Maulwurfs- und Ameisenhaufen zu überfahren.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 724.
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