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Schlagfluss

[83] Schlagfluss, wird ein Krankheitszustand genannt, der fast immer plötzlich eintritt, mit Aufhebung des Bewußtseins, der Empfindung und Bewegung verbunden ist, während Herz- und Pulsschlag, sowie die dem lebenden Körper eigenthümliche Wärme fortdauern, das Athemholen beschleunigt und schnarchend wird, und der entweder sehr bald oder nach wiederholten Anfällen tödtet oder Lähmungen einzelner Theile des Körpers zurückläßt. Man unterscheidet und zwar mit Recht den sogenannten Blutschlagfluß oder Blutschlag, Wasserschlagfluß oder Wasserschlag und Nervenschlagfluß oder Nervenschlag. Der Blutschlag, die beiweitem häufigste Art des Schlagflusses, entsteht zunächst durch im hohen Grade vermehrten Andrang des Blutes nach dem Gehirn und tritt entweder plötzlich oder nach Vorausgang mehrer Zufälle ein, die ihn schon im voraus fürchten lassen. Personen, die in Gefahr sind, von ihm betroffen zu werden, sehen im Gesicht ungewöhnlich roth und gedunsen aus, klagen über Eingenommenheit und Schmerzhaftigkeit des Kopfes, erschwertes Denken, unruhigen, von Träumen, Auffahren und dergl. unterbrochenen Schlaf, Klopfen in den Schläfen, Flimmern und Schwarzwerden vor den Augen, Schwindel, Schwerhörigkeit, Ohrensausen u.s.w. Erfolgt nun der Anfall selbst, so gesellen sich zu ebengenannten Erscheinungen ein Ziehen im Nacken und Zucken in den Gesichtsmuskeln, Gefühl von Angst und Beklemmung in der Brust, erschwertes Sprechen, Stottern oder gänzliche Sprachlosigkeit, Umnebelung der Sinne, endlich gänzliche Bewußtlosigkeit, worauf nun der Betroffene zu Boden stürzt, zuckende Bewegungen macht oder auch regungslos liegen bleibt, unter lautem Schnarchen und Röcheln Athem holt, das Gesicht sich fast blauroth färbt, die Augen ein stieres, glotzendes Ansehen bekommen, der Mund verzerrt wird und sich mit Schaum bedeckt. Ein solcher Anfall tödtet entweder binnen wenigen Minuten oder Stunden oder geht unter allmäliger Rückkehr des Bewußtseins und Eintritt eines über den ganzen Körper verbreiteten reichlichen Schweißes wieder in Gesundheit über, meist jedoch mit Hinterlassung von Lähmung einzelner Theile des Körpers, so namentlich der Zunge, der Gliedmaßen, entweder der beiden obern oder der beiden untern, oder z.B. der rechten obern und der linken untern oder einer ganzen seitlichen Hälfte des Körpers, welche, wenn sie nicht binnen wenigen Stunden nach dem Anfalle verschwinden, meist unheilbar bleiben. Zuweilen wiederholen sich dergleichen Anfälle in den nächstfolgenden Tagen oder im glücklichern Falle nach längerer Frist, nach Monaten oder Jahren ein oder zwei Mal und dann gewöhnlich mit tödtlichem Ausgange. Im Allgemeinen ist das männliche Geschlecht dem Blutschlage beiweitem mehr ausgesetzt als das weibliche, namentlich gilt dies von Männern mittlern und höhern Alters, von kurzer, gedrungener Gestalt, großem Kopfe und dickem, kurzem Halse, zumal wenn sie eine mehr sitzende, mit geistiger Anstrengung verbundene Lebensweise führen, dabei reichlich und gut essen und trinken. Zu den Ursachen, welche am gewöhnlichsten den Blutschlag herbeiführen, gehören Vollblütigkeit im Allgemeinen, Unterdrückung naturgemäßer oder gewohnter Blutausleerungen, Beengung des Halses, der Brust und der Magengegend durch fest anliegende Kleidungsstücke, allzu reichliche Mahlzeiten und Schlafen nach denselben, Ausschweifungen in der Liebe und im Trunke, erschütternde Gemüthsbewegungen, große Geistesanstrengungen besonders zur Nachtzeit, Erkältung und Durchnässung der Füße, zu heißes und zu oft wiederholtes Baden, Gehirnentzündung, organische Fehler des Schädels, Gehirns Herzens u.s.w. Zuweilen ist die Anlage zum [83] Blutschlage in ganzen Familien heimisch. Ein schleunig anzustellender Aderlaß ist in der Regel das einzige Rettungsmittel. – Über den Wasserschlag siehe den Artikel Wassersucht. – Der sogenannte Nervenschlagfluß oder Nervenschlag, welcher zum Glück viel seltener vorkommt als der eben besprochene Blutschlag, beruht auf einer plötzlichen Lähmung und Hemmung der Nerventhätigkeit und wird hauptsächlich in Nervenkrankheiten und bei nervenschwachen Personen beobachtet. Der Anfall selbst erfolgt gewöhnlich plötzlich mit sofortigem Verschwinden des Bewußtseins, der Empfindung und willkürlichen Bewegung unter Eintritt von Zuckungen, Starrkrampf, Zittern, Verzerrung des Gesichts, Unfähigkeit zu sprechen, Starrheit des Blickes, allgemeiner Blässe und Kälte der Haut, wobei der Puls, statt voll und groß zu sein, klein und zusammengezogen erscheint. Selten wiederholt sich ein Nervenschlag, indem in der Regel schon der erste Anfall desselben schnell tödtlich endet. Wird er dies nicht, so hinterläßt er gern allerhand Krampfkrankheiten, anhaltendes Zittern und Lähmungen. Im Gegensatze zu dem Blutschlage beobachtet man den Nervenschlag häufiger bei dem weiblichen als bei dem männlichen Geschlecht. Eine besondere Geneigtheit zu demselben bedingen die sogenannte nervöse Körperconstitution, ein schwächlicher Körperbau, Ausbildung des Geistes auf Kosten des Körpers, überstandene oder noch vorhandene Nervenkrankheiten. Die nächste Veranlassung zum Eintritte eines Nervenschlages geben heftige Gemüthsbewegungen, große Erschöpfung, Schwächung durch allzu starken Blutverlust und andere Ausleerungen, Vergiftung durch narkotische Gifte. Zuweilen stellt sich ein Nervenschlag im Verlaufe bösartiger Wechsel- und Nervenfieber ein. Im Allgemeinen gestattet ein Nervenschlagfluß noch weit weniger Hoffnung zur Lebenserhaltung als ein Blutschlagfluß, indem bei ersterm von der Naturhülfe gar nichts zu erwarten ist. Auch bedarf es bei ihm belebender Mittel, während Blutentleerungen, die bei dem Blutschlagflusse das Hauptmittel sind, in der großen Mehrzahl der Fälle schaden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 83-84.
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