Sanctus

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Beginn des Sanctus auf dem Spruchband eines Engels, Stiftskirche Schlägl (Oberösterreich)

Sanctus (lateinischheilig“) ist ein nach seinem Anfangswort benannter Teil des Ordinariums, der feststehenden Gesänge oder Gebete innerhalb der christlichen Abendmahls-Liturgie, und dadurch auch in der Regel Bestandteil von Mess-Vertonungen. Es gehört zum alten Bestand des christlichen Gottesdienstes und wird zu Beginn des eucharistischen Hochgebets als Antwort der Gemeinde auf die Präfation von allen Gläubigen, vom Chor oder im Wechsel gesungen.

Der Wortlaut des Sanctus

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Der Wortlaut setzt sich zusammen aus der Akklamation der Engel in der Berufungsvision des Propheten Jesaja (6,3 EU)[1] sowie einem messianischen Begrüßungsruf aus Ps 118,25f. EU, von der Menge gerufen beim Einzug Jesu in Jerusalem (Mt 21,9 EU), der hier auf die eucharistische Gegenwart Christi bezogen wird.

Der auf den Propheten Jesaja zurückgehende erste Teil ist auch Bestandteil des frühchristlichen Hymnus Te Deum. Das in Jes 6,3 genannte Dreimalheilig (hebr. קדוש קדוש קדוש יהוה צבאות kadosh kadosh kadosh adonai zebaot) inspirierte auch weitere frühchristliche Textstellen: Offb 4,8, Korintherbrief des Clemens von Rom (34,6), die „Passio sanctarum Perpetuae et Felicitatis“ (12,2), den Traktat „De Oratione“ (3,3) von Tertullian. Sowohl die jüdische Keduscha als auch das Troparion Trishagion haben das Dreimalheilig von Jes 6,3 rezipiert, sollten aber nicht mit dem Sanctus der Eucharistiefeier verwechselt werden.

Der offizielle Wortlaut für das Sanctus im Missale Romanum (2002):

Sanctus, Sanctus, Sanctus Dominus Deus Sabaoth.
Pleni sunt caeli et terra gloria tua.
Hosanna in excelsis.
Benedictus qui venit in nomine Domini.
Hosanna in excelsis.

Der offizielle Wortlaut für das Sanctus im Deutschen Messbuch (1976):

Heilig, heilig, heilig Gott, Herr aller Mächte und Gewalten.
Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit.
Hosanna in der Höhe.
Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn.
Hosanna in der Höhe.[2]

In der lutherischen Messe ist der Wortlaut:

Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herre Zebaoth.
Voll sind Himmel und Erde seiner Herrlichkeit.
Hosianna in der Höhe.
Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herren.
Hosianna in der Höhe.[3]

In der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche ist ein kleiner mariologischer Zusatz enthalten.

Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth.
Voll sind Himmel und Erdreich seiner Ehre.
Hosiana in der Höhe.
Gebenedeit sei Marien Sohn, der da kommt im Namen des Herrn.
Hosiana in der Höhe.

Als Teil der Messe wurde das Sanctus von Komponisten aller Epochen vertont. Die frühere Praxis, den zweiten Teil des Sanctus, das Benedictus, erst nach dem Einsetzungsbericht zu singen, entspricht nicht mehr dem erneuerten Verständnis der katholischen Liturgie.

Die Anfänge des Sanctus

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Der älteste Beleg findet sich in einer 2018 in Frankfurt-Heddernheim, wo früher die römische Stadt Nida lag, gefundenen Amulettkapsel. Sie wird in die Zeit zwischen 220 und 270 datiert. Der Text liefert „Zeugnis für diese formelhafte beziehungsweise fromme Verwendung“ des Sanctus.[4] Dort heißt es: „Heilig, heilig, heilig! Im Namen Jesus Christi, Gottes Sohn!“[5]

Zuvor galt die Liturgie von Addai und Mari als frühester Beleg für die Verwendung in der christlichen Liturgie.[6] Zur Einführung des Sanctus als Glied der Eucharistiefeier dürfte es im 4. Jahrhundert im syrisch-palästinischen Raum oder in Ägypten gekommen sein. Möglicherweise spielte dabei eine Beeinflussung durch den jüdischen Gottesdienst eine Rolle. Die Quellenlage dazu ist sehr spärlich.[6] Spätestens Ende des 4. Jahrhunderts war das Sanctus gängiger Bestandteil der Eucharistiefeier im östlichen Bereich des Christentums. Älteste klare Textbelege für das Sanctus der Eucharistiefeier sind das Euchologion Serapionis in Ägypten, die Apostolischen Konstitutionen aus dem antiochenischen Einzugsgebiet, die Mystagogischen Katechesen von Jerusalem und die Predigten des Johannes Chrysostomos. Für den Gebrauch des Sanctus in der Eucharistiefeier des Westens gilt die pseudo-ambrosianische Schrift „Libellus de spiritu sancto“ (4,2) aus der Zeit um 400 als ältester Beleg. Das Sanctus mit dem Benedictus qui venit und dem Hosanna (Mt 21,9) wird im Westen erstmals von Caesarius von Arles, im Osten erstmals bei Severus von Antiochia bezeugt.[7]

Bedeutungsinhalte des Sanctus

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Vor allem die Autoren der griechischen Patristik des 4. und beginnenden 5. Jahrhunderts schreiben dem Sanctus der Eucharistiefeier eine vielfältige theologische Bedeutung zu. Demnach sei das Sanctus

  • ein Bekenntnis zum dreifaltigen Gott
  • eine Ankündigung der Menschwerdung Christi. Der Ausdruck „Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit“ wurde von mehreren Kirchenvätern (Johannes Chrysostomus, Theodor von Mopsuestia, Cyrill von Alexandrien) als Hinweis auf das Kommen Christi zur Erde gedeutet. Mit Christi Kommen würde die Erde nämlich mit Gottes Herrlichkeit erfüllt. Möglicherweise führte diese Deutung zur Einführung des Sanctus unmittelbar vor dem Einsetzungsbericht.[8]
  • Ausdruck von Lobpreis und Dank gegenüber Gott
  • eine Mahnung zu einem moralisch einwandfreien („heiligen“) Leben
  • eine Einladung zum spirituellen Aufstieg
  • ein Moment der Einheit zwischen Himmel und Erde.

Dazu schreibt Hans Asmussen: „Die Anbetung ist der Erwartung auf die jenseitige Welt nahe verwandt. Denn sie nimmt diese Welt vorweg im Glauben, soweit denn überhaupt von einem solchen Vorwegnehmen geredet werden kann.“[9]

Sanctus und Benedictus in der Kirchenmusik

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In den mehrstimmigen Messvertonungen seit dem Mittelalter wurde das Sanctus mit Osanna I vom Benedictus mit Osanna II getrennt. Das Sanctus erklang vor der Wandlung, das Benedictus danach. Gleichzeitig betete der Priester den Canon Missae leise.[10] Das Sanctus behielt in den großen abendländischen Messkompositionen den Aspekt der Teilhabe an der himmlischen Liturgie, während das Benedictus, die Begrüßung des in den Gestalten von Brot und Wein gegenwärtigen Herrn, besonders im 18. und 19. Jahrhundert als introvertierter Ausdruck des eucharistischen Mysteriums gestaltet wurde.

  • Bryan D. Spinks: The Sanctus in the Eucharistic Prayer. Cambridge University Press, Cambridge 1991, ISBN 0-521-39307-8.
  • Robert F. Taft: The Interpolation of the Sanctus into the Anaphora: When and Where? A Review of the Dossier. In: Orientalia Christiana Periodica, Jg. 57 (1991) S. 281–308 und Jg. 58 (1992), S. 83–121.
  • Robert Hayward, Andrew Louth: Sanctus. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 30, de Gruyter, Berlin / New York 1999, ISBN 3-11-016243-1, S. 20–29.
  • Pius Maurer: Sanctus-Deutungen in Werken der griechischen Patristik (= Liturgica Oenipontana, Bd. 4). Lit, Wien/Berlin/Münster 2011, ISBN 978-3-8258-1979-8 (zugleich Dissertation am Päpstlichen Athenaeum Sant’Anselmo Rom).
Commons: Sanctus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. dazu Robert Hayward: Art. Sanctus, Teil 1: Alttestamentlich und jüdisch. In: TRE, Bd. 30, S. 24.
  2. Gotteslob 588,4.
  3. Evangelisches Gesangbuch 185,1.
  4. Tobias Fricke: Archäologe erklärt Fund des christlichen Schriftstücks in Frankfurt: Wie sensationell ist der Sensationsfund tatsächlich? In: domradio.de. 16. Dezember 2024, abgerufen am 17. Dezember 2024 (Interview mit Markus Scholz).
  5. „Frankfurter Silberinschrift“ – Ältestes christliches Zeugnis nördlich der Alpen gefunden. In: frankfurt.de. 11. Dezember 2024, abgerufen am 17. Dezember 2024.
  6. a b Andrew LouthSanctus, Teil 2: Christlich. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 30, de Gruyter, Berlin / New York 1999, ISBN 3-11-016243-1, S. 25–29 (hier S. 27).
  7. vergleiche Maurer, S. 15.
  8. vergleiche Maurer, S. 260 und 265.
  9. Hans Asmussen: Gottesdienstlehre, Bd. 1: Die Lehre vom Gottesdienst. Kaiser Verlag, München 1937, S. 281.
  10. Sanctus – Benedictus auf der Webseite des Forschungsprojektes Missa Mediaevalis der Universität Münster.