Schlagerfilm

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Schlagerfilm ist ein deutschsprachiges Filmgenre, das zum Musikfilm gehört und von den 1950er-Jahren bis in die frühen 1970er-Jahre erfolgreich war. Das Genre ist durch die ausgiebige Verwendung von Schlagern gekennzeichnet, welche die Filmhandlung oft in den Hintergrund treten lassen.[1] Die Handlung wird meist von Liebesgeschichten, kuriosen Verwechslungen und komödiantischen Elementen dominiert und kulminiert meistens im Happy End.

Schon mit Beginn der Tonfilmära wurden oft Musik und Gesang in einen Film integriert, doch machten zunächst meist die Filme mit den eigens für sie komponierten Titeln die Schlager und nicht umgekehrt. So wurde auch der Musikfilm Die Drei von der Tankstelle mit Lilian Harvey und Willy Fritsch im Vorspann eigens als „Operette“ bezeichnet. Die eigentliche Zeit der Schlagerfilme kam erst in den 1950er Jahren, als sie nach und nach den Revuefilm verdrängten. Im Gegensatz zu diesem verzichtete der Schlagerfilm auf große Bühnenauftritte mit den üblichen Backstage-Problemen. Auch die adäquate Einbindung der Gesangseinlagen in die Handlung, wie sie für die Verfilmung von Operetten oder Musicals charakteristisch ist, wurde vernachlässigt. Peter Alexander, Caterina Valente, Vico Torriani und Fred Bertelmann waren damals die bedeutendsten Vertreter jener oft in Italien spielenden Filme.

Willy Zeyn war einer der ersten Produzenten, der einen Schlagersänger in den Mittelpunkt seiner Filme stellte. Vico Torriani erhielt in Strassenserenade (1953) seine erste Hauptrolle. Der Erfolg führte direkt zum Farbfilm Gitarren der Liebe (1954). Das Grundthema, der Aufstieg eines mittellosen Italieners zum Gesangsstar, wurde in Santa Lucia (1956) nur unwesentlich verändert. In Zusammenarbeit mit Artur Brauner entstand danach Siebenmal in der Woche (1957). Ein Erfolgstitel wurde zum Filmtitel. Sein letzter Film mit Torriani war Träume von der Südsee (1957). In Fred Bertelmann fand Zeyn einen neuen Hauptdarsteller. Dessen Erfolgsschlager stand Pate für Der lachende Vagabund (1958). In den Nachfolgern Das blaue Meer und Du (1959) und Gauner-Serenade (1960) trat in einer Nebenrolle Chris Howland auf, dem er in Das hab’ ich in Paris gelernt (1960) ebenfalls zu einer Hauptrolle verhalf. Danach beendete Willy Zeyn seine eigenständige Produktionstätigkeit.

Mitte der 1950er Jahre wurde auch die Münchner Verleiherin Ilse Kubaschewski auf das Genre des Schlagerfilms aufmerksam. Nachdem im Verleihprogramm des Gloria Verleihs, dessen Gründerin und Inhaberin Ilse Kubaschewski war, bisher vor allem leichte Unterhaltung in Form von Heimatfilmen erschienen war, versuchte die Kuba, wie sie auch genannt wurde, ihr Programm zu erweitern. In ihren bisherigen Filmen spielte Musik immer eine bedeutende Rolle. Mit dem Genre des Schlagerfilms wurde sie sogar in den Vordergrund gerückt. Ein erster Schlagerfilm, den Kubaschewski verlieh, war Die Große Star-Parade, der 1954 erschien. Produzent war Artur Brauner.[2]

Um 1960, nach dem Niedergang des Heimatfilms und des Revuefilms, hatte der Schlagerfilm seine Blütezeit. Von besonderer Bedeutung war in dieser Zeit das Aufkommen der Vinylschallplatte, welche die Verbreitung der Schlagermusik stark förderte. Peter Alexander, Peter Kraus, Cornelia Froboess, Gitte Hænning, Rex Gildo, Gus Backus, Vivi Bach, Hannelore Auer und Freddy Quinn waren nun die bekanntesten Schlagerstars, die in den Filmen erlebt werden konnten.

In der DDR entstanden keine eigenen Schlagerfilme. Die Nachfrage nach leichter musikalischer Unterhaltung wurde durch die Einfuhr bundesdeutscher Filme abgedeckt. Die DEFA versuchte einen eigenen Weg zu gehen, indem sie den Schlagersänger Frank Schöbel einsetzte, aber auf das Konzept des Filmmusicals zurückgriff.

Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre konnten Roy Black, Chris Roberts und Heintje dem Schlagerfilm noch einmal zu neuen Erfolgen verhelfen, doch im Zuge einer allgemeinen Kino- und Schlagerkrise kündigte sich das Ende dieses Genres an. Der Film Zwei im siebenten Himmel aus dem Jahr 1974 mit Bernd Clüver und Peter Orloff ist der letzte Schlagerfilm klassischen Zuschnitts. Später entstandene deutsche Musikfilme behandeln historische Vorgänge (wie Die Roy Black Story) oder sind Parodien (wie Der Trip – Die nackte Gitarre 0,5, mit Dieter Thomas Kuhn und Johnny Flash mit Helge Schneider).

Genreeigenschaften

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Formal durchmischen sich im Schlagerfilm oft unterschiedliche Genrekonventionen: Merkmale von Operettenverfilmungen, Revuefilmen, Schlagerparaden, Ferien- und Heimatfilmen, Krimis und Schulkomödien weisen den Schlagerfilm als eine Art Hybridgenre aus.[3]

Stärker noch als die Musikfilme der 30er und 40er Jahre interessiert sich der Schlagerfilm für seine eigene mediale Verfasstheit und seine Produktionsbedingungen. Daniela Schulz stellt in diesem Sinne fest: „Der Schlagerfilm erzählt gerne davon, wie Stars ‚gemacht‘ werden, wie erfolgreiche Schlager produziert werden. Schlagerfilme erzählen Mediengeschichte und Geschichten über Medien.“[4]

Schlagerfilme nehmen Bezug auf die Themen ihrer Zeit. Dazu zählen etwa das Wirtschaftswunder, die Verbreitung des Automobils und anderer Wohlstandsprodukte, der Zuwachs touristischer Reisen und die Faszination für Italien und exotische Sehnsuchtsorte, das Gefühl eines Verlusts der alten Heimat, die Entstehung einer Jugendkultur mit eigenen musikalischen Präferenzen sowie die Amerikanisierung durch Rock n’ Roll und Jazz.[5] Die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges und des Dritten Reichs bleiben im Schlagerfilm dagegen ausgeklammert: Als „Spiegel der bundesdeutschen Befindlichkeit nach 1945“ befriedigte das Genre primär „das Bedürfnis des Publikums nach heiler Welt und Zerstreuung.“[6]

Von der zeitgenössischen Filmkritik wurden Schlagerfilme entweder ignoriert oder, besonders in der Spätphase, mit verächtlichen Worten wie „blöder Schlager-Klamauk“ oder „an der Grenze zur Idioten-Komik“[7] abgetan. Sie erwiesen sich jedoch später im Fernsehen als recht beliebt und werden häufig ausgestrahlt.

Fritz Göttler befand in Geschichte des deutschen Films über den Schlagerfilm, das ständige Singen und die permanente Fröhlichkeit des Schlagerfilms sei nicht mehr abgestimmt auf die Handlung und in eine Geschichte integriert, sondern gewinne gespenstisches Eigenleben: „Dieses Phantomkino entbehrt des inneren Zusammenhangs, ist ein Kino der äußeren Erscheinungen: das keine innere Beteiligung kennt.“[8]

Liste von Schlagerfilmen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. „Schlagerfilm“ im Lexikon der Filmbegriffe. Universität Kiel, abgerufen am 28. Mai 2012.
  2. Michael Kamp: Glanz und Gloria. Das Leben der Grande Dame des deutschen Films Ilse Kubaschewski 1907-2001. August Dreesbach Verlag, München 2017, ISBN 978-3-944334-58-5, S. 141.
  3. Daniela Schulz: Wenn die Musik spielt… der deutsche Schlagerfilm der 1950er bis 1970er Jahre. Bielefeld 2012, ISBN 978-3-8394-1882-6, S. 13, 45–47.
  4. Daniela Schulz: Wenn die Musik spielt… Der deutsche Schlagerfilm der 1950er bis 1970er Jahre. Bielefeld 2012, ISBN 978-3-8394-1882-6, S. 35.
  5. Hans Jürgen Wulff: Editorial. Schlagerfilme im Kontext ihrer Zeit. In: Hans Jürgen Wulff, Michael Fischer (Hrsg.): Musik gehört dazu. Der österreichisch-deutsche Schlagerfilm 1950–1965. Bielefeld 2019, ISBN 978-3-8309-8965-3, S. 8.
  6. Daniela Schulz: Wenn die Musik spielt… Der deutsche Schlagerfilm der 1950er bis 1970er Jahre. Bielefeld 2012, S. 16.
  7. Kritiken vom Katholischen Film-Dienst; nach Manfred Hobsch: Liebe, Tanz und 1000 Schlagerfilme. 1998, S. 36.
  8. Fritz Göttler: Nachkriegszeit, in: Geschichte des deutschen Films, Verlag J.B. Metzler; Stuttgart, Weimar, 2. Auflage 2004, S. 205.