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True Cost Accounting

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True Cost Accounting (TCA), auch Full Cost Accounting (FCA) ist eine Form der Kostenrechnung unter Berücksichtigung der verursachten gesamtgesellschaftlichen Kosten. Bei diesem Ansatz werden neben den direkten Produktionskosten auch ökologische und soziale Folgekosten als Externe Kosten in den Produktpreis und damit in die betriebliche Gewinn- und Verlustrechnung eingerechnet. Die von der TCA erfassten Kosten werden in der Volkswirtschaftslehre auch als negative externe Effekte bezeichnet. Ein Aspekt der TCA ist die Auszeichnung von Ladenpreisen auf der Grundlage sämtlicher gesamtgesellschaftlichen Kosten. Man spricht dann von True Pricing. TCA und True Pricing finden hauptsächlich im Lebensmitteleinzelhandel, der Getränkeindustrie und in der Modebranche sowie in der Forstwirtschaft Anwendung.

2006 haben die Vereinten Nationen mit ihrem Pakt mit Finanzinstituten (UNEP Finance Initiative) und dem Pakt mit Unternehmen (Global Compact) die Aufstellung der Principles for Responsible Investment (PRI) gefördert, die als ESG-Kriterien (Environmental, Social & Governance) zu maßgebenden Anlagekriterien für Investmentfonds wurden. Ebenso wurde 2010 gemeinsam mit den Big Four beim Institut der englisch-walisischen Wirtschaftsprüfer ICAEW eine neue Abteilung The Economics of Ecosystems and Biodiversity TEEB mit der Zielsetzung eingerichtet, das Naturkapital zu erfassen und den ökonomischen Nutzen der Umwelt zu bewerten. In den Bilanzen der Unternehmen sollen soziale Messmethoden eingeführt werden, einschließlich des Vollkostenansatzes TCA. Damit sollen Schattenpreise für Öffentliche Güter und Dienstleistungen ermittelt werden, die sowohl die gesellschaftlichen Kosten, als auch die ökonomischen Folgekosten und die Nachteile der betriebswirtschaftlich verengten Sichtweise aufzeigen.[1]

Verschiedene andere Organisationen haben ebenfalls TCA-Studien veranlasst, wie zum Beispiel das World Business Council for Sustainable Development. In Großbritannien setzt sich der Sustainable Food Trust für die öffentliche Aufmerksamkeit des True Cost Accounting ein, und organisierte 2013 und 2016 jeweils eine Konferenz zu dem Thema.[2]

Die Stiftung Global Nature Fund hat mit dem Natural Capital Protocol (2016) und dem Social Capital Protocol (2017) in Zusammenarbeit mit der TEEB AgriFood einen universellen Rahmen für FCA entwickelt, um diese Methode in das betriebliche Rechnungswesen zu integrieren und damit Entscheidungsträger in Regierungen, Unternehmen und in der Landwirtschaft besser zu informieren.[3]

Bestimmung der wahren Kosten

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Die wahren Kosten umfassen die Auswirkungen der gesamten Produktionskette von Lebensmitteln und Getränken auf die Gesellschaft und die Umwelt. Dazu gehören Schadstoffe, Umweltschaden, Krankheiten, und die Klimabilanz der Produkte. Zu hohe Nitratwerte im Grundwasser führen zum Beispiel dazu, dass der Kunde am Ende eine höhere Wasserrechnung bezahlen muss. Diese Kosten werden konventionell nicht im Marktpreis widergespiegelt. Mit dem von TCA erfassten Preisaufschlag kann der Kunde bereits im Laden seine Entscheidung treffen, und somit dazu beitragen, dass negative Folgekosten nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Neben ökologischen Kosten werden je nach Implementierung auch die sozialgesellschaftlichen Kosten als pekuniäre Größen geschätzt, zum Beispiel die Auswirkung auf Armut, soziale Ungleichheit und Volksgesundheit.

Im Rahmen von Risikobewertungen haben Finanzanalysten die Möglichkeit erörtert, dass Regierungen nicht länger bereit sein könnten, die ökologischen Folgekosten zu tragen und die bislang übliche steuerliche Belastung des Faktors Arbeit durch eine ökologische Besteuerung zu ersetzen, die nach dem Umfang der jeweils verursachten Externalties (polluter pays) bemessen würde. Daneben würden höhere Versicherungsprämien, inflationsbedingte Preiserhöhungen für den Materialeinsatz und höhere Kosten für die Vermeidung und Beseitigung von Umweltschäden und anderen Folgekosten anfallen. Zur Ermittlung dieser Risiken wurde Trucost, das Research Center von Standard and Poor’s, von der UNEP Finance Initiative und Global Compact 2010 beauftragt. Im Rahmen ihrer Erhebung bei den global 3000 größten Unternehmen kamen die Analysten auf eine Größenordnung von jährlich 2 Billionen (am.: trillions) US-Dollar.[4] In einer Studie für TEEB schätzten die Analysten von Trucost die gesamten Risiken aus den Schäden für das Naturkapital für Wirtschaft, Investoren und Regierungen auf einen Wert von jährlich 7,3 Billionen US-Dollar. Davon entfielen 38 Prozent auf Treibhausgase, 25 Prozent auf den Wasserverbrauch, 24 Prozent auf Landnutzung, 7 Prozent auf Luftverschmutzung, 5 Prozent auf Boden- und Gewässerverschmutzung und 1 Prozent auf Abfall.[5]

Die FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, hat 2014 und 2015 zwei Studien veröffentlicht mit TCA-Analysen der Lebensmittelverschwendung (Food wastage footprint: Full cost accounting[6]) und zum gesamten Impact der Weltnahrungsmittelproduktion auf natürliche Hilfsquellen (Natural Capital Impacts in Agriculture[7]). Die erste Studie beziffert die Kosten der Nahrungsmittelverschwendung auf ungefähr 700 Milliarden Dollar für natürliche Hilfsquellen und ungefähr 900 Milliarden Dollar für soziales Kapital. In der zweiten Studie setzte sie den Umweltschaden der gesamten Weltnahrungsmittelproduktion auf etwa 2330 Milliarden Dollar pro Jahr an.

Tobias Gaugler vom Institut für Materials Resource Management der Universität Augsburg hat 2018 in einer Studie How much is the dish – was kosten uns Lebensmittel wirklich? die wahren Kosten von Lebensmitteln untersucht.[8] Danach variiert der Preisaufschlag, wenn die wahren Kosten eines Lebensmittels mit eingerechnet würden, von vier bis rund 200 Prozent. Im Durchschnitt sollten die Lebensmittelpreise in Deutschland 62 Prozent höger liegen als ohne Einrechnung der externen Kosten.

Im November 2019 veröffentlichte die Boston Consulting Group die Studie Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft nachhaltig sichern, in der die wahren Kosten der Landwirtschaft in Deutschland, also die negativen Effekte auf die Umwelt auf 90 Milliarden pro Jahr beziffert werden. Die Studie bezieht den Klimawandel (Klimagase wie CO2), die Düngemittel-Problematik (Nitrat und Stickstoff), den direkten und indirekten Energiebedarf und die Landnutzungsänderung mit ein.[9]

In dem Report for business and enterprise entwarf die TEEB 2012 im Auftrage des Umweltprogramms der Vereinten Nationen einen Rahmen für Management und Rechnungswesen (Environmental Management Accounting), in den BES-Informationen (biodiversity und ecosystem) einbezogen sind, und zwar als prozessbassiert oder ergebnisbezogen (Verbrauch von Wasser, Energie und Materialeinsatz). Dabei werden die direkten Kosten für Luftverschmutzung und Abfälle sowie die monetär bewerteten externen Effekte der Umweltbelastung erfasst und als immaterielle Anlagegüter (intangible assets) bilanziert. Der Brauereikonzern SABMiller gab an, damit den Wasserverbrauch seit 2008 um ein Viertel gesenkt zu haben.[1]

In den Niederlanden und in Deutschland hat das Bio-Unternehmen Eosta mittels seinem Lebensmittel-Transparenzsystem Nature & More 2017 damit angefangen, die Prinzipien des True Cost Accounting anzuwenden.[10] Eosta habe erstmals „ein Preisschild an die verborgenen Kosten“ geheftet, so Eosta-Gründer Volkert Engelsmman[11]. Das Unternehmen führte 2016 eine erfolgreiche Kampagne[12] und konnte im Juni 2017 die Ergebnisse eines Pilotprojekts namens True Cost Accounting for Farming, Food and Finance (dt.: Berechnung der tatsächlichen Kosten für Lebensmittel, Landwirtschaft und Finanzen) Prinz Charles vorlegen[13]. In einem Interview im August 2022 verwies Engelsman auf eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY und des Instituts Soil & More, wonach bei Einrechnung der externalisierten Kosten für Bio Obst ein Kostenvorteil von 5,7 Eurocent pro Kilo nachgewiesen worden sei.[14]

Unter der Marke TRUESDAY Specialty Coffee[15] wird seit März 2021 der erste Kaffee mit True Price in Deutschland verkauft.[16][17] Sowohl der Wert der Kaffeebohnen als auch die ökologischen und sozialen Kosten des Kaffeeanbaus werden zu 100 % berücksichtigt, aufgezeigt und kompensiert. Der Wert des Kaffees orientiert sich nicht an Rohstoffbörsen, sondern an den realen Auswirkungen des Kaffeeanbaus auf Mensch und Natur. Für die Datenerhebung und Kompensation ökologischer und sozialer Schäden wird TRUESDAY von NGOs und Sozialunternehmen, wie der True Price Organisation,[18] der Futureproof Coffee Collective, Progreso Foundation, Eden Reforestation Projects sowie einem Netzwerk aus nachhaltig wirtschaftenden Kaffeehändlern und -Farmern unterstützt. Seit Markteintritt ist TRUESDAY zudem Mitglied im Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V.

Die folgende Tabelle zeigt den Preisaufschlag im Vergleich zwischen konventionellen und Bio-Lebensmittel:

Vergleichstabelle wahre Kosten Lebensmittel[19]
Produkt Preisaufschlag konventionell Preisaufschlag bio
Apfel 8 % 4 %
Banane 19 % 9 %
Kartoffel 12 % 6 %
Tomate 12 % 5 %
Mozzarella 52 % 30 %
Gouda Käse 88 % 33 %
Milch 122 % 69 %
Fleisch (gemischt) 173 % 126 %

Der zur Rewe-Gruppe gehörende Berliner Nachhaltigkeitsmarkt Penny Grüner Weg hat eine Studie in Auftrag gegeben, in der sowohl der ursprüngliche Preis, als auch die wahre Kosten angegeben waren. Für eine Packung Gouda-Käse zum Beispiel mit einem Preisaufschlag von 88 Prozent sind die wahren Kosten 3,74 Euro statt 1,99 Euro. Der Kunde konnte in diesem Projekt freiwillig entscheiden, ob er den höheren „wahren Preis“ bezahlte.

Der Kaffeeanbieter Truesday internalisiert die wahren Kosten des Kaffeeanbaus. Die externen sozialen und ökologischen Kosten werden über 3 Wege an Kaffeeanbaugebiete zurückgeführt: über eine Prämie an Farmer werden soziale Kosten ausgeglichen, Aufforstungsprogramme kompensieren die Auswirkungen auf den Klimawandel, alle weiteren ökologischen Kosten werden durch Spenden an eine Bildungseinrichtung kompensiert.

Laut Kritikern von TCA ist es oft schwierig, den Wert ökologischer Ressourcen und soziales Kapital in Geld auszudrücken, da die Wertschätzung von Natur immer subjektiv sei. Der praktische Nutzen des TCA wird in Frage gestellt[20]. Ein Faktor wie Tierwohl wurde zum Beispiel auch in der genannten Augsburger Studie nicht berücksichtigt. Zudem würde die Umsetzung von TCA einen sehr großen bürokratischen Aufwand mit sich bringen. Darüber hinaus wird auch der theoretische Ansatz kritisiert, dass Externalitäten unter Kontrolle des Marktes gebracht werden müssten.

Einzelnachweise

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  1. a b TEEB: Study for business and enterprise. 2012, abgerufen am 24. November 2020.
  2. Sustainable Food Trust: True Cost Accounting. 2013, abgerufen am 29. Oktober 2020.
  3. National Capital Coalition: Full Cost Accounting (Studie). 2016, abgerufen am 20. Oktober 2020.
  4. S & P Global: The environmental costs of big firms. 6. Oktober 2010, abgerufen am 24. November 2020.
  5. S & P Global: Natural Capital at Risk: The Top 100 Externalties of Business. 15. April 2013, abgerufen am 24. November 2020.
  6. FAO: Food wastage footprint – Full-cost accounting. 2014, abgerufen am 20. November 2020.
  7. FAO: Natural Capital Impacts in Agriculture. 2015, abgerufen am 20. November 2020.
  8. Tobias Gaugler: Kostenstudie. 2018, abgerufen am 16. Oktober 2020.
  9. Boston Consulting Group: Zukunft der Landwirtschaft. 2019, abgerufen am 16. November 2020.
  10. eosta: nature & more. Abgerufen am 20. November 2020.
  11. FAZ vom 22. Juni 2017, S. 23
  12. https://magazin.spiegel.de/SP/2016/31/146047969/index.html
  13. https://www.organicconsumers.org/news/prince-charles-backs-true-cost-study
  14. Tobias Schwab: "Wir zahlen im Laden nicht den wahren Preis" – Interview mit Volkert Engelsman. In: Frankfurter Rundschau. 6. August 2022, abgerufen am 6. August 2022.
  15. TRUESDAY Specialty Coffee
  16. Katharina Schmidt Kategorien: Ernährung: Truesday zeigt, wie viel Kaffee wirklich kosten sollte. 30. März 2021, abgerufen am 9. Dezember 2021 (deutsch).
  17. TRUESDAY bringt den ersten Kaffee mit True Price auf den Deutschen Markt. Abgerufen am 9. Dezember 2021.
  18. True Price Organisation
  19. https://www.penny.de/presse/wahre-verkaufspreise Pressemitteilung Pennymarkt am 1. September 2020
  20. https://www.resilience.org/stories/2017-09-25/why-true-cost-accounting-is-not-a-good-concept-for-markets-and-public-policy/ Abgerufen am 29. Oktober 2020