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Lutz Mackensen

deutscher Sprachforscher, Volkskundler und Lexikograph

Friedrich Wilhelm Ludwig Mackensen (* 15. Juni 1901 in Bad Harzburg; † 24. März 1992 in Bremen) war ein deutscher Sprachforscher, Volkskundler und Lexikograph.

Lutz Mackensen war der Sohn eines Gymnasiallehrers. Er studierte an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin und an der Universität Greifswald. 1918 wurde er Mitglied des Corps Baltia Berlin.[1] Er wurde 1922 in Heidelberg mit einer Arbeit zur Märchenforschung promoviert.[2]

In Greifswald wirkte Mackensen von 1926 bis 1932 als Dozent für Deutsche und Nordische Philologie. Er gründete dort zunächst das Pommersche Volksliederarchiv und dann 1929 das Volkskundliche Archiv für Pommern. Mackensen gelang es so, das Fach Volkskunde an der Universität Greifswald zu etablieren. Das Volkskundliche Archiv bezog in seine intensive und engagierte Arbeit auch ältere, außeruniversitäre pommersche Volkskundler wie Alfred Haas und Otto Knoop mit ein. Mackensens Assistent am Volkskundlichen Archiv war Karl Kaiser, der ihm 1933 in der Leitung des Archivs folgte.[3] Mackensen pflegte in Greifswald auch die internationalen Wissenschaftsbeziehungen seines Faches: 1932 organisierte er eine Tagung mit schwedischen Volkskundlern, die eine Verbindung zur schwedischen Volkskundeforschung anbahnte.[4]

1932 verließ Mackensen Greifswald und wurde außerordentlicher Professor am Herder-Institut Riga.[5]

Nach der Machtergreifung des NS-Regimes trat er 1933 in die NSDAP ein. 1935 wurde er ordentlicher Professor. 1937 publizierte Mackensen die Abhandlung Volkskunde in der Entscheidung.[5] Während des Zweiten Weltkriegs war er zunächst 1940 Gastprofessor an der Universität Gent und lieferte Berichte über andere Dozenten, die „in ihren Vorlesungen mehr oder weniger versteckt Propaganda gegen den großgermanischen Gedanken machen“.[6] Ab 1941 war er Professor für Germanistik an der Reichsuniversität des Warthelandes in Posen und dort direkt verantwortlich für die Re-Germanisierung des zu Polen gehörigen, aber 1939 von der Wehrmacht besetzten Gebietes. Mackensen hatte sich durch eine linientreue, d. h. „völkische“ Gesinnung und ein offenes Bekenntnis zum Antisemitismus[7] für diese Aufgabe qualifiziert und war auf Veranlassung des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg auf diese Position gehievt worden.[8] Er war verantwortlich für die Aufzeichnung von Sagen, Überlieferungen und Sitten, die eine Besiedlung der Region durch Germanen bzw. Deutsche seit der Bronzezeit nachweisen sollten.[9] Zugleich betreute er die Maßnahmen zur Eingliederung der Auslandsdeutschen aus dem Gebiet der Sowjetunion, die im Rahmen des Hitler-Stalin-Paktes aus ihren bisherigen Siedlungsgebieten (Wolhynien, Baltikum, Bessarabien, der Bukowina und der Dobrudscha) zwangsweise umgesiedelt und zwecks „Wiederaufdeutschung“ (Mackensen) des Warthelandes u. a. in den Bezirken Langensalza und Posen neu angesiedelt wurden. Im Rahmen der genannten Aufgaben hatten Mackensen und sein Mitarbeiterstab im Auftrag der NS-Gauleitung und des SD zu überprüfen, inwieweit die „Rücksiedler“ ihr Deutschtum noch bewahrt hatten und sich aufgrund ihrer rassischen Eigenschaften dazu eigneten, einen „Neusiedlerstamm“ von wehrbereiten „Grenzlandbauern“ zu bilden.[10]

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte Mackensen wieder akademisch Fuß fassen und war zunächst in Göttingen und dann als 131er in Lübeck tätig.[5] Er verlagerte seinen Schaffensschwerpunkt aber von der Pflege des Deutschtums auf die Pflege der deutschen Sprache. Sein bekanntestes Werk ist ein deutsches Wörterbuch, das 1951 erstmals erschien. Es wurde mehrfach aufgelegt und oft einfach als Mackensen bezeichnet. Weitere Werke von ihm befassen sich mit der deutschen Etymologie.[11][12] Er verfasste außerdem Nachschlagewerke, Zitatensammlungen[13], Heimatbücher und Stilfibeln und schrieb über einzelne Wörter und Begriffe.

1957 war Mackensen der Begründer und bis 1966 Leiter der Abteilung Deutsche Presseforschung an der Staatsbibliothek Bremen.[5]

Lutz Mackensen war mit Maria Hergt verheiratet; ihr gemeinsamer Sohn war Rainer Mackensen. In Posen heiratete er am 13. August 1943 Eva Marie Mathilde Hollander.- Lutz Mackensen starb am 24. März 1992 um 07:00 Uhr in seiner Wohnung im Hamfhofsweg 125B in Bremen im Alter von 90 Jahren. Er war evangelisch.[14]

Veröffentlichungen (Auswahl)

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  • Der singende Knochen : ein Beitrag zur vergleichenden Märchenforschung (= FF communications ; 49 = 14). Suomalainen Tiedeakatemia, Helsinki 1923.
  • mit Johannes Bolte: Handwörterbuch des deutschen Märchens. de Gruyter, Berlin/Leipzig 1930 (= Handwörterbuch zur deutschen Volkskunde; Abt. 2, Märchen).
  • Deutsches Volkstum von Tacitus bis Luther (= Frommanns philosophische Taschenbücher ; 1). Frommann, Stuttgart 1930.
  • Ein pommersches Hirtenbuch des 18. Jahrhunderts als Quelle zur religiösen Volkskunde. In: Ernst Bargheer, Herbert Freudenthal (Hrsg.): Volkskunde-Arbeit. Zielsetzung und Gehalte. de Gruyter, Berlin 1934, S. 196–213.
  • Volkskunde in der Entscheidung : Versuch einer Standortbestimmung (= Philosophie und Geschichte ; 63). Mohr, Tübingen 1937.
  • Volkskunde der deutschen Frühzeit. Quelle & Meyer, Leipzig 1937.
  • Bert Heller: Sagen der Deutschen im Wartheland. Hrsg.: Mackensen (= Schriften der Landeskundlichen Forschungsstelle des Reichgaues Wartheland: Reihe 8, Volkskunde). Hirt-Reger und v. Schoedel-Siemau Verlag, Posen 1943.
  • 3876 Vornamen : Herkunft, Ableitungen u. Koseformen, Verbreitung, berühmte Namensträger, Gedenk- u. Namenstage, Südwest-Verlag, 1969
  • Der tägliche Wortschatz : Ein Wörterbuch f. Büro, Schule u. Haus. Wortgebrauch, Wortbedeutung, Wortbeugung, Rechtschreibung, Satzzeichen, Fremdwörter, Redensarten, Namen, Regelteil, Olten ; Stuttgart ; Salzburg : Fackel-Verlag, 1970
  • Das moderne Fremdwörterlexikon : Über 32000 Stichwörter. Bedeutung, Herkunft, Aussprache, Beugung, Wortverbindungen, München : Südwest-Verlag, 1971, ISBN 978-3-517-00326-9.
  • Stauferzeit, Frankfurt am Main : Lang, 1979, ISBN 978-3-8204-6481-8.
  • Die Nibelungen : Sage, Geschichte, ihr Lied und sein Dichter, Stuttgart : Hauswedell, 1984, ISBN 3-7762-0228-9.
  • Zitate, Redensarten, Sprichwörter. 1. Auflage. 1981; 2. Auflage. Füllhorn-Sachbuch-Verlag, Stuttgart 1985.
  • Ursprung der Wörter: etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Südwest-Verlag, München 1985, ISBN 978-3-517-00858-5.
  • Das Fachwort im täglichen Gebrauch: das aktuelle Wörterbuch mit über 25000 Begriffen. Ullstein, Berlin 1986, ISBN 978-3-548-34311-2.
  • Das moderne Fremdwörter-Lexikon. Herkunft, Wortverbindungen, Bedeutung, Aussprache. Heyne, München 1991, ISBN 978-3-453-04815-7.
  • mit Heinz Beisker, Horst B. Bunje, Heinz Ischreyt und Jürgen Byl: Gutes Deutsch in Schrift und Rede. 1968; vollständig überarbeitete Auflage 1980; Sonderausgabe: Mosaik-Verlag, München 1993.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Erwin Willmann (Hrsg.): Verzeichnis der Alten Rudolstädter Corpsstudenten. (AH. Liste des RSC.), Ausgabe 1928, Nr. 2908
  2. Vgl. Carola L. Gottzmann, Petra Hörner: Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs, 2007.
  3. Kurt Dröge: Die Entwicklung der volkskundlichen Forschung in Pommern. In: Roderich Schmidt (Hrsg.): Tausend Jahre pommersche Geschichte. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern. Reihe V, Band 31. Böhlau Verlag, Köln Weimar Wien 1999, S. 358–359.
  4. Leopold Magon: Die Geschichte der Nordischen Studien und die Begründung des Nordischen Instituts. In: Festschrift zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald. Band 2. Greifswald 1956, S. 265.
  5. a b c d Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 384.
  6. Zitat bei Ernst Klee: Kulturlexikon, S. 384, mit Bezug auf Ludwig Jäger, Seitenwechsel. Der Fall Schneider/Schwerte und die Diskretion der Germanistik, München 1998.
  7. Der Germanist Utz Maas schrieb rückblickend: „Mackensen bedauert 1937, daß das deutsche Volk im späten Mittelalter bereits rassisch so zersetzt gewesen sei, daß es die Judenfrage mit den damaligen Pogromen nicht endgültig schon gelöst hat […].“ Siehe Maas, Die Entwicklung der deutschsprachigen Sprachwissenschaft von 1900 bis 1950 zwischen Professionalisierung und Politisierung. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 16 (1988/89), S. 253–290; hier: S. 282.
  8. Siehe u. a. seinen Aufsatz Sprache und Rasse. In: Nationalsozialistische Monatshefte 6 (1935), S. 306–315.
  9. Siehe u. a. die Einleitung zu Lutz Mackensen: Sagen der Deutschen im Wartheland. Mit einem Vorwort des Gauhauptmanns. Hg. von der Gauselbstverwaltung und Reichsuniversität Posen. Volkskunde Bd. 8. Posen 1943.
  10. Mackensen: Sagen der Deutschen im Wartheland, S. III–IV.
  11. Lutz Mackensen: Deutsche Etymologie. Ein Leitfaden durch die Geschichte des deutschen Wortes. (Bremen 1962) Berlin/Darmstadt/Wien 1966.
  12. Lutz Mackensen: Ursprung der Wörter. 4. Auflage, 2004, VMA-Vertriebsgesellschaft, ISBN 3-928127-47-0, 446 Seiten.
  13. Lutz Mackensen: Zitate, Redensarten, Sprichwörter. Genehmigte Sonderausgabe 1992, Naumann und Göbel, ISBN 3-625-10106-8, 887 Seiten.
  14. Standesamt Bremen-Mitte, Sterberegister 1992. Signatur: StAB 4.60/5 7493. In: arcinsys.niedersachsen.de. Staatsarchiv Bremen, abgerufen am 13. Februar 2024 (Blatt 410 wählen).