Weiten-Gesäß
Weiten-Gesäß ist ein Stadtteil von Michelstadt im südhessischen Odenwaldkreis.
Weiten-Gesäß Stadt Michelstadt
| |
---|---|
Koordinaten: | 49° 42′ N, 9° 3′ O |
Höhe: | 312 m ü. NHN |
Fläche: | 11,85 km²[1] |
Einwohner: | 981 (30. Juni 2023) [2] |
Bevölkerungsdichte: | 83 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 1. Oktober 1971 |
Postleitzahl: | 64720 |
Vorwahl: | 06061 |
Geografische Lage
BearbeitenWeiten-Gesäß liegt inmitten der Wälder nordöstlich der Kernstadt Michelstadt in Südhanglage am Waldbach am Fuße eines gerodeten Bergrückens. Der Waldbach fließt durch den Schlehengrund nach Nordwesten in Richtung Zell im Odenwald der Mümling zu. Im Osten reichen große Waldgebiete über den 449 Meter hohen Katzenbuckel bis zum Eulbacher Park, wo mit über 500 Meter die höchste Erhebung der Gemarkung liegt. Im Gottwald westlich des Waldbachs liegt in einer eigenen Rodung der Heuberger Hof, als Forsthaus Habrich bis vor wenigen Jahren noch Sitz eines Revierförsters.
Geschichte
BearbeitenOrtsgeschichte
BearbeitenDie älteste, erhalten gebliebene urkundliche Erwähnung als Widengesehez datiert von 1113.
Weiten-Gesäß gehörte zum Amt Fürstenau der Grafschaft Erbach-Fürstenau, die mit der Mediatisierung 1806 Teil des Großherzogtums Hessen wurde. Ab 1822 gehörte Weiten-Gesäß zum Landratsbezirk Erbach, ab 1852 zum Kreis Erbach (ab 1939: „Landkreis Erbach“), der – mit leichten Grenzberichtigungen – seit 1972 Odenwaldkreis heißt. Nach Auflösung des Amtes Fürstenau 1822 und Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung, nahm die erstinstanzliche Rechtsprechung für Weiten-Gesäß das Landgericht Michelstadt wahr, ab 1879 das Amtsgericht Michelstadt.
Hessische Gebietsreform (1970–1977)
Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Weiten-Gesäß zum 1. Oktober 1971 auf freiwilliger Basis in die Stadt Michelstadt eingemeindet.[3][4] Wie für jeden Michelstädter Stadtteil wurde ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung eingerichtet.[5]
Verwaltungsgeschichte im Überblick
BearbeitenDie folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Weiten-Gesäß angehört(e):[1][6][7]
- vor 1806: Heiliges Römisches Reich, Grafschaft Erbach (Erbach-Fürstenauer Linie), Amt Fürstenau
- ab 1806: Großherzogtum Hessen (Souveränitätslande),[Anm. 2] Fürstentum Starkenburg, Amt Fürstenau (zur Standesherrschaft Erbach gehörig)
- ab 1815: Großherzogtum Hessen[Anm. 3] (Souveränitätslande), Provinz Starkenburg, Amt Fürstenau (zur Standesherrschaft Erbach gehörig)
- ab 1820: Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, standesherrliches Amt Fürstenau
- ab 1822: Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Landratsbezirk Erbach[Anm. 4]
- ab 1848: Großherzogtum Hessen, Regierungsbezirk Erbach
- ab 1852: Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Erbach
- ab 1871: Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Erbach
- ab 1918: Deutsches Reich (Weimarer Republik), Volksstaat Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Erbach
- ab 1938: Deutsches Reich, Volksstaat Hessen, Landkreis Erbach[8][Anm. 5]
- ab 1945: Amerikanische Besatzungszone,[Anm. 6] Groß-Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Kreis Erbach
- ab 1946: Amerikanische Besatzungszone, Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Erbach
- ab 1949: Bundesrepublik Deutschland, Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Erbach
- ab 1971: Bundesrepublik Deutschland, Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Erbach, Stadt Michelstadt[Anm. 7]
- ab 1972: Bundesrepublik Deutschland, Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Odenwaldkreis, Stadt Michelstadt
Bevölkerung
BearbeitenEinwohnerstruktur
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Weiten-Gesäß 951 Einwohner. Darunter waren 12 (1,3 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 189 Einwohner unter 18 Jahren, 387 zwischen 18 und 49, 222 zwischen 50 und 64 und 186 Einwohner waren älter.[9] Die Einwohner lebten in 393 Haushalten. Davon waren 84 Singlehaushalte, 144 Paare ohne Kinder und 123 Paare mit Kindern, sowie 36 Alleinerziehende und 3 Wohngemeinschaften. In 81 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 264 Haushaltungen lebten keine Senioren.[9]
Einwohnerentwicklung
Weiten-Gesäß: Einwohnerzahlen von 1829 bis 2017 | ||||
---|---|---|---|---|
Jahr | Einwohner | |||
1829 | 463 | |||
1834 | 585 | |||
1840 | 659 | |||
1846 | 777 | |||
1852 | 801 | |||
1858 | 763 | |||
1864 | 657 | |||
1871 | 647 | |||
1875 | 641 | |||
1885 | 612 | |||
1895 | 610 | |||
1905 | 658 | |||
1910 | 649 | |||
1925 | 588 | |||
1939 | 588 | |||
1946 | 734 | |||
1950 | 718 | |||
1956 | 622 | |||
1961 | 661 | |||
1967 | 717 | |||
1970 | 758 | |||
1980 | ? | |||
1990 | ? | |||
2000 | ? | |||
2011 | 981 | |||
2017 | 1.017 | |||
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[1]; Stadt Michelstadt[2]; Zensus 2011[9] |
Religionszugehörigkeit
- 1961: 536 evangelische (= 81,06 %), 115 katholische (= 17,40 %) Einwohner[1]
Sehenswürdigkeiten und Kultur
BearbeitenDas Forsthaus Habrich, heute: Heuberger Hof, ein 1863 vom Grafen Eberhard zu Erbach-Erbach gegründetes herrschaftliches Hofgut, eine große vierseitige Anlage, ist als Sachgesamtheit Kulturdenkmal.[10]
- Kulturdenkmäler
In der Liste der Kulturdenkmäler in Michelstadt sind für Weiten-Gesäß vier Kulturdenkmäler aufgeführt.
- Dolles Dorf
Seit dem 26. Januar 1995 wird wöchentlich in der hessenschau ein hessisches Dorf, das zum Zeitpunkt vor der Gebietsreform unter 2.000 Einwohner hatte, für Sendung am folgenden Samstag ausgelost und von einem Reportageteam des Hessischer Rundfunks vorgestellt. Am 22. Februar 2024 wurde Weiten-Gesäß als „Dolles Dorf“ aus den 900 Karten der Lostrommeln gezogen.[11]
- Ortsteile
Im Jahre 2001 wurde die Agendagruppe Weiten-Gesäß auf Anregung der Initiative der UNO zur nachhaltigen Entwicklung im 21. Jahrhundert gegründet. Die Gruppe brachte an verschiedenen Stellen Schilder mit alten und noch geläufigen „Ortsteilbezeichnungen“ an. Mittig des weitläufigen Ortsgebiets liegt das Middeldorf (Mitteldorf, Mittelweg – Schneiderweg – Postweg – Kronenweg). Oberhalb befindet sich das Owwerndorf (Oberdorf, Dorfstraße von der Freiburgstraße bis zur Kirche) mit der Kreizgasse, dem früheren Zentrum mit Wirtschaft, Bäcker, Metzger, Schneider, Schuster. Im weiteren Verlauf der Dorfstraße durch das Unnerndorf (Unterdorf) erreicht man die Hoffad (Hofreite, Dreiseithof).
Von der Hoffad zweigt nordwestlich in den Momarter Weg und Am Schmalberg das Neistedtl ab. Hier stand im Jahre 1752 nur ein Haus, 1865 waren es bereits fünf Häuser. Dieses Neudorf wurde übertrieben als Neistedtl (Neustädtchen) bezeichnet. Südlich davon liegt der Flur und Siedlungsteil Litzert. Nördlich des Neustedl im weiteren Verlaufe des Momarter und Mittelwegs ist der Ortsteil Schmoalmisch (Schmalberg), nach dem gleichnamigen Flur benannt. Der Bereich der Eichenstraße zum Schmalberg, nördlich des Middeldorfs, wird nach dem Flurnamen als Am Bäisch (Am Berg) bezeichnet. Der Straßenzug Freiburgstraße, der im Osten an der Freibeusch (Freiburg) mit dem Müllerweg abschließt, nannt man Uff de Häih (Auf der Höhe). Hier stand im Jahre 1752 mit Sandstein gemauertes einzelnes Haus „wie eine Burg“ eines „freien Bauers“.[12][13][14]
Verkehr und Infrastruktur
BearbeitenWeiten-Gesäß liegt an der Kreisstraße K 92, die von der südwestlich gelegenen Kernstadt Michelstadt über die Sattelhöhe am Weiten-Gesäßer Berg kommt und durch das Waldbachtal hinunter nach Zell im Odenwald im Nordwesten führt.
Weblinks
Bearbeiten- Stadtteil Weiten-Gesäß. In: Webauftritt der Stadt Michelstadt.
- Weiten-Gesäß, Odenwaldkreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Literatur über Weiten-Gesäß nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie
Anmerkungen und Einzelnachweise
BearbeitenAnmerkungen
- ↑ Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung waren die Ämter und frühen Gerichte sowohl Gericht als auch Verwaltungsorgan.
- ↑ Mediatisierung infolge der Rheinbundakte.
- ↑ Das Großherzogtum Hessen war von 1815 bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes. Ein Staatenbund ehemaliger Territorien des Heiligen Römischen Reichs. Er gilt als gescheiterter Versuch einer erneuten Reichsgründung.
- ↑ Trennung zwischen Justiz (Landgericht Michelstadt) und Verwaltung.
- ↑ Im Zuge der Gebietsreform 1938 wurde die Provinz Starkenburg aufgelöst.
- ↑ Infolge des Zweiten Weltkriegs.
- ↑ Am 1. Oktober 1971 als Ortsbezirk zur Stadt Michelstadt.
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f Weiten-Gesäß, Odenwaldkreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 1. März 2022). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ a b Zahlen und Fakten. In: Webauftritt. Stadt Michelstadt, abgerufen am 10. Juli 2024.
- ↑ Gemeindegebietsreform in Hessen: Zusammenschlüsse und Eingliederungen von Gemeinden vom 17. September 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr. 39, S. 1603, Punkt 1320; Abs. 18. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 9,2 MB]).
- ↑ Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 358 (Digitalisat in: Statistische Bibliothek des Bundes und der Länder [PDF]).
- ↑ Hauptsatzung. (PDF; 160 kB) § ? In: Webauftritt. Stadt Michelstadt, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 21. Januar 2021; abgerufen im Januar 2021.
- ↑ Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
- ↑ Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 1. Großherzoglicher Staatsverlag, Darmstadt 1862, OCLC 894925483, S. 43 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr. 8, S. 121 ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2 MB]).
- ↑ a b c Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,8 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 38 und 92, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 11. Juli 2021 .
- ↑ denkmalpflege-hessen: Heuberger Hof
- ↑ Hessenschau Programmvorschau: Das dolle Dorf der Woche: Weiten-Gesäß im Odenwald. Hessischer Rundfunk, 24. Februar 2024, abgerufen am 24. Februar 2024.
- ↑ Günther Groh: Wo ein freier Bauer im Odenwald in einer Burg wohnte. In: Darmstädter Echo. Darmstadt 11. Oktober 2022.
- ↑ Weiten-Gesäßer Ortsteile. Agendagruppe Weiten-Gesäß, abgerufen am 5. März 2024.
- ↑ Flurnamen in Weiten-Gesäß. Historisches Ortslexikon für Hessen (Stand: 5. März 2024). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 5. März 2024.