Bori (Hausa)
Bori ist der traditionelle Besessenheitskult der Hausa in Niger und Nigeria.
Zu seinem wichtigsten Zentrum entwickelte sich ab 1860 der Ort Chikal im heutigen Niger.[1] Bis zur Einführung der Scharia im Jahr 2000 wurde der Kult in allen Hausastädten im Norden Nigerias praktiziert. Er steht mit dem dortigen Dodo-Kult in Beziehung.
Alle Mitglieder des Bori-Kultes betrachten sich selbst als Muslime. Ihr Kult wird von toleranten Muslimen geduldet, da die vormaligen Gottheiten des Kultes heutzutage als Geistwesen (iska, Pl. iskoki) angesehen werden. Im Zuge der Durchsetzung der Scharia wurde der Kult in radikalen Staaten wie Zamfara, Sokoto, Kano und zum Teil auch Kebbi völlig eliminiert. In toleranteren Staaten ist es den Adepten weiterhin gestattet, ihren Kult in geschlossenen Räumen unter sich zu praktizieren.
Die Bori-Adepten vereinigen sich bei besonderen Gelegenheiten, und unter Gesang und Musik verwandeln sich die aktiven Mitglieder in Medien ihrer Geister. Das führende Musikinstrument bei der Durchführung der Tanzzeremonie ist die einsaitige Spießgeige goge. Hinzu kommen die Sanduhrtrommel kalangu und perkussiv eingesetzte Kalebassen oder Blechkanister. Die Teilnehmer werden dementsprechend gekleidet und sie verhalten sich dann auch so wie die Götter, die sie darstellen. Die Preislieder an die Geister und die Verhaltensweisen der Medien liefern wichtige Anhaltspunkte zur Rekonstruktion der vorislamischen Götterwelt der Hausa. Dieses Material kann auch zum Verständnis der vormaligen sakralen Königtümer der Hausa herangezogen werden.[2]
Neben dem von der ethnologischen Forschung gut untersuchten Bori-Kult gibt es im Norden Nigerias weniger bekannte Besessenheitskulte wie Badiri bei den Schua-Arabern, Badire bei den Kotoko und Gusa vala bei den Malgwa. Zu letzterem Ritual spielt ein Orchester Flöte (gulve), Kürbisrassel und Wassertrommel.[3] Vergleichbare besitzergreifende Geister in Afrika sind die Vimbuza-Geister in Sambia und Malawi und der Pepo-Geist in Tansania. Im islamischen Umfeld gibt es den Zar-Kult in Ägypten und Sudan, den Derdeba-Kult bei den Gnawa in Marokko, der dem tunesischen Stambali entspricht, den Geist Aisha Qandisha in Marokko und bei den Tuareg werden Geister mit Tendé-Musik besänftigt.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Fremont E. Besmer: Horses, Musicians and Gods: The Hausa Cult of Possession-Trance. South Hadley 1983.
- Jacqueline Cogdell Djedje: Song Type and Performance Style in Hausa and Dagomba Possession (Bori) Music. In: The Black Perspective in Music, Band 12, Nr. 2, Herbst 1984, S. 166–182.
- Joseph Greenberg: The Influence of Islam on a Sudanese Religion, Seattle 1946.
- Matthias Krings: Geister des Feuers: Zur Imagination des Fremden im Bori-Kult der Hausa. (Mainzer Beiträge zur Afrikaforschung Bd. 4) Lit Verlag, Münster 1998, ISBN 978-3825833992
- Guy Nicolas: Dynamique sociale au sein d'une société hausa. Paris 1975, S. 205–211
- Michael Onwuejeogwu: The Cult of the Bori Spirits among the Hausa. In: Mary Douglas, Phyllis M. Kaberry (Hrsg.): Man in Africa. Tavistock Publications, London 1969, S. 279–306
- A. J. N. Tremearne: The Ban of Bori. Demons and Demon Dancing in West and North Africa. London 1914. Nachdruck: Kessinger Publishing, Whitefish (Montana) 2003, ISBN 978-0766180154 (bei Internet Archive)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Idrissa Kimba: Une révolte paysanne et anticoloniale. La prêtresse Chibo et le mouvement de Baboulé/Hawkal au Niger (1925–1927). In: Sociétés africaines et diaspora. Nr. 3, September 1996, S. 37.
- ↑ Siehe z. B. die Ausführungen von Dierk Lange zum Dango-Fest in Kebbi und zu den Parallelen zwischen den Bori-Göttern und den Figuren der Bayajidda-Legende in Daura (Ancient Kingdoms, Dettelbach, 2004, 183-8, 230-2).
- ↑ Raimund Vogels: Die Besessenheitsbehandlung gusa vala bei den Malgwa in Nordostnigeria. ( vom 4. März 2016 im Internet Archive) In: Wolfgang Auhagen, Bram Gätjen, Klaus Wolfgang Niemöller (Hrsg.): Systemische Musikwissenschaft. Festschrift Jobst Peter Fricke zum 65. Geburtstag. Musikwissenschaftliches Institut Universität zu Köln, Köln 2003, S. 411–421, hier S. 420