Straftaten gegen das Leben
Die Straftaten gegen das Leben bezeichnen die §§ 211–222 des deutschen Strafgesetzbuches (16. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches). Der Begriff der Tötungsdelikte ist nicht damit identisch, da die Tötungsdelikte im engeren Sinne nur den Mord, den Totschlag, die Tötung auf Verlangen und die fahrlässige Tötung (ggfs. auch den Völkermord) beschreiben.
In den letzten drei Jahrzehnten sind die Zahlen der Straftaten gegen das Leben in Deutschland um mehr als ein Drittel zurückgegangen.
Schutzgut
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Geschützt wird durch die Tatbestände das Rechtsgut Leben (des Menschen). Wie im Zivil- und öffentlichem Recht, knüpft das Strafrecht an eine eigenständige Terminierung des Lebensschutzes an. Während das Verfassungsrecht bereits dem Zellhaufen nach der Insemination Grundrechtsschutz gewährt, beginnt die (zivilrechtliche) Rechtsfähigkeit mit der Vollendung der Geburt. Der strafrechtliche Lebensschutz beginnt dagegen bereits mit dem Einsetzen der Geburtswehen (die Rechtsprechung nennt dies den Beginn des Geburtsaktes). Es kommt daher darauf an, dass das Kind in diesem Zeitpunkt gelebt hat. Werden zuvor Handlungen vorgenommen, um die Leibesfrucht vorsätzlich zu schädigen, ist der Schwangerschaftsabbruch (§ 218 StGB) tatbestandsmäßig. Das Ende des menschlichen Lebens wird im Strafrecht nicht durch den biologischen Tod, sondern durch den Hirntod markiert.
Euthanasie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Unter dem Begriff der Euthanasie (griechisch für guter Tod) werden sowohl aktive und passive Sterbehilfe wie auch die Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus gefasst, beispielsweise in der Aktion T4. Während jede Schmerzlinderung, ohne dass dadurch eine Lebensverkürzung eintritt, generell zulässig ist, ist jede andere, bewusst in Kauf genommene Lebensverkürzung strafbar. Insbesondere die moderne Intensivmedizin hat für die Strafrechtswissenschaft neue, bisher nicht überzeugend gelöste Fragen in diesem Bereich aufgeworfen.
Selbsttötungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Grundsätzlich ist die Selbsttötung in Deutschland (wie auch in der Schweiz) straflos. Das Rechtsgut Leben soll nur zur Disposition des Rechtsgutinhabers stehen. Daher war bis 2015 auch die Teilnahme (durch Beihilfe oder Anstiftung) daran straflos, seitdem ist die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung, § 217 StGB strafbewehrt. Davon sind jedoch mehrere Ausnahmen anerkannt: Ist die freiverantwortliche Willensbildung bei Suizidenten ausgeschlossen, so kommt die Strafbarkeit des Dritten (der die Selbsttötung veranlasst oder unterstützt) in mittelbarer Täterschaft in Betracht (§ 25 Abs. 1 2. Alt. StGB). Das Geschehenlassen einer Selbsttötung unterfällt grundsätzlich der unterlassenen Hilfeleistung nach § 323c StGB. Dies ist ein bisher nicht aufgelöster Wertungswiderspruch zur Straflosigkeit der Selbsttötung.
Lebensgefährdung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Grundsätzlich wird die Gefährdung des Lebens im deutschen Recht nicht umfassend geschützt wie in Österreich. Insbesondere die abstrakte Lebensgefährdung ist nicht tatbestandsmäßig verankert. Stattdessen bietet der Abschnitt der Straftaten gegen das Leben nur den Tatbestand der Aussetzung (§ 221 StGB), der eine konkrete bzw. qualifizierte Lebensgefährdung verlangt.
Zahlreiche andere Delikte außerhalb des Abschnitts bieten als Qualifikationen oder Erfolgsqualifikationen Tatbestandsalternativen der Lebensgefährdung.
Deutsche Kriminalstatistik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Kriminalstatistik werden zurzeit immer weniger Straftaten gegen das Leben registriert. Von 1993 bis 2021 fielen die Häufigkeitszahlen von 6,3 auf 3,6, was einem Rückgang um 43 % entspricht.[1]
Diese Entwicklung in Deutschland folgt dem Trend des Kriminalitätsrückgangs, der zumindest in den Ländern der Westlichen Welt beobachtet wird.[2]
Tatbestände
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- § 211 – Mord
- § 212 – Totschlag
- § 213 – minder schwerer Fall des Totschlags
- § 214 – aufgehoben 1941 (war: Totschlag bei strafbarer Handlung, nunmehr Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht)
- § 215 – aufgehoben 1941 (war: Totschlag eines Aszendenten, sog. „Verwandtenmord“)
- § 216 – Tötung auf Verlangen
- § 217 – Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung (war bis 1998: Kindestötung, nunmehr wohl Unterfall des § 213)
- § 218 – Schwangerschaftsabbruch
- § 218a – Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs (kein Tatbestand)
- § 218b – Schwangerschaftsabbruch ohne ärztliche Feststellung, unrichtige ärztliche Feststellung
- § 218c – Ärztliche Pflichtverletzung bei einem Schwangerschaftsabbruch
- § 219 – Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage (kein Tatbestand)
- § 219a – Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft (aufgehoben 2022)
- § 219b – Inverkehrbringen von Mitteln zum Abbruch der Schwangerschaft
- §§ 219c, 219d – aufgehoben 1992 (war: Inverkehrbringen; Begriffsbestimmung, nunmehr: § 219b bzw. § 218 Abs. 1 S. 2)
- § 220 – aufgehoben 1992 (war: Erbieten zur Abtreibung, nunmehr § 219 a)
- § 220a – aufgehoben 2002 (war: Völkermord, nunmehr § 6 des Völkerstrafgesetzbuches)
- § 221 – Aussetzung
- § 222 – fahrlässige Tötung
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Straftaten gegen die persönliche Freiheit
- Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit
- Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
- Innere Sicherheit
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Polizeiliche Kriminalstatistik 2021 - Zeitreihen Übersicht Falltabellen. (xlsx, csv) Bundeskriminalamt, abgerufen am 17. April 2022.
- ↑ Michael Tonry: Why Crime Rates Are Falling Throughout the Western World. In: Crime & Justice. Band 43, Nr. 1, 2014, S. 1–2, doi:10.1086/678181 (englisch, alternativer Volltextzugriff: scholarship.law.umn.edu).