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Barocchetto ist die Bezeichnung einer römischen Architekturströmung, die sich in den 1910er und 1920er Jahren entwickelt und vor allem in den beiden römischen Gartenstadtprojekten Città Giardino Aniene und Garbatella niedergeschlagen hat.

Ursprung

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Die römische Architekturströmung des Barocchetto wird entscheidend von dem eine erhaltende Altstadterneuerung im italienischen Städtebau befördernden Ansatz des Ambientismo[1] geprägt. Diese vor allem von dem römischen Architekten und Bauhistoriker Gustavo Giovannoni formulierte städtebauliche Handlungsweise sollte gerade in den von einem reichen Bauererbe charakterisierten italienischen Städten die Auswirkungen einer stark verändernden Stadtplanung abmildern. Durch die von Giovannoni geprägten Gartenstadtprojekte in Rom beeinflusst der Ambientismo die Entwicklung des Barocchetto zu einer Architektursprache ortsbezogen „reflektierter und bauhistorisch informierter“[2] Stadtplanung. Aufgrund dieser Wechselwirkung können das städtebauliche Konzept des Ambientismo und die architektursprachliche Äußerung des Barocchetto als komplementär angesehen werden.

Charakterisierung

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Im Zuge der nach dem Ersten Weltkrieg auch in der italienischen Architektur verstärkt einsetzenden architektonischen Neuorientierung bildet sich das Barocchetto aus den vielfältigen in der Hauptstadt nach wie vor lebendigen gestalterischen und handwerklichen Traditionen heraus. Den unmittelbaren Anlass bieten die Gartenstadt-Projekte Giovannonis am Monte Sacro (Città Giardino Aniene) und in der Garbatella, für die eine spezifisch römische Architektursprache entwickelt wird, die aus der Vielzahl der anonymen Wohnarchitekturen der Stadt schöpft. Wichtig ist dabei auch die Fähigkeit, den zukünftigen Bewohnern wiedererkennbare und vertraute Bauwerke zu bieten. Durch die damit verbundene Aneignung bestimmter Bereiche der Volkskultur sollen die neuen Bauwerke eine identitätsstiftende Qualität erhalten.[3] Das Barocchetto umfasst somit zum einen die Auffrischung einer in Rom sehr präsenten dekorativen Architektursprache, zum anderen eine bewusst der Vermittlung dienende architektonische Äußerung, die im Rückgriff auf vereinfachte Geometrien des römischen Hochbarock die Ausflüsse von Eklektizismus und Historismus zu bändigen sucht.[4] Durch das Beharren und Wiederbeleben traditioneller Bautechniken bleiben moderne Bautechniken und -materialien tendenziell ausgeschlossen. Die begriffliche Nähe zum Barock leitet sich aus den Beispielen einer „edilizia minore romana sei e settecentesca“[5] ab.

 
Wohnbebauung in der Garbatella

Architekturgeschichtliche Einordnung

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Paolo Marconi spricht bezüglich des Barocchetto von einem „vernacolo colto“, das er dem „vernacolo rusticano“ der ländlichen Architektur gegenüberstellt.[6] Darin wird deutlich, dass es sich auch um eine Adaption anonymer ländlicher Architektur handelt, die am Übergang von der Stadt zur römischen campagna ein in beide Richtungen vertrautes Stadtbild erzeugen soll. Laut Giorgio Ciucci greift das Barocchetto unterschiedliche Facetten der römischen Baugeschichte sowie Reminiszenzen einer populären Baukunst auf. Es gleicht einem mimetischen Rekurs auf Formen und Strukturen, die mit einem überlieferten Bild des geschichtlichen Roms und seiner Traditionen verbunden werden.[7] Es handelt sich somit um eine Architektursprache, die einfachen und massenweise errichteten Bauwerken architektonische Würde verleihen und zugleich die Sehnsucht nach einem arkadischen Rom befriedigen kann. Formal drückt sich das Barocchetto in der Neukonzeption überkommener Gestaltungselemente wie Architrave, Gesimse, Bögen, Sprenggiebel, Nischen, Muschelschalen, Obelisken etc. und die Kombination von Ziegel, Travertin und Putz als verkleidende Materialien sowie der Vorliebe für minutiöse Details und die Betonung des Handwerks aus.

Literatur

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  • Gianni Accasto u. a.: L'architettura di Roma capitale, 1870–1970. Rom 1971, S. 361 und 371–373.
  • Fabrizio Brunetti: Architetti e fascismo. Florenz 1993, S. 65.
  • Alfredo Carlomagno und Giuseppe Saponaro (Hrsg.): Mario De Renzi. Rom 1999.
  • Giorgio Ciucci: Gli architetti e il fascismo. Architettura e città 1922–1944. Turin 20052 (1989), S. 85–92.
  • Carmen Maria Enss: Ambiente – Theodor Fischers und Gustavo Giovannonis frühe Aneignungen der alten Stadt für die moderne Großstadt nach 1890. In: Uwe Altrock, Sandra Huning (Hrsg.): Die schöne Stadt. Begriffe und Debatten, Theorie und Praxis in Städtebau und Architektur. Berlin 2017 (Reihe Planungsrundschau, Ausgabe 24), S. 143–169.
  • Luigi Monzo: Croci e fasci. Der italienische Kirchenbau in der Zeit des Faschismus 1919–1945. Karlsruhe 2017, S. 122–125.
  • Giorgio Muratore (Hrsg.): Cantieri romani del Novecento, maestranze, materiali, imprese, architetti, nei primi anni del cemento armato. Rom 1995.
  • Giorgio Muratore: Edilizia e architetti a Roma negli anni venti. In: Ciucci/Muratore 2004, S. 74–99, insbesondere S. 84–88.
  • Klaus Tragbar: „Romanità“, „italianità“, „ambientismo“. Kontinuität und Rückbesinnung in der italienischen Moderne. In: Koldewey-Gesellschaft e.V. (Hrsg.): Bericht über die 42. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung. Bonn 2004, S. 72–83.
  • Klaus Tragbar: Die Entdeckung des ambiente. Gustavo Giovannoni und sein europäischer Kontext. In: Carmen M. Enss und Gerhard Vincken (Hrsg.): Produkt Altstadt. Historische Stadtzentren in Städtebau und Denkmalpflege. Bielefeld 2016, S. 29–43.

Einzelnachweise

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  1. Klaus Tragbar: Die Entdeckung des ambiente Gustavo Giovannoni und sein europäischer Kontext. In: Carmen M. Enss und Gerhard Vincken (Hrsg.): Produkt Altstadt : Historische Stadtzentren in Städtebau und Denkmalpflege. transcript Verlag, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-8394-3537-3, doi:10.14361/9783839435373-002.
  2. Carmen Maria Enss: Ambiente – Theodor Fischers und Gustavo Giovannonis frühe Aneignungen der alten Stadt für die moderne Großstadt nach 1890. In: Uwe Altrock und Sandra Huning (Hrsg.): Die schöne Stadt. Begriffe und Debatten, Theorie und Praxis in Städtebau und Architektur. Berlin 2017, S. 143–169.
  3. Luigi Monzo: croci e fasci: Der italienische Kirchenbau in der Zeit des Faschismus, 1919–1945. 2017, S. 124–125, doi:10.5445/ir/1000071873 (kit.edu [abgerufen am 22. Juli 2018]).
  4. Gianni Accasto: L' architettura di Roma capitale, 1870–1970. Rom 1971, S. 371.
  5. Giuseppe Saponaro: Cenni biografici. In: Alfredo Carlomagno und Giuseppe Saponaro (Hrsg.): Mario De Renzi. Rom 1999, S. 17–22, insbesondere S. 17 (dt. “geringe römische Architektur des 16. und 17. Jahrhunderts”).
  6. Paolo Marconi: Il regionalismo italiano degli anni ’20 e ’30 e la borgata giardino ‘La Garbatella’ a Roma. In: Luigi Prisco (Hrsg.): Architettura moderna a Roma e nel Lazio, 1920–1940 : conoscenza e tutela. Rom 1996, S. 43–49, insbesondere S. 43 (dt. „kultivierte Mundart“, „ländliche Mundart“).
  7. Giorgio Ciucci: Gli architetti e il fascismo. Architettura e città 1922–1944. 2. Auflage. Turin 2005, S. 85–86.