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Leopold Kronecker

deutscher Mathematiker

Leopold Kronecker (* 7. Dezember 1823 in Liegnitz; † 29. Dezember 1891 in Berlin) war ein deutscher Mathematiker.

Leopold Kronecker

Leopold Kronecker entstammt einer gebildeten und wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie. Seine Eltern waren Isidor Kronecker und Johanna, geborene Prausnitzer.[1] Der Physiologe Hugo Kronecker (1839–1914) war sein Bruder. Er genoss eine vorzügliche Schulbildung, zunächst durch Privatlehrer, anschließend am Liegnitzer Gymnasium unter anderem durch seinen Mathematiklehrer, den späteren Universitätsprofessor Ernst Eduard Kummer.

1841 begann er das Studium der Philosophie an der Universität Berlin und besuchte währenddessen Vorlesungen in Mathematik, Naturwissenschaften, Philosophie und klassischer Philologie. Nach kurzen Abstechern an die Universitäten von Bonn und Breslau kehrte er 1844 nach Berlin zurück, wo er 1845 mit seiner Arbeit „De Unitatibus Complexis“ („Über komplexe Einheiten“) zum Doktor der Philosophie promoviert wurde. Er wurde 1843 Mitglied der Burschenschaft Fridericia Bonn.[2] Kronecker heiratete Fanny Prausnitzer und hatte mit ihr sechs Kinder.[1]

Danach verließ er die Universität und betätigte sich einige Jahre sehr erfolgreich als Geschäftsmann. 1855 war er wirtschaftlich unabhängig und kehrte als Privatgelehrter an die Universität Berlin zurück. Zu seinen Schülern zählte unter anderem Georg Cantor. 1861 wurde Kronecker korrespondierendes Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften[3] und ordentliches Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. Einen Ruf auf eine Professur in Göttingen lehnte er 1868 ab. Er blieb in Berlin und folgte dort 1883 seinem ehemaligen Lehrer Kummer auf dessen Lehrstuhl nach. Unter Mitwirkung von Weierstraß, Helmholtz, Schroeter und Fuchs gab er das von Crelle begründete Journal für Mathematik heraus. 1868 wurde er korrespondierendes Mitglied der Académie des sciences in Paris und 1872 der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Im Jahr 1884 wurde er zum Mitglied der Leopoldina sowie zum auswärtigen Mitglied der Royal Society[4] gewählt. 1875 wurde er Ehrenmitglied der London Mathematical Society.[5]

 
Grabstätte von Leopold und Fanni Kronecker auf dem Alten Sankt-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg (Lage: 52° 29′ 19,7″ N, 13° 21′ 57,7″ O)

Leopold Kronecker starb am 29. Dezember 1891 an den Folgen einer Bronchitis. Sein Grab befindet sich auf dem evangelischen Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Tempelhof-Schöneberg. Es ist seit 1969 als Ehrengrab der Stadt Berlin gewidmet.

Seine Forschungen lieferten grundlegende Beiträge zur Algebra und Zahlentheorie, aber auch zur Analysis und Funktionentheorie. Im Laufe der Zeit wurde er Anhänger des Finitismus, ließ nur mathematische Gegenstände gelten, deren Existenz durch explizite Konstruktionen gesichert werden konnte, und versuchte die Mathematik allein auf Grundlage der natürlichen Zahlen zu definieren. Dadurch geriet er in Konflikt mit vielen bedeutenden Mathematikern seiner Zeit; insbesondere griff er Georg Cantor und dessen Mengenlehre öffentlich und scharf an, wobei er diese in weiten Strecken sehr unkonstruktiv untersuchte. Kronecker war überzeugt, dass mit der Mengenlehre für die konkrete Analysis nichts zu gewinnen sei. Bekannt wurde auch sein Ausspruch: „Die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk.“[6] Kroneckers Finitismus machte ihn zu einem Vorläufer des mathematischen Konstruktivismus.

Nach David Hilbert hat Kronecker die Zahlentheoretiker mit den Lotophagen verglichen, „die, wenn sie einmal von dieser Kost etwas zu sich genommen haben, nie mehr davon lassen können“.[7]

Nach ihm benannt sind unter anderem:

Literatur

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Commons: Leopold Kronecker – Sammlung von Bildern
  1. a b FamilySearch.org. Abgerufen am 29. Januar 2024.
  2. Franz Richarz: Mitgliederverzeichnis der Burschenschaft Fridericia zu Bonn (18. Februar 1843 bis Herbst 1847) sowie der Burschenschaft Arminia zu Bonn (1847 bis 1849) und der burschenschaftlichen Verbindung Germania zu Bonn (1843 bis 1849). Bonn 1894, S. 12.
  3. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Band 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3. Band 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 140.
  4. Eintrag zu Kronecker, Leopold (1823–1891) im Archiv der Royal Society, London
  5. Honorary Members. (PDF) London Mathematical Society, abgerufen am 13. Mai 2021.
  6. H. Weber: Leopold Kronecker. In: Deutsche Mathematiker-Vereinigung (Hrsg.): Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. Band 2. Reimer, 1893, ISSN 0012-0456, S. 5–31 (uni-goettingen.de – Zitat auf S. 19).
  7. Hilbert sagte dies in seiner Rede Naturerkennen und Logik anlässlich des Kongresses der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in Königsberg am 8. September 1930. Siehe quantumfuture.net
  8. Leopold Kronecker: Näherungsweise ganzzahlige Auflösung linearer Gleichungen. In: Monatsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1884 (archive.org).
  9. Grenzformel bei Mathworld
  10. Kurt Girstmair: Kroneckers Lösung der Pellschen Gleichung auf dem Computer. In: Math. Semesterber. Band 53, 2006, S. 45–64.