Melezk (Krasnojarsk)

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Dorf
Melezk
Мелецк
Föderationskreis Sibirien
Region Krasnojarsk
Rajon Biriljusski
Innere Gliederung Teil der Gemeinde Poljewoje
Gegründet 1621
Frühere Namen bis 1622 Tschulymsk
Dorf seit 1709
Bevölkerung 6 Einwohner Vorlage:Infobox Ort in Russland/Wartung/Stand
Höhe des Zentrums 159 m
Zeitzone UTC+7
Telefonvorwahl (+7) 39158
Postleitzahl 662133
Kfz-Kennzeichen 24, 84, 88, 124
OKATO 04 206 822 006
Geographische Lage
Koordinaten 57° 25′ N, 90° 13′ OKoordinaten: 57° 25′ 4″ N, 90° 12′ 37″ O
Melezk (Krasnojarsk) (Russland)
Melezk (Krasnojarsk) (Russland)
Lage in Russland
Melezk (Krasnojarsk) (Region Krasnojarsk)
Melezk (Krasnojarsk) (Region Krasnojarsk)
Lage in der Region Krasnojarsk

Vorlage:Infobox Ort in Russland/Wartung/Daten

Melezk (russisch Мелецк), gelegentlich auch Meletzk, Meletsk, Melesk, Meleck oder Mieleck transkribiert, war ein Ostrog in der sibirischen Taiga. Das in der Nähe entstandene Dorf (derewnja) Melezk gehört zur Gemeinde Poljewoje im Bezirk Biriljussy im Westen der russischen Region Krasnojarsk.

Mündung des Flüsschens Kemtschug in den Fluss Tschulym nahe Melezk

Zusammen mit Polewoje und vier weiteren Nachbardörfern (Issakowka, Podkamjenka, Prombor, Schelewo) bildet Melezk die Gemeinde (selsowet) Poljewoje.[1]

Melezk befindet sich 20 Kilometer Luftlinie (30 Kilometer Landweg) westlich von Poljewoje und 57 Kilometer (85 Kilometer) nordwestlich des Bezirkszentrums Nowobiriljussy.[1] (Nowobiriljussy wiederum ist 240 Kilometer von Krasnojarsk entfernt.)

Melezk wurde am rechten Ufer (Nordufer) des Flusses Tschulym errichtet[2][3] (an der Mündung eines kleinen Flüsschens namens Melet in den Tschulym). Das Dorf liegt 159 Meter über dem Meeresspiegel.[1]

Der Melezker Ostrog befand sich nicht auf dem Gebiet des heutigen Dorfes Melezk, sondern 38 (60) Kilometer südlich davon (flussaufwärts) im heutigen Dorf Biriljussy[3] – nahe jener Stelle, an der der Fluss Kemtschug in den Tschulym mündet.[1][4] (Das Dorf Biriljussy gehört zwar nicht zur Gemeinde Poljewoje, sondern zur Nachbargemeinde Arefjewo, aber ebenso wie Poljewoje zum Bezirk Biriljussy.)

Ehemalige Siedlungsgebiete der Melezker Tataren an den Ufern des Tschulym

Jahrhundertelang waren die Ufer des Flusses Tschulym nur vom Volk der Tschulym und sibirischen Tataren bevölkert[2][5][6][7], die Tschulym zählten sich selbst zu den Tataren.[8] Nach der russischen Eroberung des Khanates Sibir wurden Tschulym und Tataren im 17. Jahrhundert sowohl von Russen als auch von Jenissei-Kirgisen bedrängt.[3]

Melezker Ostrog

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Zum Schutz vor kirgisischen Angriffen unterstellte im Jahr 1620 ein Fürst der Meles-Tataren (auch Melessier oder Meletsen) sein Land und seine Leute den Russen und forderte sie auf, einen befestigten Stützpunkt in seinem Gebiet zu errichten. Anderen Überlieferungen zufolge sollen stattdessen die Kirgisen um die Errichtung eines russischen Postens zum Schutz vor den Mongolen gebeten haben.[3] Der Tomsker Kosakenoberst Moltschan Lawrow, der 1618 schon (Nowo-)Kusnezk gegründet hatte, ließ daraufhin am 13. September 1621 auch den Melezker Ostrog (Мелецкий bzw. Мелесский острог) errichten[1][4] – eine Art palisadenbewehrtes Wehrdorf, in dem ab 1622 zunächst 30 Kosaken stationiert wurden.[1] Ursprünglich sollte der Ostrog offenbar nach dem Hauptfluss benannt werden und Tschulymsk heißen, doch bereits 1622 hatte sich in offiziellen Dokumenten Melezk durchgesetzt.[3]

Der Melezker Ostrog war dem Gouverneur in Tomsk unterstellt und diente fortan als Zentrum zum Einsammeln des Jasak[2][4] – ein Tribut, den die Tataren und Kirgisen der Umgebung in Form von Pelzen entrichten mussten. Als (zumindest bis 1642[9]) einziger befestigter Umschlagplatz auf dem „Katharinentrakt“ zwischen Tomsk und Jenisseisk wurde Melezk im 17. Jahrhundert mehrmals von den Kirgisen angegriffen und belagert, zerstört und 1707 niedergebrannt.[1][2][4]

Die Reste des Melezker Ostrogs waren schon Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr erhalten.[1][9] In Kulturhaus von Nowobiriljussy pflegt aber ein Musikensemble namens Мелецкий острог kosakisches Liedgut.[1]

Vom Tomsker Bojaren Sawja Zyzurin, der auch den Ostrog von Atschinsk verwaltete, wurde Melezk im Jahr 1709 oder 1710 einige Kilometer flussabwärts am heutigen Standort neuaufgebaut.[1] Der Forschungsreisende Gerhard Friedrich Müller machte 1736 in dem Dorf Station.[4] Mit der Errichtung des Moskauer Trakts und der Transsibirischen Eisenbahn verlagerten sich die sibirischen Hauptverkehrswege im 18., 19. und 20. Jahrhundert weiter nach Süden.[1] Melezk wurde 1822 dem Gouvernement Jenisseisk (später Krasnojarsk) angegliedert (und innerhalb des Gouvernements dem Bezirk Atschinsk), aber der Bau einer Anschlussbahnstrecke von Jenisseisk über Melezk nach Atschinsk wurde verworfen.[2][10] Melezk geriet ins Abseits und verlor an Bedeutung.[1][4]

Seit 1924 gehört Melezk nicht mehr zum Bezirk Atschinsk, sondern zum Bezirk Biriljussy. In den 1930er Jahren wurden Gegner der Zwangskollektivierung in der Sowjetunion und Angehörige aufsässiger Volksgruppen aus anderen Regionen Russlands in den Bezirk deportiert. Die Dörfer Poljewoje und Issakowka entstanden damals ursprünglich als Arbeitslager.[11] Nach Melezk wurden vor allem Verbannte aus dem Nordkaukasus und dem Kuban-Gebiet gebracht[12] sowie einige Wolgadeutsche.[13] Die meisten Überlebenden verließen Melezk nach Aufhebung der Verbannungen 1957 wieder. Für die Opfer der politischen Repressionen wurde ein Denkmal auf dem Friedhof von Poljewoje errichtet.[2]

Anlässlich des 400-jährigen Bestehens des Dorfes Melezk erschienen 2021 in Nowobiriljussy und Krasnojarsk, aber auch in Tomsk und Abakan einige regionalhistorische Sonderveröffentlichungen über Melezk.

Ab den 1720er bzw. 1730er Jahren siedelten sich in und um Melezk auch russische Kolonisten an[2][4], die sich mit den Tschulym vermischten. Teils auf diesem Wege, teils durch Gewalt[14] wurden 1720 damals die meisten Tschulym getauft[15] und zumindest oberflächlich christianisiert.[16][17] Von Wolgatataren ausgehende Re-Islamisierungsbemühungen scheiterten.[18] Im Jahr 1761 wurden in Melezk und Umgebung 897 Christen gezählt[4], im Jahr 1858 gab es noch 570 Melezker.[19] Die Volkszählung von 1897 erfasste in Melezk stattdessen noch 71 Menschen, von denen 58 Tschulym und 12 Russen waren, und die Volkszählung von 2010 ergab sogar nur sechs Einwohner (vier Männer und zwei Frauen).[1]

Melezker Tataren

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In älteren Quellen wurden die von Melezker bzw. Atschinsker Beamten verwalteten Tschulym-Tataren des Umlands auch als Melezker Tataren (мелецкие татары bzw. Мелетцы) bezeichnet.[9] Mehrere Dörfer wurden in mehr oder weniger selbständig verwalteten Ulus bzw. Wolosten zusammengeschlossen, an den Ufern des Tschulym gab es zwölf[20] oder 14[21] (nach anderen Angaben 28[15]) Woloste. Zum Melezker Wolost gehörten Mitte des 19. Jahrhunderts zehn Clans[22] mit rund 1.300 Angehörigen in 20 Siedlungen.[9] (Anderen Angaben zufolge gab einschließlich des westlich angrenzenden Tutal-Wolost damals zwischen 3.900 und 4.800 Tschulym in der Region.[23]). Die russische Volkszählung von 1897 ergab 11.123 Tschulym in ganz Sibirien.[18] (Anderen Angaben zufolge sollen es 15.000[24] gewesen sein, davon 6.000 wehrfähige Männer.[17]) Bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts galten die Melezker Tschulym als vollständig russifziert[9][16], obwohl einige Ethnologen diesen frühen Zeitpunkt bezweifelten.[23] Spätestens aber zur Mitte des 20. Jahrhunderts war der Großteil der damals noch immer geschätzt 11.000[18] Tschulym schließlich mit Russen und Chakassen verschmolzen.[6][7][8][25] Vor allem ihre Nachkommen aus Mischehen bezeichnen sich seitdem als Russen.[6][25]

Melezker Dialekt

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Die einstige Sprache der Tschulym zählt zu den südsibirischen Turksprachen. Sie weist Ähnlichkeiten und Verwandtschaften sowohl mit den Sprachen der Tataren als auch der Chakassen auf. Tschulymisch umfasste eigentlich zwei Dialekte[26], die nach den Siedlungsgebieten am Mittel- und Unterlauf des Flusses als Mitteltschulymisch und Niedertschulymisch bezeichnet wurden. Niedertschulymisch starb Mitte des 20. Jahrhunderts aus.[8][21] Das am Mittellauf des Flusses verbreitete Mitteltschulymisch besteht wiederum aus zwei Unterdialekten – dem stärker vom Tatarischen beeinflussten Tutal-Dialekt[8][26][27] (dessen Sprecher einst als Tutal-Tataren bezeichnet wurden[3]) und dem eher mit dem Chakassischen verwandten Melezker bzw. Melet-Dialekt (мелетский диалект bzw. мелет говор).[27][28]

Einige Linguisten betrachten den Melet-Dialekt nicht als Unterdialekt des Mitteltschulymischen, sondern als einen eigenständigen dritten Dialekt Obertschulymisch. Ursprünglich hatten sie damit das am Oberlauf des Flusses von den Xysyl gesprochene Dialektkontinuum zwischen Chakassisch und Tschulymisch bezeichnet.[20][28] Als die Xysyl mit den übrigen Chakassen verschmolzen, wurde die Bezeichnung Obertschulymisch auf den Melet-Dialekt übertragen.[5][8][26] In Melezk selbst gibt es keine Tschulymisch-Sprecher mehr; der Melet-Dialekt wird nur noch in Passetschnoje gesprochen.[27] Alle tschulymischen Dialekte sind vom Aussterben bedroht.[8][26]

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i j k l m Энциклопедия Красноярского края: Деревня Мелецк
  2. a b c d e f g Официальный сайт Администрации Бирилюсского района: История района
  3. a b c d e f Города и остроги земли Сибирской: Время и обстоятельства возникновения Мелесского острога
  4. a b c d e f g h Энциклопедия Сибири: Мелесский острог
  5. a b Chriss Lasse Däbritz, Birsel Karakoc: Chulym Turkic, In: Anja Behnke, Beáta Wagner-Nagy: Clause Linkage in the Languages of the Ob-Yenisei Area, Seite 386ff. Brill, Leiden 2023
  6. a b c Новости Красноярского края vom 21. Mai 2014: Малая народность «Чулымцы»
  7. a b Artikel Tschulym in der Großen Sowjetischen Enzyklopädie (BSE), 3. Auflage 1969–1978 (russisch)http://vorlage_gse.test/1%3D122813~2a%3DTschulym~2b%3DTschulym
  8. a b c d e f Lars Johanson: Turkic Languages, Kapitel 4.13.1.5. University Printing House, Cambridge 2021
  9. a b c d e Энциклопедия Брокгауза Ф.А. и Ефрона И.А: Мелецкое инородческое ведомство
  10. Енисейский музей-заповедник vom 6. Februar 2024: Нереализованные проекты Енисейска: Железная дорога Ачинск-Енисейск
  11. Memorial Krasnojarsk vom 31. Dezember 2021: Deportation und Rehabilitation der enteigneten Großbauern
  12. Memorial Krasnojarsk vom 12. Juli 2003: Deportationen aus dem Nord-Kaukasus, einschließlich dem Kuban-Gebiet (in den Jahren 1933-1935)
  13. vgl. Memorial-Krasnojarsk-Opferlisten G und H
  14. Wilhelm Friedrich Volger: Anleitung zur Länder- und Völkerkunde, Teil 2 (Asien, Afrika, Amerika und Australien), Seite 14. Hahn, Hannover 1830
  15. a b Johan Peter Falk, Johann Gottlieb Georgi: Beyträge zur topographischen Kenntniß des Rußischen Reiches, Dritter Band, Seite 554–557. Akademie der Wissenschaften, Sankt Petersburg 1786
  16. a b Armin Vámbéry: Das Türkenvolk in seinen ethnologischen und ethnographischen Beziehungen, Seiten 101 und 113. F. A. Brockhaus, Leipzig 1885
  17. a b Karl Moritz von Brömsen: Rußland und das Russische Reich - ein geographisches Handbuch, Band 2, Seite 656f. Flittner, Berlin 1819
  18. a b c Encyclopaedia of Islam: Čulim, Volume II, Seite 82. Brill, Leiden 1991
  19. A. G. Vinogradov: The population of Russia (Население России и СССР с древнейших времен по настоящее время), Seiten 244 und 292f. Createspace, North Charleston 2016
  20. a b Ronald Wixman: Peoples of the USSR - an ethnographic handbook, Seite 121. Routledge, London und New York 2017
  21. a b Valeriya Lemskaya: Word Order Variation in Chulym Turkic of Siberia, In: Hiwa Asapour, Thomas Jäger (Hrsg.): Word Order Variation - Semitic, Turkic an Indo-European langueges in contact, Seite 182f. Gruyter, Berlin und Boston 2022
  22. V. Schtschukin: Die Völker türkischer Zunge im südlichen Sibirien, In: Heinrich Berghaus (Hrsg.): Zeitschrift für Erdkunde als Vergleichende Wissenschaft, Band 10, Seite 336f. Verlag Baensch, Magdeburg 1850
  23. a b Nikolai A. Tomilov: Ethnic processes within the Turkic population of the West Siberian plan, In: Cahiers du Monde russe, Ausgabe 41/2–3, April–September 2000, Seite 221ff. EHESS, Paris 2000
  24. Johann Georg Heinrich Hassel: Genealogisch-historisch-statistischer Almanach für das Jahr 1847, Seite 142. Landes-Industrie-Comptoir, Weimar 1847
  25. a b История России vom 6. Mai 2016: Чулымцы
  26. a b c d Michael Németh: The Turkic language family, In: Edward Vajda (Hrsg.): The Languages and Linguistics of Northern Asia, Seite 18f. Gruyter, Berlin und Boston 2024
  27. a b c Interactive atlas of indigenous peoples of the North, Siberia and the Far East: Chulym Turkic
  28. a b Gregory David Shelton Anderson: Auxiliary Verb Constructions in Altai-Sayan Turkic, Seite 2f. Otto Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2004