Ammoniumdinitramid

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Strukturformel
Allgemeines
Name Ammoniumdinitramid
Andere Namen

ADN

Summenformel H4N4O4
Kurzbeschreibung

Farblose Kristalle[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 140456-78-6
EG-Nummer (Listennummer) 604-184-9
ECHA-InfoCard 100.126.585
PubChem 10219428
ChemSpider 8394920
Wikidata Q408327
Eigenschaften
Molare Masse 124,06 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,812 g·cm−3 (20 °C)[2]

Schmelzpunkt

92,9 °C (Zersetzung ab 135 °C)[2]

Löslichkeit

sehr gut löslich in Wasser, löslich in Methanol, schwer löslich in n-Heptan, Dichlormethan, Butylacetat[3]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[4]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Ammoniumdinitramid (ADN) ist eine anorganische chemische Verbindung aus der Stoffgruppe der Nitramine. Es ist das Ammoniumsalz des Dinitramins (auch als Dinitraminsäure oder Dinitramid bezeichnet). Die hochenergetische Verbindung wird als Oxidator für Raketentreibstoffe und als Explosivstoff verwendet.[5]

Ammoniumdinitramid wurde erstmals ab 1971 in der damaligen Sowjetunion am Zelinskiy Institut für Organische Chemie in einer Arbeitsgruppe des russischen Chemikers Wladimir Alexandrowitsch Tartakowski entwickelt. Die Arbeiten wurden nicht veröffentlicht, da die Verbindung unter anderem als Raketentreibstoff für die Topol-M-Interkontinentalraketen verwendet wurde. Unabhängig davon wurde die Verbindung 1989 am SRI-International-Institut der Stanford-Universität neu hergestellt.[6][7] Mit der Offenlegung eines Patents von SRI[8] erfolgten auch wissenschaftliche Publikationen der russischen Wissenschaftler.[9][10][11]

Darstellung und Gewinnung

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Ammoniumdinitramid kann durch eine direkte Nitrierung von Ammoniak mittels Distickstoffpentoxid erhalten werden.[2][12][13]

Alternativ gewinnt man die Verbindung durch eine Ammonolyse von Dinitroaminen, welche durch stufenweise Nitrierung von Urethanen, β,β′-Iminodipropionitril oder Nitramid entstehen. Die jeweils letzte Nitrierstufe erfordert stärkste Nitrierreagenzien wie Nitroniumtetrafluoroborat oder Distickstoffpentoxid.[2][14]

Physikalische Eigenschaften

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Ammoniumdinitramid besteht aus festen, farblosen Kristallen. Die Verbindung tritt in zwei polymorphen Kristallformen auf.[3] Die bei Normaldruck existierende α–Form kristallisiert in einem monoklinen Kristallgitter mit der Raumgruppen mit P21/c.[15] Die ebenfalls monokline β–Form existiert bei Drücken oberhalb von 20 GPa.[16][17]

Chemische Eigenschaften

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Die Verbindung ist thermisch instabil. Schon ab Temperaturen oberhalb von 55 °C erfolgt in fester Phase eine langsame Zersetzung. Im ersten Reaktionsschritt erfolgt die Spaltung des Salzes als dissoziative Verdampfung in Ammoniak und Dinitraminsäure. Die Nitraminsäure zerfällt dann in Distickstoffmonoxid und Salpetersäure. Die Produkte Ammoniak und Salpetersäure bilden im letzten Schritt Ammoniumnitrat.[18][19]

Die Zersetzung oberhalb des Schmelzpunktes in flüssiger Phase verläuft als stark exotherme Reaktion. DSC-Messungen zeigen im Temperaturbereich zwischen 130 °C und 230 °C eine Zersetzungsreaktion mit einer spezifischen Reaktionsenthalpie von −240 kJ·mol−1 bzw. −1960 J·g−1.[20][21][22] Die Analyse der Zersetzungsprodukte mittels TGA gekoppelt mit Massenspektrometrie ergibt als Zersetzungsprodukten Ammoniak, Wasser, Stickstoffmonoxid, Distickstoffmonoxid, Stickstoffdioxid, Salpetrige Säure und Salpetersäure als Reaktionsprodukte.[20] Als konkurrierender Zerfallsweg wird eine Bildung von Stickstoffdioxid durch eine direkte N-N-Spaltung gesehen. Das instabile Intermediat HNNO2 zerfällt in Stickstoffmonoxid, Distickstoffmonoxid und Wasser.[19][23]

Eine summarische Reaktionsgleichung, die die verschiedenen Zersetzungsreaktion und -produkte berücksicht, kann, wie folgt, formuliert werden:[24]

Die Zusammensetzung des Gemischs der Zersetzungsprodukte kann mit verschiedenen Reaktionsbedingungen variieren.[20][19]

Explosionskenngrößen

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Wichtige Explosionskennzahlen sind:

Ammoniumdinitramid ist ein festes Oxidationsmittel, welches hauptsächlich für Mehrkomponenten-Raketenfesttreibstoff mit hoher Leistung verwendet wird. ADN und andere ähnliche Verbindungen sind der Gegenstand von mehreren Patenten für eine Verwendung als feste Mehrkomponenten-Raketenfesttreibstoffe und als Sprengstoffe, beides für pyrotechnische Verwendungen im Allgemeinen und für andere Verwendungen, wie bei Mitteln zum Aufblasen von Airbags.[25] ADN erscheint aufgrund seiner guten Sauerstoffbilanz und hohen Bildungsenthalpie als halogenfreies Oxidationsmittel für Raketenfesttreibstoffe interessant und ist derzeit Gegenstand intensiver Untersuchungen. Die Abwesenheit von Halogenen erschwert die Radar-Detektion der Abgasspur der Rakete.[26]

Es ist auch Bestandteil der monergolen flüssigen Treibstoffmischung LMP-103S für Satellitentriebwerke. Diese könnte das wesentlich giftigere Hydrazin als monergolen Treibstoff für Raumflugkörper ablösen[27].

  • Christian Frenck: Die Synthese von Ammoniumdinitramid aus Ammoniak und Distickstoffpentoxid, Wissenschaftliche Schriftenreihe des Fraunhofer ICT 33, Pfinztal 2001, ISBN 978-3-8167-5882-2 Abstract

Einzelnachweise

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  1. Venkatachalam, S.; Santhosh, G.; Ninan, K.N.: An Overview on the Synthetic Routes and Properties of Ammonium Dinitramide (ADN) and other Dinitramide Salts in Propellants, Explosives, Pyrotechnics 29 (2004) 178–187, doi:10.1002/prep.200400043.
  2. a b c d e f g h i Köhler, J.; Meyer, R.; Homburg, A.: Explosivstoffe, zehnte, vollständig überarbeitete Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-32009-7.
  3. a b Klapötke, T.M.: Energetic Materials Encyclopedia, de Gruyter, Berlin/Boston 2021, ISBN 978-3-11-062681-0, S. 49–67.
  4. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  5. Patent DE10201937B4: Verfahren zur Herstellung von mit Additiven versetztem Ammoniumdinitramid (ADN). Angemeldet am 19. Januar 2002, veröffentlicht am 4. August 2005, Anmelder: Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V., Erfinder: Thomas Heintz et al.
  6. Dinitramide Salts: ADN Plus Other Salts. SRI International, archiviert vom Original am 26. Mai 2012; abgerufen am 15. April 2012.
  7. Bottaro, J.C.; Penwell, P.E.; Schmitt, R.J.: 1,1,3,3-Tetraoxo-1,2,3-triazapropene Anion, a New Oxy Anion of Nitrogen: The Dinitramide Anion and Its Salts in J. Am. Chem. Soc. 119 (1997) 9405–9410, doi:10.1021/ja9709278.
  8. Bottaro, J.C.; Schmitt, R.J.; Penwell, P.E.; Ross, D.S.: Dinitramide Salts and Method of Making Same. Patent USA and Foreign, 5,254,324, 1993; International patent application No. WO 91/19669, published Dec 26, 1991.
  9. Luk’yanov, O.A.; Anikin, O.V.; Gorelic, V.P.; Tartakovsky, V.A.: in IzV. Akad. Nauk Ser. Khim. 9 (1994) 1546–1549.
  10. Luk’yanov, O.A.; Gorelic, V.P.; Tartakovsky, V.A.: in IzV. Akad. Nauk Ser. Khim. 9 (1994) 94–97.
  11. Luk’yanov, O.A.; Konnova, Ya.V.; Klimova, T.A.; Tartakovsky, V.A.: in IzV. Akad. Nauk Ser. Khim. 7 (1994) 1264–1266.
  12. Frenck, C.: Die Synthese von Ammoniumdinitramid aus Ammoniak und Distickstoffpentoxid in Wissenschaftliche Schriftenreihe des Fraunhofer ICT, Bd. 33, 2001, ISBN 978-3-8167-5882-2.
  13. Frenck, C.; Weisweiler, W.: Modellierung der Reaktion von Ammoniak mit Distickstoffpentoxid zur Synthese des halogenfreien Oxidators Ammoniumdinitramid für Raketen-Festtreibstoffe in Chem. Ing. Techn. 73 (2001) 1401–1407, doi:10.1002/1522-2640(200111)73:11<1401::AID-CITE1401>3.0.CO;2-9.
  14. J.P. Agrawal, R.D. Hodgon: Organic Chemistry of Explosives, John Wiley & Sons Ltd 2007, ISBN 978-0-470-02967-1, S. 363–364.
  15. Gilardi, R.; Flippen-Andersson, J.; George, C.; Butcher, R.J.: A New Class of Flexible Energetic Salts:  The Crystal Structures of the Ammonium, Lithium, Potassium, and Cesium Salts of Dinitramide in J. Am. Chem. Soc. 119 (1997) 9411–9416, doi:10.1021/ja9709280.
  16. Sorescu, D.C; Thompson, D.L.: Classical and Quantum Mechanical Studies of Crystalline Ammonium Dinitramide in J. Phys. Chem. B 103 (1999) 6774–6782, doi:10.1021/jp9911447.
  17. Russell, T.P. Piermarini, G.J.; Block, S.; Miller, P.J.: Pressure, Temperature Reaction Phase Diagram for Ammonium Dinitramide in J. Phys. Chem. 100 (1996) 3248–3251, doi:10.1021/jp952144j.
  18. Mishra, I.B.; Russell, T.P.: Thermal stability of ammonium dinitramide in Thermochim. Acta 384 (2002) 47–56, doi:10.1016/S0040-6031(01)00776-6.
  19. a b c Vyazovkin, S.; Wight, C.A.: Thermal Decomposition of Ammonium Dinitramide at Moderate and High Temperatures in J. Phys. Chem. A 101 (1997) 7217–7221 doi:10.1021/jp963116j.
  20. a b c Vyazovkin, S.; Wight, C.A.: Ammonium Dinitramide: Kinetics and Mechanism of Thermal Decomposition in J. Phys. Chem. A 101 (1997) 5653–5658, doi:10.1021/jp962547z.
  21. Muravyev, N.V.; Monogarov, K.A.; Bragin, A.A., Fomenkov, I.V.; Pivkina, A.N.: HP-DSC study of energetic materials. Part I. Overview of pressure influence on thermal behavior in Thermochim. Acta 631 (2016) 1–7, doi:10.1016/j.tca.2016.03.018.
  22. Hiroki Matsunaga; Hiroto Habu; Atsumi Miyake: Thermal decomposition of the high-performance oxidizer ammonium dinitramide under pressure in J. Therm. Anal. Calorim. 116 (2014) 1227−1232, doi:10.1007/s10973-013-3626-x.
  23. Wiberg, E.; Wiberg, N.; Holleman, A.F.: Anorganische Chemie, 103. Auflage, 2017 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston, ISBN 978-3-11-026932-1, S. 820–822, (abgerufen über De Gruyter Online).
  24. Brill, T.B.; Brush, P.J.; Patil, D.G.: Thermal decomposition of energetic materials 58. Chemistry of ammonium nitrate and ammonium dinitramide near the burning surface temperature in Combust. Flame 92 (1993) 178–186, doi:10.1016/0010-2180(93)90206-I.
  25. Patent EP1390323B1: Auf Ammoniumdinitritamid basierende flüssige Einkomponenten-Treibmittel mit verbesserter Verbrennungsstabilität und Lagerfähigkeit. Angemeldet am 23. Mai 2002, veröffentlicht am 4. Juli 2007, Anmelder: ECAPS SE, Erfinder: Kjell Anflo, Niklas Wingborg.
  26. Wissenschaft-Online
  27. ‘Green’ satellite fuel designed to make space safer. ESA, 16. März 2010, abgerufen am 9. Juli 2011 (englisch).