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Erziehung

[692] Erziehung wird in Bezug auf Menschen die allmälige Heranbildung. des Kindes oder unmündigen Menschen zum mündigen und reisen, d.h. einem solchen genannt, dessen ursprüngliche Anlagen dergestalt entwickelt und ausgebildet sind, daß er selbständig für seine Fortbildung arbeiten kann. Diese Heranbildung wird theils durch die in dem jungen Menschen wirksame Natur, theils durch Alles befördert, was ihn umgibt und von außen zur Thätigkeit und Kraftübung anregt. Wollte man jedoch dabei den Zufall walten lassen, so würde der Mensch zwar körperlich gedeihen können, aber geistig sehr ungebildet bleiben; daher ist eine der menschlichen Natur gemäße, nach gewissen Regeln eingerichtete, absichtliche Einwirkung von Erwachsenen auf Kinder erfoderlich, um diese zu reisen Menschen zu bilden, und diese heißt vorzugsweise Erziehung. Sie muß naturgemäß sein, d.h. stets im Auge haben, daß der Mensch ein sinnlich vernünftiges freies Wesen, bestehend aus Leib und Seele ist und Geist und Körper ebenmäßig herangebildet werden sollen, und darf daher nicht maschinenartig, keine bloße Abrichtung oder Gewöhnung zu bestimmten Verrichtungen, sondern muß vernunftgemäß und zu freier Thätigkeit anregend eingerichtet sein, denn aus dem Kinde soll in aller Beziehung ein reifer Mensch werden, der in jedes menschliche Verhältniß eintreten kann. Ein wesentliches Mittel zu diesen Zwecken ist der Unterricht, der anregend, entwickelnd, bildend oder mit einem Worte erziehend eingerichtet und nicht blos berechnet sein soll, dem Gedächtnisse eine Menge Gegenstände einzuprägen. Die Erziehung beginnt mit der Geburt des Kindes und ist daher zuerst eine häusliche und körperliche, wird aber auch bald eine sittliche und geistige werden müssen, weil der Geist sehr frühzeitig im Kinde erwacht. Die erste Erziehung wird sehr natürlich von der Mutter und von den andern Umgebungen des Kindes ausgehen, welche absichtlich oder nicht dazu mitwirken. Eingetheilt wird die Erziehung in die körperliche (physische), geistige (intellectuelle), moralische oder sittliche, in die häusliche und öffentliche, und nur aus ihrer zweckmäßigen Verbindung geht eine vollkommene Erziehung hervor. Mit wissenschaftlicher Aufstellung der Regeln derselben beschäftigt sich die Erziehungswissenschaft, und die zweckmäßige Anwendung ihrer Lehren ist Sache der Erziehungskunst, [692] beide aber werden auch unter dem griech. Ausdrucke Pädagogik verstanden, und davon ein Erzieher auch Pädagog und eine Erziehungsanstalt, d.h. ein für die Erziehung der Jugend eingerichteter und bestimmter Ort, Pädagogium, wenn es jedoch dabei hauptsächlich auf Unterricht abgesehen ist, eine Schule genannt. Da die beste Erziehungsweise oder Methode die naturgemäßeste ist, jedes Kind aber etwas Eigenthümliches hat, so ist es eine Hauptaufgabe der Erziehungskunst, die von der Erziehungswissenschaft stets nur im Allgemeinen vorgezeichnete Methode auf das zu erziehende Kind passend anzuwenden, und der Erzieher wird daher nie derselben unbedingt folgen können. In neuerer Zeit haben sich von Deutschen als Erzieher und Schriftsteller über Erziehung unter Andern Basedow, Campe, Salzmann und Niemeyer (s.d.) große Verdienste erworben, und des Letztern »Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts« (3 Bde., 9. Aufl., Halle 1833) gehören zu den trefflichsten Anweisungen, wie der Mensch zur Reise und zum nützlichen Bürger herangebildet werden soll.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 692-693.
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