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Saturnus

Saturnus

[45] Saturnus, ursprünglich der altröm. Götterlehre angehörig, später für den griech. Kronos (Zeit) gesetzt und in diesen umgedeutet, war ein Sohn des Uranos und der Gäa und Gemahl der Rhea (s.d.).

Uranos und Gäa (Himmel und Erde) hatten sechs Titaniden erzeugt, von denen Kronos der jüngste war. Uranos kerkerte die Titaniden ein, weshalb Kronos, von der Mutter zur Rache aufgereizt, den Vater entmannte, die Brüder befreite und nachdem Uranos der Herrschaft entsetzt war, dieselbe einnahm. Er trat nun als Ordner der bis dahin ordnungslos waltenden Naturkräfte, als die die wilde Unendlichkeit gesetzmäßig eintheilende Zeit auf, und unter ihm existirte das zweite Welt- oder sogenannte goldene Zeitalter. Dieses brachte alle Erdenfrüchte freiwillig, ohne Anbau hervor, sodaß die Menschen das Glück höchster Freiheit und Mühelosigkeit genossen, und alle kommenden Geschlechter mit Sehnsucht nach diesem Ideal höchster Wünsche zurücksahen. Rhea gebar dem Kronos viele Söhne und Töchter, die er aber alle verschlang, weil er wußte, daß ihm von einem der Söhne Entthronung bevorstand. Nur Jupiter (s.d.) ward durch die List seiner Mutter gerettet und beraubte den S. nach zehnjährigem Kampfe der Herrschaft. Kronos wurde in den Tartarus verbannt und dann von Zeus als Beherrscher der Seligen anerkannt, deren Eiland man in den westl. Ocean verlegte. Hesperien (Westen) galt in der allerfrühesten Zeit für die Gegend, wo man sich Uranos herrschend dachte. Als man später aber das Land näher kennen lernte, sah man es als [45] den ehemaligen Sitz des verbannten Kronos und des goldenen Zeitalters an. So vermischte man nun die Idee des Kronos mit der dort existirenden von S., indem man Kronos, als des Reiches entsetzt und vor Zeus fliehend, Italien zu seinem Zufluchtsorte wählen und sich dort vor Jenem verbergen ließ, woher auch der alte Name Latium für einen Theil Italiens, von dem lat. Worte latere, verborgen sein oder sich verbergen, herrührt. Hier soll, nach der Sage, der uralte König Janus die Oberherrschaft mit ihm getheilt und S. auf dem spätern capitolinischen, früher saturnischen Hügel die Stadt Saturnia erbaut haben. Ihm war in Rom ein uralter Tempel geweiht, welcher auf dem Forum stand und in welchem man den öffentlichen Schatz und die wichtigsten Staatsurkunden aufbewahrte. Abgebildet wurde S. als Greis, in der Rechten eine Sichel oder Sense haltend, in der Linken ein Kind, das er zu verschlingen im Begriff ist. Statt dessen gab man ihm auch als Symbol der Zeit, deren Gott er war, eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt, und den Herrscherstab; dabei ist er geflügelt vorgestellt, oft mit einem Globus, in spätern Zeiten wol auch mit einer Sanduhr auf dem Scheitel. Ihm wurden alle wichtigen Erfindungen, welche sich auf richtige Zeitbeobachtung und Zeiteintheilung beziehen, zugeschrieben, als: die Einführung des Ackerbaues, das Säen, Düngen, Pfropfen der Bäume u.s.w., kurz alle Feld- und Gartenwirthschaft; so auch das Prägen des Erzes. Die Opfer, welche man ihm brachte, bestanden in Früchten und Schweinen. – Zum Andenken an die glückliche Zeit unter der Weltherrschaft des S. wurden bei den Römern die Saturnalien gefeiert. Dieses Fest dauerte anfänglich nur einen, dann drei, nachher fünf und unter den Cäsaren sieben Tage, vom 17.–23. Dec. Es begann, indem man die wollene Binde, mit welcher die Füße der Bildsäule des S. das ganze Jahr hindurch umschlungen waren, davon abnahm und eine große Menge Wachskerzen im Tempel des Gottes anzündete. Alles überließ sich während dieser Zeit der ungebundensten Freiheit. Die Sklaven waren frei und trugen als Zeichen der Freiheit den Hut, den purpurbesetzten Rock und die weiße Toga, wie ihre Herren. Sie saßen dann bei großen Gastmählern mit diesen an der Tafel und schmausten; oft wechselten sogar die Herren mit ihren Sklaven die Rollen und bedienten diese, ja unterwarfen sich lächerlichen Strafen, sobald sie dabei etwas versehen hatten. Überall herrschten Scherz, Freiheit und ausgelassene Lust; alle Privat- und öffentlichen Geschäfte ruhten; keine Todesstrafe wurde verhängt, kein Krieg angekündigt und alle Trauer war aufgehoben. Wo man sich begegnete, begrüßte man sich mit dem jauchzenden Zuruf: »Io Saturnalia! Bona Saturnalia!« So wurden auch während des Festes Gefangene in Freiheit gesetzt, die ihre Fesseln in den Tempeln des Gottes niederlegten. In den letzten Tagen des Festes beschenkte man sich gegenseitig, besonders mit kleinen Götterbildern, Sigilla, wonach man auch diese Tage Sigillarien nannte. Von dieser Sitte mögen sich unsere Weihnachtsgeschenke herschreiben, die man aus Freude über die Geburt Christi gibt; denn da das Weihnachtsfest in gleiche Zeit mit den Saturnalien fällt, so läßt sich leicht erachten, daß sich jener Gebrauch in den Zeiten, wo sich noch Heidenthum und Christenthum berührten, in letzteres übergetragen habe.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 45-46.
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