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Bilanz nach fünf Jahren: Was hat der gesetzliche Mindestlohn gebracht?“

Author

Listed:
  • Andreas Knabe
  • Ronnie Schöb
  • Marcel Thum
  • Bruttel,Oliver
  • Benjamin Börschlein
  • Bossler Mario
  • Felix Pakleppa
  • Holger Bonin
  • Nico Pestel
  • Alexandra Fedorets
  • Marco Caliendo
Abstract
Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn. Welche Beschäftigungseffekte lassen sich nach fünf Jahren feststellen? Hat der Mindestlohn Arbeitsplätze gekostet, und wie viel Arbeitsvolumen ist durch den Mindestlohn verdrängt worden? Welche Anpassungskanäle wurden von den Unternehmen genutzt, um Entlassungen zu vermeiden? Konnte die Zahl der Transferempfänger und das Armutsrisiko reduziert werden? Wird die Coronakrise zum Stresstest für den Mindestlohn? Unsere Autoren diskutieren über Antworten auf diese Fragen. Andreas Knabe, Universität Magdeburg, Ronnie Schöb, Freie Universität Berlin, und Marcel Thum, ifo Institut und TU Dresden, zeigen, dass ein großer Teil der bisher vorliegenden Evaluationsstudien zu den Wirkungen des Mindestlohns negative Beschäftigungseffekte finden, wobei diese primär bei den geringfügig Beschäftigten auftreten. Füge man diese Ergebnisse, die auf ein durch den Mindestlohn leicht gebremstes Jobwachstum hindeuten, mit den Erkenntnissen über die Reduzierungen der Arbeitsstunden zusammen und rechnet den Verlust an Arbeitsvolumen in Arbeitsplätze um, ergeben sich Beschäftigungsverluste im mittleren sechsstelligen Bereich. Nach Ansicht von Oliver Bruttel, Mindestlohnkommission, hat die Einführung des Mindestlohns kaum negative Beschäftigungseffekte. Den Betrieben steht aber eine Vielzahl an Anpassungskanälen, wie z.B. Veränderung der Arbeitszeit, der Preise oder der Produktivität, zur Verfügung, durch die sie die gestiegenen Lohnkosten ausgleichen können. Benjamin Börschlein und Mario Bossler Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg, sehen ebenfalls nur sehr geringe negative Beschäftigungseffekte durch den Mindestlohn. Die Einführung des Mindestlohns konnte aber auch das Armutsrisiko nicht vermindert. Allerdings habe er zur Verringerung der Ungleichheit beigetragen und sollte als politisches Instrument verwendet werden, um diskriminierend niedrige Löhne zu verhindern. Nach Ansicht von Felix Pakleppa, Zentralverband Deutsches Baugewerbe, hat der gesetzliche Mindestlohn die Erwartungen nicht erfüllt. Es gebe kaum ein Gesetz, das für das Baugewerbe so überflüssig sei wie das Mindestlohngesetz, denn der Bau-Mindestlohn liege weit über dem Niveau des gesetzlichen Mindestlohns. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns habe für die Unternehmen des Baugewerbes erst einmal mehr Bürokratie verursacht. Holger Bonin und Nico Pestel, Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), Bonn, sehen nach wie vor Beschäftigungsrisiken durch den Mindestlohn. Die Arbeitgeber hätten zwar auf die Mindestlohneinführung kaum mit vermehrten Entlassungen reagiert, zeigten allerdings in der Tendenz mehr Zurückhaltung bei Neueinstellungen. Auch könnten sich negative Beschäftigungseffekte des Mindestlohns noch nicht voll ausgeprägt haben, da die Einführung mitten in eine lang anhaltende Boomphase der deutschen Wirtschaft fiel. Die Corona-Rezession werde zum Stresstest für den Mindestlohn. Mit Blick auf die Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschlands schlagen die Autoren eine regionale Differenzierung bei der Weiterentwicklung des Mindestlohns vor. Alexandra Fedorets, DIW Berlin, sieht die Einführung des Mindestlohns insgesamt positiv. Sie habe Potenzial für die langfristige Verwirklichung einer „High-Road“-Strategie – mit höherer Produktivität, höherer Bezahlung, höheren Preisen und einer höheren Qualität von Waren und Dienstleistungen. Dies setze allerdings auch eine entsprechende Weiterqualifizierung von Arbeitskräften voraus. Marco Caliendo, Universität Potsdam, zeigt, dass mit der Einführung des Mindestlohns einiges erreicht, aber wesentliche Ziele verfehlt wurden. Die Löhne im unteren Bereich seien zwar gestiegen, ohne dass es zu einem größeren Abbau an Beschäftigung gekommen sei. Gleichzeitig sei der Mindestlohn in vielerlei Hinsicht nicht existenzsichernd und werde nicht vollumfänglich durchgesetzt. Für die Politik bestehe weiterhin Handlungsbedarf.

Suggested Citation

  • Andreas Knabe & Ronnie Schöb & Marcel Thum & Bruttel,Oliver & Benjamin Börschlein & Bossler Mario & Felix Pakleppa & Holger Bonin & Nico Pestel & Alexandra Fedorets & Marco Caliendo, 2020. "Bilanz nach fünf Jahren: Was hat der gesetzliche Mindestlohn gebracht?“," ifo Schnelldienst, ifo Institute - Leibniz Institute for Economic Research at the University of Munich, vol. 73(04), pages 03-28, April.
  • Handle: RePEc:ces:ifosdt:v:73:y:2020:i:04:p:03-28
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    References listed on IDEAS

    as
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    Citations

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    Cited by:

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    1. Bossler, Mario & Gürtzgen, Nicole & Lochner, Benjamin & Betzl, Ute & Feist, Lisa & Wegmann, Jakob, 2018. "Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf Betriebe und Unternehmen," IAB-Forschungsbericht 201804, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg [Institute for Employment Research, Nuremberg, Germany].
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    4. Pestel, Nico & Bonin, Holger & Isphording, Ingo E. & Gregory, Terry & Caliendo, Marco, 2020. "Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf Beschäftigung und Arbeitslosigkeit," IZA Research Reports 95, Institute of Labor Economics (IZA).
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    10. repec:ces:ifodic:v:16:y:2019:i:4:p:50000000004802 is not listed on IDEAS
    11. Caliendo, Marco & Wittbrodt, Linda, 2022. "Did the minimum wage reduce the gender wage gap in Germany?," Labour Economics, Elsevier, vol. 78(C).
    12. Mario Bossler & Michael Oberfichtner & Claus Schnabel, 2020. "Employment Adjustments Following Rises and Reductions in Minimum Wages: New Insights From a Survey Experiment," LABOUR, CEIS, vol. 34(3), pages 323-346, September.
    13. Bruttel, Oliver, 2019. "The effects of the new statutory minimum wage in Germany: a first assessment of the evidence," Journal for Labour Market Research, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg [Institute for Employment Research, Nuremberg, Germany], vol. 53(1), pages 1-10.
    14. Bossler, Mario & Gürtzgen, Nicole & Lochner, Benjamin & Betzl, Ute & Feist, Lisa, 2018. "The German minimum wage: Effects on business expectations, profitability, and investments," FAU Discussion Papers in Economics 13/2018, Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg, Institute for Economics.
    15. Ingwersen, Kai & Thomsen, Stephan L., 2022. "Minimum Wage in Germany: Countering the Wage and Employment Gap between Migrants and Natives?," IZA Discussion Papers 15823, Institute of Labor Economics (IZA).
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    18. Kunaschk, Max, 2024. "The effects of minimum wages on employment and prices—Evidence from the hairdressing sector," Labour Economics, Elsevier, vol. 88(C).
    19. Sebastian Link, 2019. "The Price and Employment Response of Firms to the Introduction of Minimum Wages," CESifo Working Paper Series 7575, CESifo.
    20. Teresa Backhaus & Kai-Uwe Müller, 2019. "Does the German Minimum Wage Help Low Income Households?: Evidence from Observed Outcomes and the Simulation of Potential Effects," Discussion Papers of DIW Berlin 1805, DIW Berlin, German Institute for Economic Research.
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    Mindestlohn; Lohnpolitik; Arbeitsmarkt; Beschäftigungseffekt; Unternehmen;
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    JEL classification:

    • J31 - Labor and Demographic Economics - - Wages, Compensation, and Labor Costs - - - Wage Level and Structure; Wage Differentials
    • L26 - Industrial Organization - - Firm Objectives, Organization, and Behavior - - - Entrepreneurship

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