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Samuel Lublinski

deutscher Schriftsteller, Kritiker und Religionsphilosoph (1868–1910)

Samuel Lublinski (* 18. Februar 1868 in Johannisburg, Ostpreußen; † 26. Dezember 1910 in Weimar) war ein vor allem in Berlin wirkender deutscher Schriftsteller, Literarhistoriker, Kritiker und Religionsphilosoph. Er gilt als Pionier der Literatursoziologie in Deutschland.[1]

Julius Tischmeyer: Samuel Lublinski

Samuel Lublinski entstammte einer deutsch-jüdischen Familie und war Sohn eines Kaufmanns. Er war viele Jahre lang als Buchhändler tätig und verfasste in dieser Zeit eine mehrbändige Literaturgeschichte, die sich mit der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts befasste und besonders deren politisch-soziale Aspekte analysierte (Litteratur und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, 1899 f.).

Spätestens seit 1900 widmete er sich ganz seinen schriftstellerischen Neigungen, wurde ein bekannter Kritiker und versuchte sich gleichzeitig als klassizistischer Dramatiker. Die Bilanz der Moderne (1904) und Der Ausgang der Moderne (1909) waren seine persönlichen Abrechnungen mit Naturalismus und Neuromantik.

Eine gewisse religionshistorische Bedeutung erlangten seine Theorien zum Jesus-Mythos (Lublinski bestritt die Existenz Jesu), die er aus einer Verschmelzung des Spätjudentums mit orientalischen und hellenistischen Mysterienkulten herleiten wollte (Die Entstehung des Christentums ... und Das werdende Dogma ... , beide 1910).

Samuel Lublinski war zunächst überzeugter Anhänger des Zionismus und in den ersten Jahren ständiger Mitarbeiter der Welt (Pseudonym: Salomo Liebhardt), zog sich dann aber von der Mitarbeit an der Welt zurück, als er gewahr wurde, dass er „mehr Deutscher als Vollblutjude“ sei; er fühlte sich „aus psychischem Zwang als Deutscher“, nicht aus „theoretischer Überzeugung“, blieb dem Zionismus gegenüber positiv eingestellt, schloss für sich aber aus, jemals nach Palästina gehen zu können. Andererseits wollte er sich aber auch nicht assimilieren (Briefe an Theodor Herzl vom 22. und 26. Mai 1899). Seit 1901 allerdings bekannte er sich zur Assimilation.

Als einer der ersten erkannte er die literarische Bedeutung von Thomas Manns Roman Buddenbrooks. Im Berliner Tageblatt vom 13. September 1902 schrieb er, dass dieses Buch ein unzerstörbares Buch bleiben werde, das, allmählich und unwiderstehlich überwältigend, mit der Zeit wachsen und noch von vielen Generationen gelesen werden werde.

Mit einer äußerst scharfen Satire,[2] die den Kritiker Samuel Lublinski, von seiner wenig schönen äußeren Gestalt ausgehend, zu vernichten suchte und auf die Thomas Mann beinahe ebenso scharf reagierte, hatte Theodor Lessing 1910 einen Literaturskandal verursacht.[3]

Werke (Auswahl)

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  • Der Antisemitismus, 1896[4]
  • Jüdische Charaktere bei Grillparzer, Hebbel und Otto Ludwig. Litterarische Studien, Cronbach, Berlin 1899. (Digitalisat)
  • Litteratur und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, 4 Bände. Cronbach, Berlin 1899–1900.
  • Charles Darwin. Eine Apologie und eine Kritik, Leipzig o. J. (ca. 1900) (Digitalisat)
  • Der Imperator. Trauerspiel in fünf Aufzügen. 1901 (Tragödie)
  • Gescheitert, 1901 (Novellen)
  • Die Entstehung des Judentums. Eine Skizze, Berlin 1903
  • Die Bilanz der Moderne, Berlin 1904 (Nachdruck herausgegeben von Gotthart Wunberg bei Niemeyer, Tübingen 1974, ISBN 3-484-19029-9)
  • Vom unbekannten Gott. Ein Baustein, Dresden 1904
  • Friedrich Schiller. Seine Entstehung und seine Zukunft, Berlin o. J. (1905)
  • Peter von Russland, 1906 (Tragödie)
  • Die Humanität als Mysterium, Jena 1907
  • Gunther und Brunhild, Berlin 1908 (Drama)
  • Shakespeares Problem im Hamlet, Leipzig 1908
  • Der Ausgang der Moderne. Ein Buch der Opposition, Dresden 1909 (Nachdruck herausgegeben von Gotthart Wunberg bei Niemeyer, Tübingen 1976, ISBN 3-484-19040-X)
  • Die Entstehung des Christentums aus der antiken Kultur, Jena 1910
  • Das werdende Dogma vom Leben Jesu, Jena 1910
  • Falsche Beweise für die Existenz des Menschen Jesus, Leipzig 1910
  • Kaiser und Kanzler, Leipzig 1910 (Tragödie)
  • Teresa und Wolfgang, Berlin 1912
  • Nachgelassene Schriften, München 1914

Literatur (Auswahl)

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  • Kirstin von Glasow: Lublinski, Samuel. In: Andreas B. Kilcher (Hrsg.): Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Metzler, Stuttgart/Weimar 2000, ISBN 3-476-01682-X, S. 401–403 (dort weitere Literatur genannt).
  • Renate Heuer: Lublinski, Samuel. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 15, Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-00196-6, S. 266 f. (Digitalisat).
  • Theodor Lessing: Samuel zieht die Bilanz und Tomi melkt die Moralkuh oder Zweier Könige Sturz. Eine Warnung für Deutsche, Satiren zu schreiben. Von Theodor Lessing. Mit Literarischen Beiträgen von Thomas Mann, Samuel Lublinski und den vierzig sittlichsten deutschen Dichtern und Denkern. Verlag des Antirüpel, Hannover 1910 (PDF auf Commons)
  • Christine Magerski: Beobachter der Moderne: Samuel Lublinski. In: Zagreber Germanistische Beiträge, Heft 19/2010, S. 1–26.
  • Salomon Wininger, Große Jüdische National-Biographie, Bd. IV, S. 195
  • Jüdisches Lexikon. Bd. III, Berlin 1927, S. 1241

Einzelnachweise

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  1. Christine Magerski: Die Konstituierung des literarischen Feldes in Deutschland nach 1871. Berliner Moderne, Literaturkritik und die Anfänge der Literatursoziologie. Niemeyer, Tübingen 2004, ISBN 3-484-35101-2, S. 95–125.
  2. Samuel zieht die Bilanz und Tomi melkt die Moralkuh oder Zweier Könige Sturz. Eine Warnung für Deutsche, Satiren zu schreiben. Von Theodor Lessing. Mit Literarischen Beiträgen von Thomas Mann, Samuel Lublinski und den vierzig sittlichsten deutschen Dichtern und Denkern, Verlag des Antirüpel, Hannover 1910
  3. In seiner Erwiderung auf Lessing - hier zitiert nach Hans Eggert Schröder, Theodor Lessings autobiographische Schriften. Ein Kommentar, Bonn 1970, Seite 61 (vgl. S. 125 f.) - hatte Thomas Mann an verschiedenen Stellen ausgeführt: „Da wird uns eine ‚kleine, kugelige Gestalt‘, ein ‚gestikulierendes‘, ‚purzelndes‘ Etwas auf ‚kurzen, fahrigen Beinchen‘ sichtbar zu machen gesucht, ein ‚fettes Synagöglein‘, das sein ‚schwammiges Bäuchlein wie die Apsis weit in die Aussenwelt hineinstreckt‘, ein ‚Männlein‘, das ‚nicht sieht, nicht hört, nicht schmeckt, nicht riecht‘, sondern nur ‚redet und schreibelt‘, ein ‚Gebürtchen‘, ‚sich gar naiv ins Zimmer mauschelt‘, mit den Beinchen ‚mauschelt‘, ‚Wortwürmlein‘ nach rechts und links fallen lässt, und dessen Wiege zu ‚Pinne in Posen‘ oder zu Johannesburg gestanden habe, - Herr Lessing wisse das nicht so genau. Dies ‚knixende‘, ‚watschelnde‘, ‚tröpfelnde‘ und immer wieder mauschelnde ‚Gebürtchen‘ oder ‚Talmudgebürtchen mit hypertrophisch entarteten Schreib- und Redezentren‘, das ‚sein liebes Väterchen an einem schönen Schabbes aus Versehen statt eines rabbinischen Traktätchens erzeugt‘ habe, und das von seinem Schwesterchen gepäppelt, an den hohen Feiertagen wohl auch einmal gewaschen werde - es ‚käut‘, ‚speit‘ und ‚kollert‘ ‚Literatur‘; es gibt ‚ein Literaturfontänchen‘, ‚Spruchbänder‘ von sich mit ‚Symbolismus‘, ‚Neuromantik‘, ‚Idealismus‘, mit ‚Differenziertheit‘, ‚eigene Note‘ und ‚Persönlichkeit‘, mit ‚Erdscholle‘, ‚Wurzelständigkeit‘ und ‚Lokalkolorit‘, es ‚schnüffelt nach literarischen Gelegenheiten, an denen es sein Wasser abschlagen‘ könne, es ‚hebt das literarische Beinchen‘, um Ibsen, ‚den Magus aus Norden‘ und ‚Bismarck die Eiche im Sachsenwald‘ zu nennen; ... So geht es mit läppischen Diminutiven, mit heinelnden ‚gar sehr‘, ‚gar wohl‘ und ‚gar gern‘ mit stumpfsinnig-unermüdlichen Wiederholungen des Wortes ‚mauscheln‘ acht Seiten lang fort. ... Das Ganze aber, gibt Herr Lessing uns zu verstehen, sei erstens das Porträt des Herrn Samuel Lublinski und bedeute darüber hinaus den ‚schreibenden Typus‘, den Herr Lessing den ‚esprit-jüdischen‘ nenne.“
  4. Provozierte 1897 eine Erwiderung Achad Haams, der Lublinskis Standpunkt als jüdischen „Nationalismus zum Zwecke der Assimilation“ bezeichnete (Haschiloach, 1897).