Baubotanik

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Beispiel für Baubotanik: der Platanenkubus oder Plane Tree Cube im baden-württembergischen Nagold (2016)

Die Baubotanik ist eine ökologische Baumethode, mit lebenden Pflanzen „lebende Bauwerke“ zu konstruieren. Bei einer solchen Bauweise entstehen Bauwerke durch das Zusammenwirken technischen Fügens und pflanzlichen Wachsens. Dazu werden lebende und nicht-lebende Konstruktionselemente so miteinander verbunden, dass sie zu einer pflanzlich-technischen Verbundstruktur verwachsen.

Die Konstruktionsweise vereint die ästhetischen und ökologischen Qualitäten lebender Bäume mit statischen Funktionen und baulichen Anforderungen. So kann der Einsatz künstlicher Baustoffe verringert werden. Die Bauten stellen wertvolle Lebensräume für eine Vielzahl von Tierarten dar und machen konventionelle Fundamente überflüssig, da sie Wurzelverankerungen besitzen. Lebende Brücken und Baumhäuser sind Beispiele für Baubotanik.

Die Anwendung von Baubotanik ist keine neue Erfindung, so sind die dörfliche Tanzlinde und auch das Gebück historische Beispiele für lebende Bauwerke. In einigen Kulturen sind lebende Brücken gebräuchlich. Im nordostindischen Bundesstaat Meghalaya bestehen die Wurzelbrücken der Khasi aus Luftwurzeln von Gummibäumen, die entlang von Stangen oder Baumstämmen über einen Fluss zum Wachsen gebracht werden und nach etwa 15 Jahren begehbare Stege bilden. Diese werden mit natürlichen Materialien verstärkt und halten stärksten Tropenstürmen stand.[1][2][3]

Seit der Jahrtausendwende stehen auf einigen ehemaligen Gartenschaugeländen Weidenkirchen (aus Weidenruten, ohne festes Dach), die diesem Ansatz folgen, aber nur sehr begrenzte Funktionalitäten als Bauwerk bereitstellen.

Eine frühe Veröffentlichung im Architekturbereich war der Artikel Baubotanik: Mit lebenden Pflanzen konstruieren von Ferdinand Ludwig im Jahr 2005 in der Zeitschrift Baumeister.[4] Ab 2007 wurde am Institut für Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (IGmA) der Universität Stuttgart wissenschaftlich zu dieser Technik gearbeitet und dazu der Begriff Baubotanik etabliert.[5] Im Rahmen der Forschung wurden einfache experimentelle Bauten wie ein Steg realisiert; ein baubotanischer Turm veranschaulichte die Möglichkeiten, durch Addition von Einzelpflanzen größere baubotanische Strukturen zu bilden.[6] Im Rahmen der Bayerischen Landesgartenschau 2007 in Waldkirchen wurde eine zweigeschossige Vogelbeobachtungsstation gepflanzt.[7] Für die Landesgartenschau Baden-Württemberg 2012 in Nagold wurde ein dreigeschossiger Platanenkubus angelegt.[8]

Im Jahr 2017 wechselte das Forschungsgebiet zur Fakultät für Architektur an der Technischen Universität München (Professur für Green Technologies in Landscape Architecture).[9]

  • Ferdinand Ludwig: Botanische Grundlagen der Baubotanik und deren Anwendung im Entwurf. Doktorarbeit Fakultät für Architektur und Stadtplanung, Universität Stuttgart 2012 (PDF-Downloadangebot auf uni-stuttgart.de).
  • Broschüre: Natürlich Nagold, Landesgartenschau 2012: Platanenkubus – Ein baubotanisches Projekt auf der Landesgartenschau Baden-Württemberg in Nagold 2012. (PDF: 3,5 MB, 12 Seiten (Memento vom 14. Oktober 2012 im Internet Archive) auf landesgartenschau-nagold.de).

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Bildergalerie: Im Nordosten von Indien: Meghalaya, der Märchenwald – Wurzelbrücke. In: Süddeutsche Zeitung. 30. Juli 2012, abgerufen am 16. August 2019.
  2. Wildlife Institute of India (WII): The Meghalaya State Biodiversity Strategy and Action Plan (Draft). Ministry of Environment Forest and Climate Change, Government of India, Version vom 6. März 2017, Kapitel 3.8: Living Root Bridges of Meghalaya (englisch; PDF-Seite 99–101: PDF: 15,4 MB, 350 Seiten, großteils ohne Seitenzahlen auf megbiodiversity.nic.in).
  3. Aufnahmen einer weltberühmten Wurzelbrücke der Khasi: Bettina Witte: Khasi – Im Land der Frauen (ab 0:22:12) auf YouTube (1,5 Minuten von 43). Nima Productions für arte/ZDF 2012.
  4. Ferdinand Ludwig, Oliver Storz: Baubotanik – Mit lebenden Pflanzen konstruieren. In: Baumeister. 1. November 2005, S. 72–75 (Info).
  5. Institut Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (IGMA): Pressemitteilung Nr. 5/2007 vom 17.1.2007. Universität Stuttgart, abgerufen am 16. August 2019 (Version im Webarchiv).
  6. Uni-Kurier Nr. 104: Erster Turm aus lebendigen Bäumen: Tragwerk mit Triebkraft. Universität Stuttgart, Februar 2009, abgerufen am 16. August 2019 (aktualisiert am 19. Januar 2010).
  7. Bureau Baubotanik: Vogel-Beobachtungsstation. Juni 2007, abgerufen am 16. August 2019.
  8. Broschüre: Natürlich Nagold, Landesgartenschau 2012: Platanenkubus – Ein baubotanisches Projekt auf der Landesgartenschau Baden-Württemberg in Nagold 2012. (PDF: 3,5 MB, 12 Seiten (Memento vom 14. Oktober 2012 im Internet Archive) auf landesgartenschau-nagold.de).
  9. Fakultät für Architektur, Technische Universität München: Forschung: Baubotanik. Ohne Datum, abgerufen am 16. August 2019.