Bohlenbinder

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Konstruktionsprinzipien der Bohlendächer bzw. Bohlenbinder: Fig. 1 zusammengenagelter, stehender Bohlenverband; Fig. 2 Bogenbildung ohne Queraussteifung[1]

Bohlenbinder, auch Bohlenbogen genannt, ist die Bezeichnung für einen aus kurzen senkrecht nebeneinander gestellten, im Längsversatz gelegten, vernagelten oder verschraubten Bohlenlagen bestehenden Sparren. Wegen des Konstruktionsprinzips bogenförmiger Sparren bzw. Binder gibt es konstruktionsgeschichtlich nur eine bedingte Vergleichbarkeit zu den heute gebräuchlichen Trägern aus Brettschichtholz, die ebenfalls kleinere Holzbauteile zu einem größeren Tragelement zusammenfügen. Das so konstruierte Dach wurde von den Architekten und Bautechnikern des 19. Jahrhunderts Bohlendach genannt. Moderne Hausforscher verwenden abweichend von dieser Tradition auch die Bezeichnung Bohlenbinderdächer oder Bohlenlamellendächer.[2][3]

Im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert waren in Deutschland Bohlendächer teilweise verbreitet. Sie galten als vermeintlich dauerhafte und kostengünstige Holzkonstruktionen, insbesondere für bogenförmige Dachwerke und bei Holzgewölben über großen Innenräumen. Die Verwendung der Bohlenbinder für Dachwerke geht auf eine Erfindung des französischen Hofarchitekten Philibert de l’Orme im 16. Jahrhundert zurück, die man in Berlin Ende des 18. Jahrhunderts für den deutschsprachigen Raum aufgriff und weiterentwickelte. Dabei wurde die Bauweise besonders durch den Baubeamten David Gilly ab 1797 in zahlreichen Schriften propagiert und verbreitet. Um 1800 war unter anderem bedeutsam, dass man sich von ihrer Anwendung die Einsparung von wertvollem Bauholz durch die Verwendung minderwertiger Krummhölzer und günstige Raumausnutzung durch die bogenförmige Dachform erhoffte.

Nach einer aus Berlin ausgehenden Verbreitung im gesamten deutschsprachigen Raum bis in die 1820er-Jahre verloren Bohlendächer wegen konstruktiver Schwächen (Bauschäden), handwerklicher Schwierigkeiten (viele Nagelungen) und gewandelter ästhetischer Vorlieben (flachere Dachneigungen) an Bedeutung.[1] Bei weitgespannten Konstruktionen, insbesondere im Hallenbau, wurden stattdessen andere Bogenkonstruktionen eingesetzt. Bedingt durch die technische Entwicklung verwendete man die neuartigen Baumaterialien Gusseisen, Stahl und Stahlbeton. Im frühen 20. Jahrhundert erlebten hölzerne Bogendachformen eine Renaissance, die äußerlich ähnlich wie die Bohlendächer um 1800 aussehen, jedoch als Zollingerdach mit einem Flächentragwerk anders konstruiert sind.

Historische Anwendungsbeispiele (Auswahl)

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Ein auffälliges mit einem Bohlendach errichtetes Gebäude war das Exerzierhaus der Regimenter von Kunheim und von Winnig in Berlin, Stich um 1800
Dorfkirche in Jabel (Lk. Ostprignitz-Ruppin) mit Bohlendach über dem Kirchenschiff, erbaut 1803
  • D[avid] Gilly: Ueber Erfindung, Construction und Vortheile der Bohlen-Dächer. Bei Friedrich Vieweg dem Aelteren, Berlin 1797. (Digitalisat, abgerufen am 3. Oktober 2024)
  • D[avid] Gilly: Anleitung zur Anwendung der Bohlen-Dächer bey ökonomischen Gebäuden und insonderheit bey den Scheunen. Georg Decker, Berlin 1801. (Digitalisat, abgerufen am 3. Oktober 2024)
  • Eckart Rüsch: Baukonstruktion zwischen Innovation und Scheitern. Verona, Langhans, Gilly und die Bohlendächer um 1800. Michael Imhof Verlag, Petersberg 1997, ISBN 3-932526-00-7.

Einzelnachweise

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  1. a b Eckart Rüsch: Baukonstruktion zwischen Innovation und Scheitern. Verona, Langhans, Gilly und die Bohlendächer um 1800. Michael Imhof, Petersberg 1996, ISBN 3-932526-00-7, S. 8, 9, 106 ff.
  2. Thomas Spohn: Der Weg einer technischen Novation des späten 18. Jahrhunderts. Bohlenlamellendächer in Deutschland. In: Hausbau im 19. Jahrhundert. Jahrbuch für Hausforschung. Band 38. Marburg 1989, S. 137–168.
  3. Thomas Sohn: "Das Bedürfnis des guten Geschmacks nach Rundungen". Entwicklung und Bedeutung der Bohlenlamellendächer des frühen 19. Jahrhunderts unter Einbeziehung aller am Hellweg realisierten Dächer. In: Westfalen. Band 67, 1989, S. 22–78.
  4. Eckart Rüsch: Baukonstruktion zwischen Innovation und Scheitern (...). Michael Imhof, Petersberg 1997, S. 218–221.
  5. Eckart Rüsch: Baukonstruktion zwischen Innovation und Scheitern (...). Michael Imhof, Petersberg 1997, S. 222–227.
  6. Eckart Rüsch: Baukonstruktion zwischen Innovation und Scheitern (...). Michael Imhof, Petersberg 1997, S. 56 (Abb. 44), 265.
  7. Eckart Rüsch: Baukonstruktion zwischen Innovation und Scheitern (...). Michael Imhof, Petersberg 1997, S. 188–192.
  8. Eckart Rüsch: Baukonstruktion zwischen Innovation und Scheitern (...). Michael Imhof, Petersberg 1997, S. 240–247.
  9. Die Geschichte des alten Gasthofes. Abgerufen am 18. August 2020 (mit Abbildung des Bohlendachs im Gasthof-Gebäudequerschnitt aus dem "Paretzer Skizzenbuch" von 1799.).
  10. Die Hochofenhalle des Hüttenwerkes Peitz - statisch-konstruktive Untersuchung eines zwei Jahrhunderte alten, stark verformten Bohlenbinderdaches. Diplomarbeit am Lehrstuhl Bautechnikgeschichte und Tragwerkserhaltung, verfasst von Andreas Lange im Winter 2002/2003. In: b-tu.de. Fachgebiet Bautechnikgeschichte der BTU Cottbus, abgerufen am 3. Oktober 2024.
  11. Ausstellungsort Eisenhütten- und Fischereimuseum. In: tourismus.peitz.de. Abgerufen am 3. Oktober 2024.
  12. Sanierung Fachwerkhäuser „Altes Zollhaus“ in Quellendorf, auf 15.sanierungspreis.de; Archivlink (Memento vom 23. April 2016 im Internet Archive), abgerufen am 31. Januar 2024.
  13. Eckart Rüsch: Baukonstruktion zwischen Innovation und Scheitern (...). Michael Imhof, Petersberg 1997, S. 138–143.
  14. Eckart Rüsch: Baukonstruktion zwischen Innovation und Scheitern (...). Michael Imhof, Petersberg 1997, S. 192–200.