Die Maria-Hilf-Kapelle steht beim alten Schützenhaus von Beromünster im Kanton Luzern in der Schweiz. Sie markierte wie die Mooskapelle die Grenze des pröpstlichen Bussenkreises vom Stift Beromünster. Nach dem Amtsbuch von 1580 (Art. 63) sollen Propst und Landvogt diese in Ehren und guetem Buw erhalten. Die Maria Hilf Kapelle ist im Denkmalverzeichnis des Kanton Luzern als schützenswerter Bau eingestuft und ist als archäologische Fundstelle markiert.[1]
Geschichte
BearbeitenHier war früher eine Richtstätte. Wenn ein Todesurteil gefällt wurde, läutete man mit der grossen Glocke ein guet Zeichen. Der Verurteilte durfte bei der Maria-Hilf-Kapelle sein letztes Gebet verrichten und ein letztes Mal beichten, dann wurde das Urteil vollzogen. Im Mittelalter fand das Blutgericht häufig bei einer Linde statt. Auch bei der Maria-Hilf-Kapelle steht heute noch eine Gerichtslinde.
Die heutige Kapelle wurde 1677 gebaut. 1690 beschwerte sich das Stift Münster, weil Leutpriester Amstein hier sein Wappen ohne Erlaubnis anbringen liess. 1707 bis 1714 wurde die Kapelle etwas vergrössert und für Bauarbeiten und Ausschmückung 164 Gulden ausgegeben. Möglicherweise entstand damals die grosse Rundbogenöffnung mit geflammtem Eisengitter. Von der neubarocken Renovation von 1911 stammt die Kassettendecke, die Farbgebung und die untere Altarverkleidung.
Das Kleinod der Kapelle bildet der Barockaltar mit seinen 14 Heiligenfiguren, die die Maria-Hilf-Statue in der Mitte umgeben. Die Bankreihen unter freiem Himmel sind in der Region einzigartig.
Die Kapelle hiess auch Armensünder- oder Schützenkapelle.[2][3][4][5][6]
Blutgerichtsbarkeit zu Münster
BearbeitenBis zum Jahr 1798 wurden in Münster Todesurteile gefällt. Das Gericht tagte bei der Maria-Hilf-Kapelle ausserhalb des Dorfes.
Bis zum Untergang der Feudalherrschaft nach der französischen Revolution 1798 besass das Stift Münster im Michelsamt die hohe Gerichtsbarkeit mit dem Blutgericht, das jedoch nicht vom Probst, sondern von den Vögten des Gotteshauses, den Lenzburgern, dann von den Kyburgern und Habsburgern ausgeübt wurde. Es gibt bisher keine umfassende Darstellung dieser Gerichtsbarkeit im Michelsamt. Sie wird im Ortsrecht von Münster von 1420 beschrieben. Unter anderem wird bestimmt, dass bei einem Mord zu Münster der Propst den Täter verhaften und dem Vogt übergeben soll. Den Angeklagten behält der Propst bis zum Gericht. Der Propst ruft den Landvogt nach Münster, er bietet die Bürger zum Gericht auf und erhebt die erste Klage. Das Gut des Totschlägers fiel zu zwei Teilen dem Probst zu, den dritten Teil erhielt der Vogt an die Kosten des Gerichts.
Das Landgericht für das Dorf wie für das Michelsamt wurde ausserhalb des Dorfes bei der Sandgrube abgehalten. Münster selbst war von der Gewalt des Vogts ausgenommen und war Immunitätsbereich des Propstes. Zusammen mit dem Propst, dem Ammann des Stifts, weiteren Amtsleuten und dem Vogt versammelte sich der Landtag. Nach der Rechtsklage des Ammanns, der das Richtschwert aus den Händen des Propstes dem Vogts übergab, wurde das Urteil gefällt und verkündet. Dann läutete man die grosse Glocke und führte den Verurteilten zur Maria-Hilf-Kapelle, damit er dort seine Beichte ablegte und seine Seele Gott befahl.
Der Enthauptungsort lag nördlich unterhalb der Kapelle, laut dem "Liber vitae" des Propstes Bircher von 1620 auf dem "Blutmätteli". Der Ort hiess wie andernorts auch "Kalenbergli" (Kalvarienberg). Einige hundert Meter weiter unten liegt gegenüber der Winonmühle an der Strasse nach Menziken der 1594 erwähnte Galgenacker und beim Galgentobel das auf Landkarten eingetragene Galgenhölzli. Bernhard Fleischlin schreibt, dass der Galgen auf einem sonnigen Hügel über der Schucht des Gunzwiler Baches stand.
1559 wurde Heini Schmidli an den neuen Galgen gehenkt. In der Dorföffnung von 1620 wird von einzelnen Totschlägern berichtet, über die vor Jahren bei der Sandgrube gerichtet wurde. Cuni am Strig erschlug in Münster einen Mann in Kuchimanns Haus, er wurde auf der Flucht im Bogetenwald gefangen und dem Vogt übergeben. Töb Ulin, der einen Knecht erschlug und in den Wald von Rinach floh, wurde bei der Sandgrube enthauptet. Dort fand auch das Gericht über den Totschläger von Ruedi Karrer aus dem Gerichtskreis Witwil statt. Die Liste liesse sich wohl anhand von Akten im Stiftsarchiv erweitern. Der Henker kam jeweils von Sursee, Luzern und Zug. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und auch später richtete man die Angeschuldigten aus dem Michelsamt oft in Luzern. Die Pröpste machten als Geistliche von ihrem Recht nur ungern Gebrauch.
Letzter verurteilter Delinquent in Münster war der Möbelschreiner Martin Frey aus Mähren. Er entwendete 1795 einem Chorherrn eine grosse Geldsumme. Er wurde verurteilt, in ein Gefängnis nach Mailand abgeschoben und 1797 gehenkt.
Als Symbol der alten Herrschaft wurde der Galgen 1798 von den Franzosen verbrannt. Damit endete die Blutgerichtsbarkeit zu Münster.[7]
Der Fall der Johanna Dolder
BearbeitenAm 20. November 1764 wurde Johanna Dolder bei der Maria-Hilf-Kapelle hingerichtet. Diesen traurigen Fall hat der damalige Leutpriester Huober am Schluss des Sterbebuches von St. Stephan beschrieben. Nach der Übersetzung aus seinem lateinischen Text geschah Folgendes:
«Johanna Dolder, geboren am 20. Februar 1720, (legitime Tochter des Metzgers Moritz Dolder und der Magdalena Bucher) war bei Xaver Lips (verheiratet mit Maria Anna Troxler) als Magd angestellt. Sie war im dritten Grad verwandt und wurde von ihm geschwängert. Um der Schande der illegitimen Schwängerung zu entgehen, verabreichte Johanna der Frau von Xaver, die immer kränklich war, nächtlicherweise (in einem Eiertätsch [Eierspeise]) Gift, ohne Vorwissen des Xaver, wie dieser behauptete, wohl in der Absicht, dass dieser sie nach dem Tode der Gattin heiraten könne. Die Ärzte stellten fest, dass der Frau Maria Anna Troxler Arsenik verabreicht worden war, und der Verdacht dieses Verbrechens fiel sogleich auf Xaver und seine Magd Johanna.
Nachdem diese das Verbrechen bekennt hatte, wurde nach Ablauf der Tage der Reinigung (sie hatte inzwischen in der Gefangenschaft am 6. Oktober 1764 illegitim Sohn Alphons Anton geboren, der aber nach der Geburt starb) am 20. November 1764 das Todesurteil gefällt durch die Herren Ammänner und Räte seiner Hochwürden Propst Ulrich Dürler und den Vorsitzenden des Blutgerichtes, Landvogt Xaver Balthasar zu Münster. Fleckenweibel Johann Kopp mit mir und Herrn Pfarrhelfer nebst anderen Zeugen überbrachten der Angeklagten das Todesurteil in den Spittel, wo sie gefesselt gefangen gehalten wurde. Ich und mein Pfarrhelfer Fidelius Suter, besuchten nun auf Wunsch des Propstes täglich abwechselnd die Gefangene bis zu ihrem Tode, um uns dem Heile ihrer Seele zu widmen, vielfach bis in die Nacht hinein, mit so viel Erfolg, dass sie am Tage vor ihrem Tode gebeichtet und das Sakrament des Altares empfangen hat, zerknirschten Herzens und mit vollkommenen Beweisen ihrer völligen Umwandlung.
Am folgenden Tag, 24. November 1764, mittags 12 Uhr, auf das Zeichen der grossen Glocke zu St. Stephan, wurde sie von Unterweibel Alphons Wohlgemuth, kaum bei Kräften, nüchtern und gebrochen, aber aufs Beste zum Tode vorbereitet, aus ihrem Gefängnis geholt, von mir und Herrn Pfarrhelfer als die einzigen Geistlichen begleitet um ihr Trost einzuflössen, so dass Johanna mit klarer und sicherer Stimme eine solche inbrünstige Reue aus tiefster Seele an den Tag legte, dass der Grossteil des zusammengelaufenen Volkes weinte und tiefes Mitleid bekundet hat. Vor der unteren Kirche verweilend zur Anbetung des allerheiligsten Altarsakrametes, gab ich ihr im Namen des hl. Stephanus gesegneten Wein zu trinken, damit sie durch die Sarkmut des heiligen Erzmärtyrers gestärkt, den Tod leichter ertragen werde. Vor der Kapelle Maria Hilf, dem Tode durch das Schwert schon entgegensehend, empfahl ich sie der Gnade der göttlichen Mutter. Mit lauter Stimme Beweise der Ergebung, der Inbrunst und des Schmerzes gebend, hat sie den tödlichen Streich des zugerischen Scharfrichters empfangen, indem das verhängnisvolle Eisen die letzte Silbe der Anrufung der göttlichen Barmherzigkeit zerschnitt.
Der Körper wurde der Sitte gemäss in einen Holzsarg gelegt und bei Einbruch der Dämmerung auf dem Friedhof zu St. Stephan der Erde übergeben, nahe der Stelle, wo man die ohne Taufe gestorbenen Kinder zu begraben pflegte. Die Bestattung nahmen vor der Unterweibel Alphons Wohlgemuth und Spittelknecht Alfphons Troxler, genannt Spittler. Die Sammlung für die Messen ergab 37 Gulden und 20 Angster für 75 Messen, welche ich auf drei Kapläne gleichmässig verteilt habe. Sie ruhe in Frieden.
Also bezeuge ich Huober, Leutpriester»[8]
Die Knochen eines Hingerichteten?
BearbeitenBei der umfassenden Restaurierung 1999 ist ein Skelett zum Vorschein gekommen, das noch älter ist als die Kapelle selbst.
Beim Aushub für die Sickerleitung bei den Kapellenmauern stiess man unter der Nordwestecke der Kapelle auf rätselhafte Skelettreste. Das Skelett ist älter als die Kapelle von 1677. Da sie ohne Fundametgräben direkt auf dem Erdboden errichtet wurde, blieb das Skelett in seinen unteren Extremitäten erhalten. Allerdings ist es durch die Wurzeln eines nahestehenden Baumes, die die Knochen durchdrangen, arg beschädigt worden. Seine Reste wurden von der Kantonsarchäologie durch den Grabungstechiker freigelegt und dokumentiert. Bei der weiteren Öffnung von Sickergräben kamen keine weiteren Menschenknochen zum Vorschein.
Die Kapelle steht auf einem auffallenden Hügel. Es stellt sich die Frage, ob hier einst auch ein Friedhof lag. Die Kantonsarchäologie musste aus finanzielllen Gründen auf Sondierungen verzichten. Am ehesten könnte die Vermutung zutreffen, dass das Skelett von einer hingerichteten Person stammt. Wie erwähnt, lag der Hinrichtungsplatz nahe der Kapelle.[9]
Literatur
Bearbeiten- Markus Willimann: Buch über die Maria-Hilf-Kapelle.
- Probst Ludwig Bircher: Liber Vitae, 1600
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ denkmalpflege.lu.ch
- ↑ Josef Bühlmann: Das Kleinod der Kapelle bildet unbestritten der Barockaltar. In: Luzerner Zeitung. 20. Oktober 1999.
- ↑ Josef Bühlmann: Die Knochen eines Hingerichteten? In: Luzerner Zeitung. 12. Oktober 1999.
- ↑ Rosmarie und Paul Moser: Von Mördern und Hexen: Die Gerichte von Neudorf und Münster. In: Anzeiger Michelsamt. 26. Juli 2018.
- ↑ Michael Egli: Ein Galgen neben der Kapelle. In: Anzeiger Michelsamt. 6. Juni 2024.
- ↑ Ein Ort der stillen Einkehr. In: Anzeiger Michelsamt. 21. Oktober 1999.
- ↑ Josef Bühlmann: Die Konchen eines Hingerichteten? In: Luzerner Zeitung. 12. Oktober 1999.
- ↑ Josef Wallimann: Der Fall der Johanna Dolder vom 24. November 1764. Die Bürgergeschlechter von Beromünster, 1940.
- ↑ Josef Bühlmann: Die Knochen eines Hingerichteten? In: Luzerner Zeitung. 12. Oktober 1999.
Koordinaten: 47° 12′ 36,5″ N, 8° 11′ 30,9″ O; CH1903: 657067 / 229073