Liebesbrief

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Ferdinand Georg Waldmüller: Der Liebesbrief, 1849

Ein Liebesbrief ist ein Schriftstück, das an eine Person gerichtet wird, um Liebe oder Zuneigung zu dieser auszudrücken.

Dabei drückt der Liebesbrief viel mehr aus als eine profane Mitteilung. In ihm wird der Schmerz angesichts des Nicht-Zusammen-Seins, des Nicht-Zusammen-Sein-Könnens oder auch der Schwierigkeit, die Liebe anders zu artikulieren, deutlich. Ungleich schwieriger ist jedoch der Versuch, seine Liebe zu gestehen, aber dabei gefangen zu sein in der Furcht, mit jeder Formulierung dieses Bestreben zunichtezumachen. Dazu kommt die Angst, dass die Liebe nicht erwidert werde.

In der Literatur tauchen Liebesbriefe schon bei Ovid auf. Größere Verbreitung bekamen sie aber erst mit der Romantik, wozu die Beschleunigung der Post, die größere Verbreitung der Alphabetisierung und vor allem das Aufkommen der Romane beigetragen haben.

Schon im Spätmittelalter erfreuten sich Versliebesbriefe (in der Regel in Reimpaarversen) großer Beliebtheit. Sie sind uns in verschiedenen Sammelhandschriften überliefert, wo sie zwischen Texten verschiedener Art eingeschoben sind. In den seltensten Fällen handelt es sich um authentische Korrespondenz, sondern eher um Literatur, wie beispielsweise der Liebesbrief im um 1500 verfassten Gedicht[1] über einen Dichter Gozold, der an einem Brief an den Geliebten einer an der Liebeskrankheit leidenden Frau mitwirkt. Solche mit Minneklagen verbundene Liebesbriefe werden von einigen Forschern der Gattung der Minnereden, mit denen sie viele Gemeinsamkeiten haben, zugeordnet.

Trotz ihrer wichtigen kulturellen Bedeutung sind Liebesbriefe in der Regel an nur eine Person gerichtet und häufig auch nur für diese verständlich.[2] Sie werden höchstens durch Indiskretion oder durch Veröffentlichung bei prominenten Persönlichkeiten, die in der Regel der Veröffentlichung zugestimmt haben oder schon verstorben sind, mehreren Personen bekannt. Es gibt allerdings auch Liebesbriefe, die von Ghostwritern geschrieben werden und in gewisser Weise einen subtilen Betrug darstellen, da sie Fähigkeiten nur vorspiegeln (literarisches Beispiel dafür ist z. B. Cyrano de Bergerac).

Im 18. Jahrhundert gehörten Liebesbriefe zum guten Ton, sie waren standardisiert und es gab dafür Vorlagen.[3]

Moderne Formen der Liebesbriefe sind SMS, Chats und E-Mails, bei denen auch im WWW frei verfügbare Vorlagen eingesetzt werden. Auch Liebesbriefagenturen und digitale Liebesbriefgeneratoren bieten ihre Dienste an, um für Fremde Liebesprosa zu formulieren. All diese Mittel führten dazu, dass Liebesbriefe zu verfassen einen neuen Aufschwung bekam; die Entwicklung von Fremdformulierungen gefährdet dabei allerdings den individuellen „ehrlichen“ Zugang zu dieser Publikationsform bzw. diesem Genre.

Die germanistische Forschung konzentrierte sich bislang auf Liebesbriefe von Literaten; an der TU Braunschweig und an der Universität Zürich gibt es Projekte, welche ergänzend nun auch Briefdokumente von Personen des öffentlich-gesellschaftlichen Lebens[4] sowie in einem weiteren Rahmen Liebesbriefe und andere schriftliche Liebesbotschaften des 20. Jahrhunderts[5] untersuchen.

Paul Celan schrieb am 9. Februar 1970 an seine Geliebte Ilana Shmueli:[6]

Dein Brief, die Nachricht von Deiner Zerrissenheit – was kann ich sagen? Ich möchte Dir jeden Schmerz nehmen, auch jeden körperlichen Schmerz.
Meine Hände gehn über Dich – zu Dir.

Gerit Losse schrieb am 16. Oktober 1989 an ihren Freund, den NVA-Bausoldaten Sebastian Kranich:[7]

Komm her Du, ’s is nich’ wichtig, daß in diesem Brief nischt steht, was die Welt verändert, – is totaler Quatsch, unsre Liebe is doch was, daß die Welt – wenigstens ’n bissel — grader rutschen kann, hm?!
  • Schulz-Grobert, Jürgen: Deutsche Liebesbriefe in spätmittelalterlichen Handschriften. Untersuchungen zur Überlieferung einer anonymen Kleinform der Reimpaardichtung. Tübingen 1993.
  • Veronika Beci (Hrsg.): In einem Flammenmeer von Liebesgluten. Liebesbriefe aus Welt der Musik. Benziger, Düsseldorf 2002, ISBN 3-545-20238-0.
  • Ute Jung-Kaiser (Hrsg.), Matthias Kruse (Hrsg.): Intime Textkörper. Der Liebesbrief in den Künsten. Peter Lang Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-03910-427-6.
  • Bernhard Lübbers, Liebesbriefe des frühen 15. Jahrhunderts aus dem Umfeld von Johann von Egloffstein?. In: Markus Frankl, Martina Hartmann (Hrsg.): Herbipolis. Studien zu Stadt und Hochstift Würzburg in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Publikationen aus dem Kolleg Mittelalter und Frühe Neuzeit 1) Würzburg 2015, S. 255–272. (ISBN 978-3-8260-5805-9)
  • Wyss, Eva Lia: Liebesbriefe von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Eine Textsorte im lebenszeitlichen Wandel. In: Annelies Häcki Buhofer (Hrsg.): Spracherwerb und Lebensalter. Kolloquium anlässlich des 60. Geburtstags von Harald Burger. Basel 2003 (= Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur), S. 71–86.
  • Wyss, Eva Lia (Hrsg.): Leidenschaftlich eingeschrieben. Schweizer Liebesbriefe. Nagel & Kimche, Zürich 2006. ISBN 3-312-00339-3.
  • Karina Kellermann, Jörg Paulus, Renate Stauf: Liebesrede, Liebesbrief. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Darmstadt: WBG 1992ff., Band 10 (2011), S. 574–585.
Wiktionary: Liebesbrief – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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Einzelnachweise

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  1. Ingeborg Glier: Gozold. In: Burghart Wachinger u. a. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2., völlig neu bearbeitete Auflage, ISBN 3-11-022248-5, Band 3: Gert van der Schüren - Hildegard von Bingen. Berlin / New York 1981, Sp. 204.
  2. Im Christentum wird teilweise die Bibel als Liebesbrief an die gesamte Menschheit verstanden.
  3. Annette C. Anton: Authentizität als Fiktion. Briefkultur im 18. und 19. Jahrhundert. Stuttgart: Metzler, 1995.
  4. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 7. Februar 2005 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.tu-braunschweig.de
  5. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 9. Januar 2005 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ds.unizh.ch
  6. Paul Celan: Ilana Shmueli. Briefwechsel. Frankfurt: Suhrkamp, 2004.
  7. Sebastian Kranich: Erst auf Christus hören, dann auf die Genossen. Bausoldatenbriefe: Merseburg, Wolfen, Welzow 1988/89. Halle: Projekte-Verlag 188, 2006, S. 414.