Christian Ulrich Grupen
Christian Ulrich Grupen (* 16. Juni 1692 im hannoverschen Harburg (heute ein Stadtteil von Hamburg); † 10. Mai 1767 in Hannover) war ein deutscher Jurist, der sich als Historiker, Rechtshistoriker und Autor einen Namen machte. Als Bürgermeister der Stadt Hannover, in dessen Amtszeit der Siebenjährige Krieg fiel, war er „das bedeutendste hannoversche Stadtoberhaupt im 18. Jahrhundert“ (Stadtarchivar Klaus Mlynek).[1] Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Origines et Antiquitates Hannoverenses (mit Kupferstich-Illustrationen, 1740 in Göttingen erschienen).
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Christian Ulrich Grupen war Sohn des Oberamtmanns (in Harburg und Moisburg), seit 1713 Fürstlich Nassau-Oranischen Kammerrats (in Coppenbrügge) Joachim Grupen.[2] Nach dem Schulbesuch in Braunschweig studierte Christian Ulrich Grupen 1710/11 Jura erst in Rostock,[3] 1712–1715 dann an der Universität Jena. Schon dort empfahl sich Grupen mit seiner „Festrede über die hannoversche Thronfolge in Großbritannien… vor den hannoverschen Landeskindern“.[4] Die Druckausgabe mit Widmung überreichte Grupen 1715 persönlich an Georg I.
1715 ließ sich Grupen als Anwalt in Hannover nieder, wurde 1719 Stadtsyndikus, 1725 Mitglied der Kaufmannsinnung und Bürgermeister von Hannover. 1729 erfolgte die Ernennung zum königlichen Rat. Seit 1734 gehörte er als Consistorialrath[5] außerdem dem geistlichen Konsistorium an.
Grupen war von 1727 bis 1749 Pächter des Marienröder Klosterhofes.[6]
Bürgermeister
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während seiner Amtszeit als Bürgermeister, die von 1725 bis zu seinem Tod im Jahre 1767 währte, setzte er zahlreiche Reformen und Bauvorhaben um: Grupen reformierte und modernisierte das Armen- und das Schulwesen, das Feuerlösch- und Medizinalwesen (Bau des Nikolaistifts 1728–1730) sowie das Braugewerbe und reorganisierte das Stadtarchiv Hannover.
Grupen reaktivierte in Vergessenheit geratene Privilegien und verhinderte die von Georg II. erlassene Regiminalverordnung vom 29. Dezember 1739, eine geplante Einschränkung der städtischen Autonomie: Grupen klagte vor dem Oberappellationsgericht Celle und erreichte, dass die neue Verfassungsordnung des (britischen) Königs zwar nicht aufgehoben, de facto aber auch nicht angewandt wurde.
Er ließ den Schnellen Graben erneuern (1742–1745), das bis dahin teuerste Bauwerk der Stadt, das Heilig-Geist-Spital (1744–1747) erbauen und machte den Schiffgraben (1747) für die Torfschifffahrt ins Altwarmbüchener Moor wieder befahrbar.
1757 erlebten die Bürger unter Grupen die Besetzung Hannovers durch französische Truppen im Siebenjährigen Krieg.
Stadterweiterung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Grupen blieb in der Stadt nicht unumstritten, wie seine Planungen zur Stadterweiterung zeigen. Um dem beginnenden wirtschaftlichen Niedergang der Stadt infolge der Verlegung des Hofes nach London (1715) und den Stagnationstendenzen der Zünfte entgegenzuwirken, wollte Grupen spezialisierte Handwerker von außerhalb am Stadtrand ansiedeln. Daher veranlasste der Bürgermeister 1747/48 die erste Stadterweiterung seit dem Mittelalter:
Grupen initiierte die Schleifung des Festungsrings um das Aegidientor zum Bau der Aegidienneustadt auf der Süder-Bothfelder Bastion durch Georg Friedrich Dinglinger. Die Beschwerden der Handwerker aus der Altstadt gegen Grupens autoritäre Führung führten dazu, dass im August 1748 eine landesherrliche Untersuchungskommission eingesetzt wurde. Im Ergebnis blieb die Überprüfung seines Verhaltens aber ohne Folgen für Grupen.
Allerdings siedelten sich in der Aegidienneustadt kaum fremde Handwerker an: Von den 102 ausgewiesenen Bauplätzen waren bis 1756 nur 72 besetzt, die Plätze wurden insbesondere an vermögende Bürger der Altstadt vergeben, Handwerker, Beamte und Adlige (z. B. wohnte die Familie Charlotte Kestners hier).
Spuren in Hannover
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Nach dem Bürgermeister war 1881–1950 die Grupenstraße benannt als Teilstück der Karmaschstraße zwischen Lein- und Osterstraße. Seit 1950 ist die zwischen Oster- und Schmiedestraße gelegene Grupenstraße die erste hannoversche Fußgängerstraße.
- Am nördlichen Obergeschoss des Neuen Rathauses zeigt ein Relief Grupen mit dem Plan der Aegidienneustadt.
- Vor der Gneisenaustraße 29 befindet sich der sogenannte Grupen-Wappenstein, ein niedriger Grenzstein mit einem schreitenden Vogel im Wappen, den Initialen C.V.G. und der Jahreszahl 1730.
- Grupens Grab befindet sich im Chor der Kreuzkirche.
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Grupen erstellte u. a. ein Verzeichnis der städtischen Besitztümer (Corpus Bonorum, 1720ff.), eine Leihhausordnung (1729), eine Hypothekenordnung (1744) und eine Gerichtsordnung (1765).
Im ZVDD, Zentrales Verzeichnis Digitalisierter Drucke, finden sich folgende Werke:
- Commentatio succincta De Donationibus ante nuptias qua legis sententiam plenius declarata rationem solicite excutit, ac denique usum practicum proponit cumprimis autem quod communis hic tradunt interpretes: Osculo Virginitatem delibari, Daß die Jungfernschaft durch einen Kuß verloren gehe modeste expendit Chrisstianus Ulricus Grupen. Wertheim, Jena 1714. (Digitalisat der Ausg. 1741)
- Dissertatio de successione legitima augustissimae Hannoveranae Domus in Magnae Britanniae regna = Von der rechtmäsigen Gross-Britannischen Succession des durchlauchtigsten Hauses Hannover. Meyer, Lemgo 1720. (Digitalisat)
- Christian Ulrich Grupen überreicht Georg I. den Druck seiner Festrede über die hannoversche Sukzession in Großbritannien, gehalten vor den hannoverschen Landeskindern an der Universität Jena, 1715: Bestands- und Laufzeit-Titel im Online-Findbuch des Niedersächsischen Landesarchivs.
- Tractatio iuridica de virgine prae vidua ducenda. Dass es besser sey eine Jungfer zu heyrahten, als eine Wittwe. Cui subiiciuntur quaedam de virgine Florentina sive Pandectis Florentinis corollaria. 2., vermehrte Auflage. Meyer, Lemgo 1716. (Digitalisat)
- Origines Pyrmontanae Et Swalenbergicae, worinnen die Alterthümer von Pyrmont und der dortigen Gegend, auch des PAGI WETTAGO, imgleichen die Ankunft der Graffen von Schwalenberg, und derer davon abstammenden I. Grafen von Waldeck, II. Grafen von Waldeck in specie, III. Grafen von Peremunt, IV. Herren von Colrebeck, V. Grafen von Sternberg; sodann die Den Grafen von Schwalenberg und Waldeck angehörige Schlösser und Herrschaften, aus ihrer Ursprünglichkeit erläutert werden. Universitätsbuchhandlung, Göttingen 1740 (Digitalisat der ULB Münster).
- Origines et antiqvitates Hanoverenses oder Umständliche Abhandlung von dem Ursprunge und den Alterthümern der Stadt Hannover, worinnen mit Urkunden, Siegeln und Kupfern der Zustand der Stadt und der herumliegenden Graf- und Herrschafften, wie auch Klöster, imgleichen vieler Adlichen Geschlechter an das Licht gestellet und die Deutschen Rechte erläutert werden. Universitätsbuchhandlung, Göttingen 1740 (Digitalisat von HAB Wolfenbüttel, weiteres Exemplar von Google Bücher).
- Teutsche alterthümer, zur erleuterung des sächsischen wie auch schwäbischen land- und lehn-rechts, wobey der gebrauch der Dressdenschen, Wolfenbütelschen und Oldenburgschen, zum druck kommenden codicum picturatorum durch einige abbildungen, die das Sächsische land- und lehn-recht erleutern, unter augen gestellet worden …. Schmidt, Hannover/Lüneburg 1746. (Digitalisat)
- Historische Nachricht I. Von der Stadt Hannover und ihren Anbau, II. Von denen Alterthümern der Calenbergischen Lande zwischen Deister und Leine. Schmidt, Göttingen 1748 (Digitalisat HAB Wolfenbüttel).
- De uxore Theotisca. Von der Teutschen Frau. Insbesondere: De virginum praegustatoribus, jure deflorationis, jure primae noctis, Maiden-Rents, Marcheta… Mit einer Praeliminair-Dissertation von der Vermählung Hertzogs Henrich des Leuens mit der Königlich-Englischen Printzessin Mathildis. Schmidt, Göttingen 1748. (Digitalisat)
- Observatio juris criminalis De applicatione tormentorum... (Dissertation über die Ausübung der Tortur), Richter, Hannover 1754 (Digitalisat Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen).
- Observationes rervm et antiqvitatvm germanicarvm et romanarvm. Oder, Anmerkungen aus den teutschen und römischen rechten und alterthümern, mit einer vorrede und abhandlung, De lingva Hengisti, Hengist’s tonge, als der altsächsischen sprache, welche der sächsische fürst Hengist mit den Sachsen in Britannien gebracht. Teil 1, Verlag des Waysenhauses, Halle 1763, und Teil 2, Meyer, Lemgo 1766 (Digitalisate von Google Bücher).
- Abhandlung von denen Advocatis und denen in Römischen Rechten und Reichsgesetzen und Tribunals-, Canzley- und Hofgerichtsordnungen verbotenen Pactis der Advocaten mit ihrer Parthey / nebst einem Anhange von denen Proxenetis und ihren Benennungen. Meyer, Lemgo 1765. (Digitalisat)
Nach Grupes Tod brachte der Historische Verein für Niedersachsen eine Arbeit Grupens heraus: Von dem hannöverschen Kirchenstaate In: Vaterländisches Archiv des Historischen Vereins für Niedersachsen, Jahrgang 1837, bei Herold und Wahlstab, Lüneburg 1838, S. 48–133 Digitalisat
Bibliothek
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Grupen vermachte seine Bibliothek 1743 dem Oberappellationsgericht in Celle, dessen Rechtsnachfolger, das Oberlandesgericht Celle sie bis heute als privatrechtliche Stiftungsbibliothek verwahrt. Die über 200 Handschriften wurden erst 2018 in einem modernen Katalog beschrieben. Außerdem gibt es rund 60 Inkunabel im Bestand.[7]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lexikoneinträge
- Artikel Grupen, Christian Ulrich. In: Joachim Rückert und Jürgen Vortmann (Hrsg.): Niedersächsische Juristen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, S. 46–51.
- Heinrich Wilhelm Rotermund: Grupen (Christian Ulrich). In: ders.: Das gelehrte Hannover oder Lexikon von Schriftstellern und Schriftstellerinnen, gelehrten Geschäftsmännern und Künstlern, die seit der Reformation in und außerhalb der sämtlichen zum Königreich Hannover gehörigen Provinzen gelebt haben und noch leben, aus den glaubwürdigsten Schriftstellern zusammengetragen. Band 2, Schünemann, Bremen 1832, S. 190–195.
- Ferdinand Frensdorff: Grupen, Christian Ulrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 10, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 60–64.
- Wilhelm Rothert: Hannoversche Biographie. Band 3: Hannover unter dem Kurhut. Sponholtz, Hannover 1916, S. 495.
- Herbert Mundhenke: Grupen, Christian Ulrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 234 f. (Digitalisat).
- Rudolf Vierhaus: Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE), Band 4, S. 228.
- Klaus Mlynek: Grupen, Christian Ulrich. In: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 139 f.
- Klaus Mlynek: Grupen, Christian Ulrich. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9.
Abhandlungen
- Oskar Ulrich: Christian Ulrich Grupen, Bürgermeister der Altstadt Hannover 1692–1767. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Stadtwesens im 18. Jahrhundert. Veröffentlichung des Vereins für Geschichte der Stadt Hannover. Geibel, Hannover 1913.
- Dietrich H. Hoppenstedt: Christian Ulrich Grupen als Jurist und Rechtshistoriker. In: Hannoversche Geschichtsblätter N. F. 25 (1970), S. 1–96 (mit Literaturangaben).
- Johanna May: Vom obrigkeitsstaatlichen Stadtregiment zur bürgerlichen Kommunalpolitik. Entwicklungslinien der hannoverschen Stadtpolitik von 1699 bis 1824. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, Band 198. Hahn, Hannover 2000, Kapitel 3.1.g: Christian Ulrich Grupen – ein gründlicher Gelehrter und eine obrigkeitliche bürgerliche Person. S. 129–138.
- Hiram Kümper unter Mitarbeit von Bernd Giesen: Die mittelalterlichen und neuzeitlichen Handschriften der Stiftungsbibliothek am Oberlandesgericht Celle. Wiesbaden 2018, S. 5–10
Kurze Erwähnungen
- Horst Kruse: Stände und Regierung – Antipoden? Die Calenberg-Göttingschen Landstände um 1715–1802. Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Band 121. Hahn, Hannover 2000, S. 240 f.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Werke von und über Christian Ulrich Grupen in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Werkeverzeichnis ( vom 5. Juli 2007 im Internet Archive) im Stadtarchiv Hannover
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Zitat aus dem Stadtlexikon Hannover.
- ↑ Hans Funke (Bearb.): Schloß-Kirchenbuch Hannover 1680–1812, Bd. 1, Hannover 1992, Nr. 1397.
- ↑ Siehe dazu den Eintrag der Immatrikulation von Christian Ulrich Grupen im Rostocker Matrikelportal
- ↑ Zitat und Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, Deutsche Kanzlei in London, Lagerungsbestand „Hann. 92“, Signatur „Nr. 136“, Laufzeit 1715.
- ↑ Fußnote der Herausgeber zu dem Aufsatz Grupens Von dem hannöverschen Kirchenstaate in Vaterländisches Archiv des Historischen Vereins für Niedersachsen, Jahrgang 1837, bei Herold und Wahlstab, Lüneburg 1838, S. 48 Digitalisat
- ↑ Klaus Mlynek: Grupen, Christian Ulrich. In: Hannoversches Biographisches Lexikon. S. 140.
- ↑ Kümper et al. 2018. Siehe auch http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Bibliothek_Des_Oberlandesgerichts_-_Der_Grupenschen_Stiftung.
Personendaten | |
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NAME | Grupen, Christian Ulrich |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Jurist und Autor, Bürgermeister von Hannover (1728–1767) |
GEBURTSDATUM | 16. Juni 1692 |
GEBURTSORT | Harburg, heute Hamburg |
STERBEDATUM | 10. Mai 1767 |
STERBEORT | Hannover |