[go: up one dir, main page]

Fuhrwerk

[126] Fuhrwerk, der allgemeine Name aller Arten von Vorrichtungen, um auf dem Lande Lasten mit Ersparung an Kraft und mit erfoderlicher Bequemlichkeit fortzuschaffen. Im Allgemeinen kann man drei Arten unterscheiden: die Schleifen, die Fuhrwerke mit Rollen und die mit Rädern. Die Schleifen bestehen aus zwei miteinander fest verbundenen, gleichlaufenden länglichen (zuweilen unterwärts mit Eisenschienen belegten) Holzstücken, auf welche die Last entweder unmittelbar gepackt wird, oder auf denen ein Kasten zur Aufnahme derselben steht. Zu dieser Art von Fuhrwerk gehören alle Arten von Schlitten. Bei der Fortbewegung der Schleifen findet eine Reibung der untern Fläche an dem Boden statt, und diese ist es, welche durch die Zugkraft zu überwinden ist. Dieselbe ist um so größer, je bedeutender die Last ist, überdies aber hängt sie auch noch von der Beschaffenheit des Bodens ab. Ist dieser nämlich glatt, wie Eis und harter Schnee, oder eine mit Seife geschmierte Holzbahn, so ist die Reibung nur unbedeutend, sodaß bekanntlich die Schlitten, deren man sich auf Eisbahnen bedient, zu den leichtesten Fuhrwerken gehören. Nach Berechnung und Beobachtung ist der Widerstand eines Schlittens, der auf Eisenschienen geht, beim Fortgleiten auf einer Bahn von Eis oder gefrorenem Schnee ungefähr dreimal geringer, als der Widerstand eines Wagens auf einer chaussirten Straße. Bedeutende Reibung findet dagegen statt bei hölzernen Schleifen auf Steinpflaster und noch mehr auf einem nachgebenden Boden. In diesem Falle würde man stets mit größerm Vortheile eines Räderfuhrwerks sich bedienen, wenn nicht die Schleifen den Vorzug hätten, daß sie nur sehr niedrig zu sein brauchen und daher die Lasten mit Leichtigkeit auf sie aufgepackt und von ihnen abgepackt werden können. Daher benutzt man dieselben besonders zur Fortschaffung der Kaufmannsgüter auf kurze Strecken, der Sturmfässer u. dgl.

Wenn sehr schwere Lasten auf kurze Strecken fortgeschafft werden sollen, so bedient man sich der Rollen oder Walzen, welche entweder unter den schweren Gegenstand selbst, wenn dieser eine ebene Fläche darbietet, oder unter eine Holztafel gelegt werden, auf der die Last ruht. Damit die Walzen nicht in den Boden gedrückt werden, pflegt man Bahnen von Holzbohlen anzulegen, und so wie eine Walze, über welche die Last hinrollt, hinten vortritt, wird sie am vordern Theile wieder untergeschoben. Hier findet eine geringe Reibung statt, weil die Walze nur in wenigen Punkten die Unterlage berührt.

Am gewöhnlichsten und vortheilhaftesten sind die Räderfuhrwerke, welche man nach der Anzahl der Räder eintheilt. Einräderige Fuhrwerke heißen Schubkarren, zweiräderige Karren und drei-und vierräderige Wagen. Jedes Rad ist nichts Anderes, als eine bleibend mit dem Fuhrwerk verbundene Walze von geringer Breite, und besteht in der Regel aus einem von mehren Stücken, Felgen, gebildeten Kranze, der mit einem eisernen Reisen, Radreifen oder Radschiene, umgeben ist, und durch hölgerne [126] Stäbe, Speichen, mit dem Mittelstücke, der Nabe, in Verbindung steht. Diese ist ein cylinderförmiges Stück Holz, das in der Mitte entweder durchbohrt ist, um die Achse, einen vom Wagen ausgehenden Zapfen, aufzunehmen, oder selbst mit festen Zapfen versehen ist, welche sich in Lagern umdrehen. Bei einigen Fuhrwerken, namentlich den Eisenbahndampfwagen, stehen je zwei Räder durch eine in den Naben beider Räder festsitzende Achse in Verbindung und drehen sich sammt dieser in eine Hülse am Wagengestell um. In die Classe der Schubkarren gehören die Schiebtruhe und die Radbahre. Das Rad geht in der Mitte zwischen zwei Hebebäumen, in deren vordern Enden die Zapfenlager des Rades angebracht sind, während die beiden hintern durch den Kärrner getragen werden müssen. Liegt die Last über dem Rade, so hat der Kärrner wenig oder nichts von der Last zu tragen und nur die Reibung des Rades am Boden zu überwinden. Bei den (zweiräderigen) Karren muß die Last über die Achse gebracht werden, um welche sich beide Räder bewegen. Gewöhnlich spannt man ein Pferd in einer Doppeldeichsel vor diese Art von Fuhrwerk und läßt dann auf der Seite der Deichsel ein kleines Übergewicht, welches vom Pferde noch mitgetragen werden muß, außerdem daß es die Reibung der beiden Räder am Boden zu überwinden hat. Diese Karren haben vor vierräderigen Wagen den Vorzug, daß sie sich sehr schnell wenden lassen; doch werfen sie leicht um. Dreiräderige Wagen sind wenig oder gar nicht im Gebrauch. Zu den zwei- und dreiräderigen Fuhrwerken kann man die Draisinen rechnen, mit welche vor einigen Jahren viele Versuche angestellt wurden. Dieselben sollten zum Selbstfahren dienen, indem der Fahrende zwischen zwei oder drei Rädern ritt, sich, mit den Beinen gegen den Erdboden stoßend, fortschob und das vorderste Rad zum Lenken brauchte. Das Instrument blieb eine Spielerei, weil es durch die Unebenheiten der Wege unbrauchbar wird.

Am gebräuchlichsten von allen Fuhrwerken sind die vierräderigen Wagen, deren man sich sowol zu leichtem als schwerem Fuhrwerke bedient und die auf mannichfaltig verschiedene Weise gebaut werden. Bei einigen sind die Räder sämmtlich von gleicher Höhe; bei andern sind die Vorderräder viel kleiner als die Hinterräder und zwar so klein, daß sie beim Wenden des Wagens unter diesen treten können, der Wagen mithin auf dem möglich kleinsten Raume umgedreht werden kann. Bisweilen sind an den Rädern die Speichen so gestellt, daß sie nicht mit dem Radrande in eine Ebene fallen, sondern nach der Mitte zurücktreten, indem das ganze Rad einen abgestumpften Kegel bildet. Auch die Breite der Felgen ist sehr verschieden. Die schmalen Räder empfehlen sich für leichtes Fuhrwerk, weil sie den Boden nur in wenigen Punkten berühren, und daher auch nur geringe Reibung erzeugen. Bei schwerem Fuhrwerk schneiden aber schmale Räder zu tief ein und sind daher weniger brauchbar, als breite, welche gleich Walzen den Boden unter sich zusammendrücken, ohne einzuschneiden. In Bezug auf Form des Wagenkastens und Anbringung von Federn, um die Stöße in Wagen, welche zum Transport von Personen bestimmt sind, zu vermindern, herrscht eine unendliche Mannichfaltigkeit.

Der Gebrauch der Wagen ist sehr alt, doch bediente man sich ihrer im Alterthum weniger, als gegenwärtig. Gepäck brachte man häufiger auf Kameelen, Mauleseln, Pferden und andern Lastthieren fort, und die Menschen zogen das Reiten dem Fahren vor oder ließen sich in Sänften tragen. Dafür hatte man die Wagen im Kriege in einer Weise in Gebrauch, welche in unsern Zeiten gänzlich abgekommen ist. Die griech. Helden fuhren auf zweiräderigen Wagen in die Schlacht, die mit muthigen Rossen bespannt waren und auf denen der Streiter und sein Wagenlenker Platz hatten. Von hier aus schleuderte der Krieger seine Lanze gegen den Feind. Auch bei den Wettrennen bedienten sich die Griechen ähnlicher Wagen. Außerdem hatte man auch Sichelwagen, welche vorn mit Spießen, seitwärts und unten mit Sicheln versehen waren, von gepanzerten Pferden gezogen und losgelassen wurden, um die feindlichen Reihen zu durchbrechen. Die Römer hatten schon eine größere Mannichfaltigkeit von Wagen und dieselben gehörten bereits zu den Luxusartikeln. So bedienten sich die röm. Damen des Carpentum, die vornehmen Römer der Carruca. Jenes hatte zwei, diese vier Räder. Die alten Deutschen führten auf ihren Wanderungen alle ihre Habseligkeiten auf Wagen mit sich. Im Mittelalter bediente man sich anfangs nur der Rüstwagen und erst im 15. Jahrh. kamen die Kutschen auf. Staatswagen und Carrossen waren anfangs nur an Höfen üblich; aus ihnen entstanden mit Vervollkommnung des Postwesens die jetzt so bequem eingerichteten Postwagen und Diligencen. In den größern Städten fahren Wagen herum oder halten an bestimmten Plätzen, immer bereit, Personen aufzunehmen. So entstanden zuerst in Paris die Fiacres und Cabriolets, welche bald auch anderwärts nachgeahmt wurden. Größere Wagen, zu vielen Personen eingerichtet, mit langen Bänken zu beiden Seiten und oft mit vieler Eleganz gearbeitet, die sogenannten Omnibus, fahren zwischen bestimmten stark besuchten Orten in gewissen Stunden hin und her. Zur Classe der Omnibus gehören auch die in Paris gebräuchlichen Dames blanches, welche ganz weiß lackirt und ausgeschlagen und deren Pferde mit weißen Faden geschmückt sind, sowie die dreiräderigen Tricycles. Zu den leichten Fuhrwerken gehören die Chaisen, Droschken, Berlinen u.s.w., deren Form Gegenstand der Mode geworden ist. Auch die zweiräderigen Fuhrwerke hat man elegant, als Cabriolets, Gigs u.s.w. ausgeführt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 126-127.
Lizenz:
Faksimiles:
126 | 127
Kategorien:

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Geistliche Oden und Lieder

Geistliche Oden und Lieder

Diese »Oden für das Herz« mögen erbaulich auf den Leser wirken und den »Geschmack an der Religion mehren« und die »Herzen in fromme Empfindung« versetzen, wünscht sich der Autor. Gellerts lyrisches Hauptwerk war 1757 ein beachtlicher Publikumserfolg.

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon