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Ludwig XIV.

Ludwig XIV.

[775] Ludwig XIV., von den Franzosen der Große genannt, König von Frankreich und Navarra 1643–1715, wurde am 5. Sept. 1638 geboren, nachdem seine Mutter, Anna von Östreich, bereits 22 Jahre in der Ehe gelebt und das Volk wie der Hof so lange vergeblich einen Thronerben ersehnt hatte. Man begrüßte ihn daher bei seiner Geburt als Dieu donné (der Gott-gegebene).

Als sein Vater starb, war er kaum fünf Jahre alt und seine Mutter übernahm die Vormundschaft, während Mazarin (s.d.) als erster Minister den Staat und die Erziehung des jungen Königs leitete. Auch nachdem 1651 L. mündig geworden war, blieb die Regierung thatsächlich in den Händen seiner Mutter und Mazarin's. In Folge des 1659 abgeschlossenen pyrenäischen Friedens vermählte sich L. mit der span. Infantin Maria Theresia und nachdem 1661 Mazarin gestorben war, übernahm L. die Zügel der Regierung, indem er keinen neuen ersten Minister ernannte. Seine ihm am nächsten stehenden Räthe waren der Staatssecretair Letellier und sein Sohn und Nachfolger Louvois, sowie Colbert, welcher alle Erwerbsquellen des franz. Volkes zu fördern verstand. Er war zunächst bemüht, das Ansehen Frankreichs nach außen zu befestigen und den Wohlstand seines Reichs im Innern zu vermehren, auch Ordnung in die Finanzen zu bringen. Nach dem Tode seines Schwiegervaters, des span. Königs Philipp IV., machte L., ohne das Recht auf seiner Seite zu haben, Anspruch auf die span. Niederlande; doch seine Absichten wurden durch das Bündniß, welches Holland mit England und Schweden einging, größtentheils vereitelt, obgleich L.'s Heere siegreich gekämpft hatten, und dieser mußte sich im Frieden von Aachen 1668 mit den eroberten niederländ. Plätzen begnügen. L. wußte nun jenes Bündniß aufzulösen und überzog Holland mit Krieg. Spanien, der deutsche Kaiser und Brandenburg standen Holland bei, und L. verlor in diesem Kriege seine beiden größten Feldherren, Turenne und Condé. Durch den Frieden von Nimwegen 1678 und 1679 gewann L. die Franche-Comté und 16 niederländ. Plätze. Hierauf setzte er in Metz und Breisach sogenannte Reunionskammern nieder, welche rechtlich entscheiden [775] sollten, welche Gebietstheile mit den abgetretenen Plätzen Frankreich zufielen. Dieselben brachten bedeutende Gebiete an Frankreich und 1681 brachte L. auch Strasburg in seine Gewalt. Ein 1684 mit Deutschland und Spanien auf 20 Jahre abgeschlossener Waffenstillstand befestigte ihn in seinen angemaßten Besitzungen. Nachdem 1683 Colbert gestorben war, begann Frankreich wieder zu sinken. Louvois, der Beichtvater Lachaise und die Maintenon, mit welcher L. seit 1683 nach dem Tode seiner Gemahlin heimlich vermählt war, beredeten den König, das Edict von Nantes, welches den Reformirten die Religionsfreiheit sicherte, 1685 aufzuheben und in Folge dieser unbesonnenen Handlung verließen 700,000 gewerbthätige Einwohner Frankreich und brachten franz. Industrie nach andern europ. Ländern. Ein neuer Krieg brach 1688 auf Louvois' Veranlassung gegen Deutschland, Holland, Spanien, Savoyen und England aus und endete erst 1697 mit dem ryswicker Frieden, durch welchen L. genöthigt wurde, alle reunirten Orte, sowie Breisach, Freiburg, Kehl und Philippsburg und die kleinern von Frankreich diesseit des Rheins errichteten Festungen herauszugeben. L. gab weniger der Macht seiner Gegner als der eignen Politik nach, indem er für seinen Enkel Philipp von Anjou auf die Erbfolge in Spanien hoffte. Karl II., König von Spanien, starb 1700 und hinterließ ein Testament, durch welches Philipp von Anjou als sein Nachfolger bezeichnet wurde. Die Verwirklichung dieses Testaments verfocht L. in dem span. Erbfolgekriege 1702–13. In diesem Kriege war er sehr unglücklich, doch nahm derselbe zuletzt noch eine für ihn günstige Wendung, und in Folge der Friedensschlüsse von Utrecht 1713, Rastadt und Baden 1714 wurde Philipp V., L.'s Enkel, als König von Spanien anerkannt, jedoch einer möglichen Vereinigung von Frankreich und Spanien für die Zukunft vorgebeugt, auch L. bestimmt, an England, Holland und Savoyen einige Abtretungen zu machen. Der größte Nachtheil aber war für L., daß alle seine und seines Landes Kräfte geschwächt waren, eine ungeheure Schuldenlast zusammengezogen und Colbert's Werk, der Wohlstand Frankreichs, vernichtet war. L. starb am 1. Sept. 1715. Er war seiner äußerlichen Erscheinung nach ein vollkommen schöner und durch anmuthige Würde imponirender Mann, und seine vorzüglichste Kunst war die, ausgezeichnete Menschen zu erkennen, in Dienst zu nehmen und sich zu verpflichten. Er hatte die ausgezeichnetsten Minister, Feldherren und Verkündiger seines Ruhms; denn er begünstigte Künste und Wissenschaften nicht nur innerhalb seiner Staaten, sondern ehrte auch auswärtige Künstler und Schriftsteller durch königl. Geschenke und andere Auszeichnungen. Man hat aus diesem Grunde sein Zeitalter als das der höchsten geistigen Blüte Frankreichs gepriesen (s. Französische Kunst, Literatur und Wissenschaft), und gewiß ist wenigstens, daß Frankreich niemals glänzender erschienen ist als unter L. XIV. Dieser Glanz schmeichelte den Franzosen und blendete das Ausland, sodaß franz. Sprache und Sitten unter den gebildeten Ständen aller europ. Völker Eingang fanden und die Franzosen lange Zeit als das gebildetste Volk anerkannt wurden. Die mächtigsten Triebfedern von L.'s Handlungsweise waren indeß Ruhmsucht, Herrschsucht und wenigstens zum Theil auch Bigoterie, und der despotische König wurde, ohne es zu wissen, nur zu häufig durch die List seiner Diener und die Intriguen seiner Geliebten bestimmt. Nachdem Colbert todt war, versiegten allmälig die Quellen, um die ungeheren Ausgaben zu bestreiten, welche L.'s Sucht zu glänzen und seine Heere nöthig machten, und da dennoch keine Einschränkungen erfolgten, vielmehr durch des Kriegsministers Louvois Ränke Frankreich in neue schwere Kriege verwickelt wurde, so war das endliche Resultat das Elend des franz. Voles, eine Schuldenlast von 2500 Mill. Livres und der Haß der Nachbarstaaten; denn die franz. Heere hatten nach Louvois' Anleitung mit schauderhafter Verheerungssucht überall gewirthschaftet, wo sie hingekommen waren. Durch treulose Politik, schmachvolle List und treffliche, stets schlagfertige Heere hatte L. Frankreich vergrößert, wie keiner seiner Vorgänger, aber endlich mußte er die meisten seiner angemaßten Besitzungen wieder herausgeben, ohne daß Frankreich in der Erwerbung Spaniens für Philipp V. eine Entschädigung fand. Auf diese Weise hat L. XIV. den Grund zu dem nachfolgenden Unglücke Frankreichs gelegt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 775-776.
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