Pallas (Schiff, 1971)

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Pallas
Die Pallas mit der niederländischen Bergungsplattform Barbara
Die Pallas mit der niederländischen Bergungsplattform Barbara
Schiffsdaten
Flagge Bahamas Bahamas
Schiffstyp Frachtschiff
Rufzeichen C6LO9
Heimathafen Nassau
Reederei Bogazzi Servizi Navali, Viareggio, Italien
Bauwerft Rauma-Repola, Rauma, Finnland
Indienststellung 1971
Verbleib am 29. Oktober 1998 infolge eines Feuers vor Amrum auf einer Sandbank auf Grund gelaufen
54° 32′ 30″ N, 8° 17′ 12″ OKoordinaten: 54° 32′ 30″ N, 8° 17′ 12″ O
Schiffsmaße und Besatzung
Länge 147 m (Lüa)
Tiefgang (max.) 7.55 m
Vermessung 7.997 BRZ
 
Besatzung 17
Maschinenanlage
Maschine 1 × Dieselmotor
Propeller 1 × Propeller
Transportkapazitäten
Tragfähigkeit 10.160 tdw
Sonstiges
Registrier­nummern IMO-Nr. 7039206

Die Pallas war ein Frachtschiff unter der Flagge der Bahamas, das infolge eines am 25. Oktober 1998 an Bord ausgebrochenen Brandes vier Tage später vor der schleswig-holsteinischen Nordseeküste nahe der Insel Amrum auf Grund lief. Die später festgestellten Unzulänglichkeiten bei der Koordination verschiedener Sicherheitskräfte und mangelnder Sicherheitsvorschriften in ökologisch sensiblen Seegebieten führten zu umfangreichen politischen Untersuchungen und zur Gründung des Havariekommandos.

Die Pallas

Zum Zeitpunkt der Havarie transportierte das Schiff Schnittholzpakete, die fünf Tage zuvor in Hudiksvall in der Nähe von Stockholm geladen worden waren, in Richtung Casablanca. Auf den Luken an Deck war zusätzlich Holz gestaut, das mit Drähten und Ketten gegen das Überbordgehen gesichert war.

Am Nachmittag des 25. Oktober 1998 befand sich die Pallas in schwerem Wetter südwestlich der dänischen Stadt Esbjerg, als der Kapitän Rauchschwaden an Deck bemerkte. Obwohl die Quelle zwischen dem überkommenden Wasser, Gischt und strömendem Regen nicht genau auszumachen war, hatte der Kapitän den Verdacht, dass die Rauchschwaden aus dem Laderaum stammen könnten. Der zur Kontrolle nach vorne geschickte Zweite Offizier konnte bei dem Sturm und dem Regen nichts feststellen und vermutete, dass der Kapitän Dampf aus der Lüftungsanlage gesehen hatte. Der Kapitän ließ aber sicherheitshalber den Strom zum Vorschiff abschalten, da er einen Kurzschluss in der Elektro-Anlage vermutete. Aber es qualmte weiter.

Der Kapitän alarmierte vorsorglich die dänische Küstenwache und die Seenotrettung in Aarhus, die ihrerseits einen Marinehubschrauber und einen Seenotrettungskreuzer in Alarmbereitschaft versetzten. Der Kapitän ordnete der Besatzung an, Überlebensanzüge anzuziehen und sich auf eine mögliche Evakuierung vorzubereiten und auf dem Achterdeck zu versammeln. Der Erste Offizier gab die Seefahrtsbücher und die Pässe an die Besatzung aus.

Zu dieser Zeit fuhr die Pallas etwa 20 Seemeilen vor der dänischen Küste in südlicher Richtung. Am Abend schlugen helle Flammen aus der Decksladung. Damit stand fest, dass die Holzladung brannte. Gegen 19 Uhr wurde die dänische Küstenwache darüber informiert. Der Kapitän steuerte nun vor dem Wind auf die Küste zu. Einerseits wollte er damit der Küste näherkommen, um eine eventuell nötige Rettung aus der Luft zu erleichtern, andererseits wollte er mit achterlichem Wind ein Übergreifen des Feuers auf das Achterdeck verhindern. Als zusätzliche Maßnahme ließ er Kohlendioxid in den Laderaum leiten, um das Feuer zu ersticken. Diese Maßnahme war auch zunächst erfolgreich, aber der Sturm entfachte das Feuer immer wieder aufs Neue. Um Mitternacht ließ der Kapitän die Drähte und Ketten der Decksladung kappen und legte das Schiff quer zum Wind, so dass die heranbrechenden Wasserwellen die Decksladung über Bord spülten. Als der Brand in den Laderäumen das Deckshaus erreicht hatte, gab der Kapitän das Schiff auf und setzte einen Mayday-Spruch ab. „Mayday, mayday, motorvessel Pallas, C6LO9, fire on deck, 17 persons on board, request immediate assistance in position twenty nautical miles west of Esbjerg“.

Die Mannschaft wurde anschließend abgeborgen, wobei der philippinische Koch einen tödlichen Herzinfarkt erlitt. Verschiedene Versuche, das Schiff auf die offene See zu schleppen, scheiterten. Das Mehrzweckschiff Mellum konnte zwar eine Schleppverbindung zur Pallas herstellen, die aber später brach.

Wrack der Pallas vor Amrum
Rettungsboot der Pallas im Seezeichenhafen Amrum

Das Schiff verdriftete in das Gebiet des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und lief am 29. Oktober vor Amrum auf Grund. Es verlor circa 244 Tonnen gebunkertes Öl[1], das aufgrund der rauen Wetterbedingungen weitgehend unbehindert ins Meer gelangte und später in ein Vogelschutzgebiet verdriftete. Insgesamt wurden etwa 12.000 Seevögel, andere Quellen sprechen von 16.000 verölten Vögeln[2], vor allem Eiderenten, sowie mehrere Dutzend Seehunde von dem Öl betroffen. Am 12. November, also zwei Wochen später, hatte sich das Wetter beruhigt, so dass mit dem Abpumpen des Öls aus dem Wrack begonnen werden konnte. Der Schwelbrand der Ladung konnte erst einen Monat nach seinem Ausbrechen vollständig gelöscht werden. Teile des Wracks der Pallas liegen weiterhin vor Amrum und sind bei Niedrigwasser sichtbar. Mehr als 14 Millionen DM direkte Folgekosten sowie ein Schiffswrack blieben zurück.

Das Vorgehen nach der Havarie der Pallas wurde in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert und gewann starke politische Brisanz. Mehrere Untersuchungskommissionen und das Seeamt versuchten, die vielfach umstrittenen Angaben zum Hergang und Umfang der Havarie zu klären. Nach dem Unglück begannen intensive Diskussionen über die Sicherheit der Schifffahrt in der Nordsee und anderen Gewässern. Die mangelnde Koordination der Sicherheitskräfte wurde ebenso kritisiert wie allgemein unzureichende Sicherheitsrichtlinien, hier insbesondere für den Schiffsverkehr im sensiblen Ökosystem des Wattenmeers. Dabei war öffentlichen und gutachterlichen Stellungnahmen zu entnehmen, dass die Regelungen des Grundgesetzes zu den Zuständigkeiten im Katastrophenschutz zur See auf die Koordination des Hilfseinsatzes erschwerende Wirkung gehabt habe.

Nicht zuletzt dieses Unglück führte 2003 zur Gründung des Havariekommandos.

  • Lars Clausen: Schwachstellenanalyse aus Anlass der Havarie der PALLAS. Bundesverwaltungsamt – Zentralstelle für Zivilschutz, Bonn 2003, ISSN 0343-5164 (mit einem seerechtlichen Untergutachten von Doris König)
  • Ines Link u. a.: Auf Grund gelaufen. KFS-Publikation 10, Katastrophenforschungsstelle der Christian-Albrechts-Universität, Kiel 2000
  • Jan Mordhorst: Havarie. Dramatische Schiffsunfälle. Koehlers Verlagsgesellschaft mbH, Hamburg 1999, ISBN 3-7822-0747-5.
  • Tim Schwabedissen: Gestrandet. Schiffsunglücke vor der Nordseeküste. Koehlers Verlagsgesellschaft mbH, Hamburg 2004, ISBN 3-7822-0893-5.
Commons: Pallas – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Bettina Reineking: The Pallas Accident. In: Wattenmeersekretariat (Hrsg.): Wadden Sea Newsletter. Nr. 1, 1999, S. 22–25 (Online [PDF; 195 kB]).
  2. 20 Jahre nach der Pallas – eine Bilanz. In: Wattenmeer. Informationen für Mitglieder und Freunde der Schutzstation Wattenmeer, Ausgabe 4, Husum 2018, S. 2 ff.