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Charles Grandison Finney

amerikanischer Erweckungsprediger

Charles Grandison Finney (* 29. August 1792 in Warren, Litchfield County, Connecticut; † 16. August 1875 in Oberlin, Ohio) war ein US-amerikanischer Jurist, evangelikaler Erweckungsprediger, Hochschullehrer und Rektor des Oberlin Collegiate Institute und wichtiger Vertreter der Heiligungsbewegung und des Oberlin Perfektionismus.[1][2]

Charles Grandison Finney

Charles G. Finney wurde, je nach Quellen, am 27. oder 29. August 1792 als jüngstes von sieben Kindern von Josiah Finney und Sarah Curtiss geboren.[3] Die Eltern waren Landwirte und gehörten zu den frühsten europäischen Siedlern von Warren. Charles wuchs mehrheitlich in Oneida auf, und er besuchte in Warren die Schule, wo er auch Peter Starr, der 1771 bis 1822 im Dorf Pastor war, predigen hörte und so die Bibel etwas kennenlernte.[4] Im Jahr 1818 fing er in Adams im Staat New York eine Ausbildung als Bürogehilfe in einer Anwaltskanzlei an. Durch seine Studien im rechtswissenschaftlichen Bereich kam er immer wieder in Kontakt mit Zitaten aus der Bibel; um die Bibelstellen in ihrem Kontext zu sehen, begann er immer öfter, den kompletten Textabschnitt zu lesen. Zudem suchte ihn der presbyterianische Pastor George W. Gale im Büro auf und verwickelte ihn in Gespräche über geistliche Themen, und Finney engagierte sich als Chordirigent in dieser Kirche.[5]

Im Herbst 1824 hatte Charles Finney ein Bekehrungserlebnis, als er alleine in einem Wäldchen spazieren war. Wenige Tage später erfuhr er wieder ein intensives Erlebnis mit Gott, was er später als Geistestaufe beschrieb. Nun begann er, die Bibel vertieft zu studieren. Im Gegensatz zu der in den USA weit verbreiteten calvinistischen Einstellung wurde er überzeugt, dass der Mensch einen freien Willen hat und über sein Heil oder Unheil wesentlich mitentscheiden kann.[6]

Nach diesem dramatischen Erlebnis wurde Finney ein vollzeitlicher Prediger und Evangelist. Später wurde er auch ordinierter Pastor der presbyterianischen Kirche und diente in der Broadway Tabernacle Congregational Church in New York City.[7] An mehreren Orten erlebte er, wie an Freiversammlungen (englisch: camp meetings) durch seine Predigten Gemeinden Erweckungen erfuhren. Schätzungen zufolge bekehrten sich bis zu 500.000 Menschen durch seine lebendigen und eindringlichen Predigten. Die Geschichtsschreibung spricht vom „Second Great Awakening“, das sich mit ihm und anderen Predigern seiner Generation in den USA verbindet.[8]

Im Jahr 1835 wurde Finney an das Oberlin Collegiate Institute berufen,[9] eine 1833 gegründete theologische Fakultät in Oberlin, Ohio, wo er Prediger ausbildete. 1837 wurde er als Pastor an die First Congregational Church in Oberlin berufen. Von 1851 bis 1866 war er der Rektor (englisch: president) des Oberlin College, wie das Institut später genannt wurde.[9] Bis kurz vor seinem Tod hielt er noch Vorlesungen vor seinen Studenten.[10]

Durch eine Reise nach England brachte Finney 1859–61 seine neue Methodik der Massenevangelisation auch nach Europa und hatte großen Einfluss darauf, dass sich auch hier die vom Oberlin Perfektionismus geprägte Heiligungsbewegung ausbreitete. Ihre Einflüsse beeinflussten auch Friedrich von Schlümbach (1842–1901) und die deutsche Gemeinschaftsbewegung, Elias Schrenk und die Deutsche Zeltmission im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.[11]

„Es ist das einer der größten und beklagenswertesten Mißstände heutzutage. Selbst bei aufrichtig frommen Pfarrern ist das Christentum in vielen Fällen so oberflächlich, dass sie die wirklich geistlich gesinnten Glieder ihrer Gemeinden nicht verstehen können. Ihre Predigten entsprechen ihren Bedürfnissen nicht und geben ihnen daher auch nicht die richtige Nahrung. Sie stimmen nicht mit den von ihnen gemachten Erfahrungen überein. Die betreffenden Geistlichen sind selbst nicht tief genug gegründet, um dem Schaden der ihnen anvertrauten Seelen auf den Grund zu gehen und die Gemeinde erwecken zu können.“

Charles G. Finney: Erweckung[12]

Finney war dreimal verheiratet. Mit seiner ersten Frau Lydia Root Andrews (1804–1847) hatte er sechs Kinder. Ein Sohn war der Eisenbahningenieur und -manager Frederick Norton Finney. Dieser stiftete ihm zu Ehren die Finney Chapel im Oberlin College. 1848 heiratet er Elizabeth Ford Atkinson (1799–1863) und 1865 Rebecca Allen Rayl (1824–1907).

Lehre, Stil und Kritik

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Finney wurde nicht eigentlich christlich erzogen oder kirchlich sozialisiert. Erst als Rechtsanwalt besuchte er eine presbyterianische Kirchgemeinde, die vom damaligen in Amerika üblichen Calvinismus ihres Pastors mitgeprägt war. Dieser betonte deshalb die Souveränität der Gnade Gottes bei der Errettung, nicht jedoch die freie Wahl und Entscheidung der Menschen. Finney begann dagegen von sich aus, Gott zu suchen und um Heilsgewissheit zu ringen. Er war aber nicht nur von der Bibel und einer biblischen Theologie beeinflusst, sondern auch von der griechischen Philosophie und dem römischen Recht der Antike, der Aufklärung und der Idee des freien Willens, die er durch sein Studium und seine Tätigkeit im Anwaltsbüro kennengelernt hatte.

Einige Kritiker behaupteten, dass Finney nicht wirklich an die Erbsünde und unbewussten Sünden der Menschen, an das Sühneopfer von Jesus Christus zur Errettung, die Rechtfertigung des Sünders geglaubt habe, sondern unseren freiwilligen Gehorsam gegenüber Gott und seiner Rechtsprechung aus reiner Güte überbetont habe. Daher sei auch Finneys Heiligungslehre (englisch: Higher Life oder Oberlin Perfektionismus mit Asa Mahan) mit seinen hohen ethischen, moralischen und sittlichen Ansprüchen derart wichtig und übermächtig geworden, was viele Menschen überfordert habe.[13][14][15]

Finney war umstritten in der presbyterianischen Kirche, ein bedeutender zeitgenössischer Kritiker war der heute weitgehend unbekannte theologische Lehrer John Williamson Nevin (1803–1886), ein Student von Charles Hodge. In seinem 1843 erschienenen Buch The Anxious Bench bezichtigte er Finney der falschen Lehre des Pelagianismus, der Machbarkeit des Heils und einer gewissen Oberflächlichkeit.[16] Auch der bekannte presbyterianische Pastor Lyman Beecher trat Finney klar entgegen[17] und der Theologieprofessor B. B. Warfield beurteilte seine Evangelisationsveranstaltungen und deren Auswirkungen kritisch.

Finney pflegte einen eigenen Predigtstil, der sich nicht an die bis anhin üblichen Konventionen, Gottesdienstabläufe und Formen hielt. Er predigte unterhaltsam, packend und herausfordernd, improvisierte, erzählte Anekdoten, um die Zuhörer zu gewinnen und ihre Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten. Er war der erste Evangelist, der Bekehrungswillige bei Veranstaltungen aufforderte, nach vorne zu kommen, um ihre Entscheidung zur Umkehr und Hingabe an Gott zu bekennen. Man sprach auch vom sogenannten Altarruf (englisch: altar call); und für seine Massenveranstaltungen gebrauchte er den Begriff der Erweckung (englisch: awakening). Er führte auch Nachversammlungen für Neubekehrte ein, um sie nach der öffentlichen Entscheidung für Jesus Christus in der christlichen Lehre und Lebensführung zu unterweisen.[18]

Schriften (Auswahl)

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  • Lectures on Revivals, 1835; How to Experience Revival, Whitaker House, 2017, ISBN 978-1-62911-785-0.
  • Lectures on Systematic Theology, James M. Fitch, Oberlin 1846 und 1847.
  • Lectures on Revivals of Religion, Fleming H. Revell Company, New York, Chicago und Toronto 1868.
  • Principles of Prayer, Bethany House Publishers, 2001, ISBN 978-0-7642-2476-8.
  • The Circus of Dr. Lao, University of Nebraska Press, 2011, ISBN 978-0-8032-3494-9.
  • Power From On High, Artikel-Serie 1871–1874; CreateSpace Independent Publishing Platform, 2015, ISBN 978-1-5086-3461-4 und 2017, ISBN 978-1-9796-2444-2.
  • Power from God, Whitaker 2020, ISBN 978-0-88368-631-7.
  • The Character, Claims, and Practical Workings of Freemasonry, 2022, ISBN 979-8-36564471-7.
  • Memoirs of Rev. Charles G. Finney, A. S. Barnes & Company, New York 1876; Charles G. Finney: An Autobiography, CreateSpace Independent Publishing Platform, 2016, ISBN 978-1-5403-3153-3; Autobiography of Charles G. Finney: A Lifetime of Evangelical Preaching to Christians Across America, 2017, ISBN 978-1-9757-9753-9.

Deutsche Übersetzungen

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  • Charles G. Finney – Lebenserinnerungen, Düsseldorf 1902; Nachdruck: Gottfried Bernard, Solingen 2001, ISBN 978-3-925968-99-0.
  • Hilfen zum Gebet. Grundsätze des Betens. Dynamis, Kreuzlingen 1983, ISBN 3-85645-039-4.
  • Erweckung – Gottes Verheissung und unsere Verantwortung, Gottfried Bernard, Siegen 1987, ISBN 3-925968-03-2 und 1998, ISBN 978-3-925968-03-7.
  • Erweckung ist möglich, Herold, 1992, ISBN 978-3-88936-055-7.
  • Kraft von oben, Übersetzer: Dennis Streichert, CreateSpace Independent Publishing Platform, 2020.

Literatur

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  • Ulrich Gäbler: Vernunft, Moral, Bekehrung. Die Erweckungspredigt von Charles Grandison Finney in Nordamerika 1824–1832, 1980. ISBN 90-242-0186-1.
  • Ulrich Gäbler: „Auferstehungszeit“. Erweckungsprediger des 19. Jahrhunderts. Sechs Porträts. C.H. Beck Verlag, München, 1991. ISBN 3-406-35157-3.
  • Friedrich Wilhelm BautzFinney, Charles Grandison. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 2, Bautz, Hamm 1990, ISBN 3-88309-032-8, Sp. 33–34.
  • Charles E. Hambrick-Stowe: Charles G. Finney and the Spirit of American Evangelicalism. Eerdmans, Grand Rapids 1996.
  • James E. Johnson: Charles G. Finney and a Theology of Revivalism, in: Church History, Vol. 38, No. 3, Cambridge University Press, Cambridge 1969, S. 338–358.[19]
  • Frank Lüdke: Das Evangelisationsverständnis von Charles Grandison Finney (1792–1875) und seine Auswirkungen auf Deutschland, in: »Schrift soll leserlich seyn«. Der Pietismus und die Medien, Beiträge zum IV. Internationalen Kongress für Pietismusforschung 2013, Hallesche Forschungen 44/2, Halle 2016, S. 743–752.
  • Frank Lüdke: Transatlantische Einflüsse auf den deutschen Neupietismus. Die Bedeutung Charles G. Finneys für den Deutschen Gemeinschafts-Diakonieverband. In: Thomas K. Kuhn, Veronika Albrecht-Birkner, Hrsg.: Zwischen Aufklärung und Moderne. Erweckungsbewegungen als historiographische Herausforderung. Berlin 2017, S. 281–305.
  • John F. MacArthur: Wenn Salz kraftlos wird, Christliche Literaturverbreitung CLV, Bielefeld 1996 (Im Anhang: Charles Finney und der amerikanische evangelikale Pragmatismus).
  • Charles Haddon Spurgeon: Great Gospel Sermons, Various Authors, CreateSpace Independent Publishing Platform, 2014, ISBN 978-1-5003-8302-2.

Siehe auch

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Commons: Charles Grandison Finney – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Charles Grandison Finney, American evangelist, Website britannica.com (englisch, abgerufen am 3. September 2023)
  2. Markus Krause: Heiligungsverständnis und Verkündigung bei Robert Pearsall Smith, Masterarbeit, 2012, S. 39–41
  3. Charles Grandison Finney (1792–1875), Website oberlin.edu (englisch, abgerufen am 3. September 2023)
  4. Charles Grandison Finney Spreads Revivalism and Education throughout the Mississippi Valley, Website connecticuthistory.org (englisch, abgerufen am 3. September 2023)
  5. Das biblische Forum: John Mac Arthur Jr.: Charles Finney und der amerikanische evangelikale Pragmatismus, Website bethanien.de (abgerufen am 4. September 2023)
  6. Die Heiligungsbewegung, Neupietismus, Angloamerikanische Wurzeln, Website eh-tabor.de (abgerufen am 27. August 2023)
  7. Das biblische Forum: John Mac Arthur Jr.: Charles Finney und der amerikanische evangelikale Pragmatismus, Website bethanien.de (abgerufen am 4. September 2023)
  8. Frank Lüdke: Die Bedeutung von Charles Finney für den deutschen Neupietismus, Website eh-tabor.de, 2013–2015, abgerufen am 3. September 2023
  9. a b Randall Herbert Balmer: Finney, Charles Grandison. (1792–1875). In: Encyclopedia of Evangelicalism. Baylor University Press, Waco 2004, ISBN 1-932792-04-X, S. 262 (englisch).
  10. Charles Grandison Finney (1792–1875), Website oberlin.edu (englisch, abgerufen am 3. September 2023)
  11. Frank Lüdke: Die Bedeutung von Charles Finney für den deutschen Neupietismus, Website eh-tabor.de, 2013–2015, abgerufen am 3. September 2023
  12. Charles G. Finney: Erweckung. Gottes Verheißung und unsere Verantwortung. 2. Auflage. Bernard, Solingen 1998, ISBN 3-925968-03-2, S. 121.
  13. Das biblische Forum: John Mac Arthur Jr.: Charles Finney und der amerikanische evangelikale Pragmatismus, Website bethanien.de (abgerufen am 4. September 2023)
  14. Michael Horton: The Disturbing Legacy of Charles Finney, Website monergism.com (englisch, abgerufen am 5. September 2023)
  15. Markus Krause: Heiligungsverständnis und Verkündigung bei Robert Pearsall Smith, Masterarbeit, 2012, S. 39–41
  16. Needham Nick: Charles Finney And His Critics, Website banneroftruth.org (englisch, abgerufen am 5. September 2023)
  17. People & Ideas: Charles Finney, Website pbs.org (englisch, abgerufen am 6. September 2023)
  18. Das biblische Forum: John Mac Arthur Jr.: Charles Finney und der amerikanische evangelikale Pragmatismus, Website bethanien.de (abgerufen am 4. September 2023)
  19. James E. Johnson: Charles G. Finney and a Theology of Revivalism. In: Church History. 1969, Band 38, Nummer 3, S. 338–358 doi:10.2307/3163157.