Auftakt
Als Auftakt (früher auch Aufschlag oder Arsis; engl. „upbeat“) bezeichnet man in der Musik den Beginn eines Liedes, Motivs, einer Phrase oder eines ganzen Werks auf einem unbetonten Taktteil vor der ersten Hauptbetonung.
Allgemeines
Seit dem 19. Jahrhundert verwendet die Musiktheorie den Begriff Auftakt für den Anfang eines Musikstückes, das nicht mit einem vollständigen Takt beginnt.[1] In Liedern verläuft der Rhythmus in der Regel mit den textlichen Betonungen synchron. Rhythmisch-metrisch folgt die Melodik meist dem Sprachfluss des Textes, so dass eine Text-Ton-Beziehung besteht.[2] Da insbesondere in der deutschen Sprache die Betonung meist auf der zweiten Silbe liegt, bleibt die erste Silbe unbetont. Sie ist dann die schwache Zählzeit des Taktes, weil die auf diese Taktzeit fallenden Noten nicht auf dem grammatischen Akzent des Liedtextes liegen.[3]
Metrischer Auftakt
Metrisch bedeutet auftaktig, dass ein Lied nicht mit der Zählzeit 1, sondern mit einer schwächeren Zählzeit beginnt. Deshalb nennt man derartige Strukturen auch auftaktig. Die Mehrzahl aller Kompositionen ist - ohne Rücksicht auf den Musikstil - nach dieser Form konstruiert.
Viele deutsche Volkslieder beginnen auftaktig, weil ihr Text mit unbetonten Silben anfängt.[4] Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt: „Im“ ist der Auftakt, da das Wort unbetont bleibt und erst „Märzen“ betont wird. Hugo Riemanns System des musikalischen Rhythmik und Metrik (Leipzig, 1903) basiert auf 3 interdependenten Prinzipien, nämlich der Agogik (Tempoveränderung), Auftaktigkeit und Achttaktigkeit. Auftaktigkeit bedeutet hier, dass Musik generell von leicht nach schwer, von upbeat zum downbeat und von Frage zu Antwort fortschreite. Kritisiert wird Riemanns Theorie, weil sie überwiegend von auftaktigen Modellen ausgehe und abtaktige ignoriere.
Auftakt in Liedern
In Liedern dient der Auftakt dazu, die sprachliche Betonung und den musikalischen Takt miteinander in Einklang zu bringen. Zahllose Lieder beginnen mit einem Auftakt, beispielsweise:
- Das Wandern ist des Müllers Lust (Deutschland)
- Pera stous, pera kambous (Griechenland)
- Alas, my love, you do me wrong (England)
- Petit papa noël (Frankreich)
(Auftakt kursiv, erste Betonung in Fettdruck)
Bei Liedern und kleineren, überschaubaren Instrumentalstücken wird der Schlusstakt um die Länge des Auftaktes gekürzt, so dass er mit dem Auftakt zusammen einen vollen Takt ergibt.[5] Dies wird insbesondere so gehalten, wenn mehrere Strophen mit einem durchgehenden Puls gesungen werden sollen.[6] Durchbrochen wird das Schema gerade im Bereich des Volkslieds, wenn sich aus der Textstruktur eine unregelmäßige musikalische Formung ergibt.[7] Auch ergab sich im 19. Jahrhundert durch die stilistische Lösung von klassischen Formen eine Befreiung von diesem Prinzip.[7]
Im Gegensatz dazu wird im Jazz der Auftakt oft stärker betont als der Haupttakt selbst.
Generalauftakt
Generalauftakt ist ein von Hugo Riemann stammender Begriff. Es ist ein Auftakt höherer Ordnung, der nicht Bestandteil des folgenden Motivs, sondern Überleitung zu einem neuen Gedanken oder zur Wiederholung eines bereits vorher aufgetretenen Themas darstellt. Er nennt ihn einen „Auftakt, der nicht zum nächsten Taktmotiv gehört, sondern zum erneuten Vortrage des Hauptgedankens überleitet.“[8] Die Bedeutung des Generalauftakts erkannte bereits Jérôme-Joseph de Momigny; er nennt ihn „lien“ (Band). Mathis Lussy, der Momignys Ideen 1873´wieder aufgriff, nennt die Überleitungstöne „notes de soudure“ (Naht). In Hugo Riemanns Phrasierungsausgaben ist der Generalauftakt durch einen vorwärts überlaufenden Bogen kenntlich gemacht.
Abtakt
Beginnt ein Lied ausnahmsweise mit der betonten Zählzeit 1, so nennt man es abtaktig. Für de Momigny war der Auftakt bereits ein bevorzugtes Element der Phrasierung, indem er ihn betonte.
Weitere Bedeutungen
- Einem älteren Gebrauch zufolge ist Auftakt (auch Aufstreich, frz. levée, it. levata) der unbetonte (leichte, schlechte) Taktteil, die Arsis, im Gegensatz zum betonten (schweren, guten) Taktteil, der Thesis, der als Abtakt (auch Niedertakt, Niederstreich, frz. frappée, it. battuta)) bezeichnet wird. Diese Begrifflichkeit hat ihren Ursprung im tactus, der Auf- und Abbewegung der Hand oder des Fußes beim Singen. Das Wort Auftakt wurde dann auf den Phrasenbeginn im Auftakt übertragen, der auch als Anakrusis bezeichnet wird.
- Im übertragenen Sinne spricht man von Auftakt auch als Eröffnung einer Veranstaltung: Den Auftakt zum diesjährigen Oktoberfest bildete der traditionelle Bier-Anstich.
Literatur
- Erich Wolf: Die Musikausbildung. Band I: Allgemeine Musiklehre. 7. Auflage. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1985, ISBN 3-7651-0044-7, S. 62–64.
- Wieland Ziegenrücker: ABC Musik. Allgemeine Musiklehre. Neuausgabe. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden, 2009, ISBN 978-3-7651-0309-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Georg Braungart u.a. (Hrsg.), Reflexion der deutschen Literaturwissenschaft, 2007, S. 166
- ↑ Wieland Ziegenrücker/Peter Wicke, Sachlexikon Populärmusik, 1987, S. 219
- ↑ Christoph Koch, Kurzgefasstes Handwörterbuch der Musik, 1807, S. 38
- ↑ Wieland Ziegenrücker/Peter Wicke, a.a.O., S. 30
- ↑ Wieland Ziegenrücker, ABC Musik. Allgemeine Musiklehre, 2009, ISBN 978-3-7651-0309-4, S. 68
- ↑ Christoph Hempel, Neue allgemeine Musiklehre,, 1997, ISBN 3-254-08200-1, S. 89
- ↑ a b Erich Wolf: Die Musikausbildung. Band I: Allgemeine Musiklehre. 7. Auflage. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1985, ISBN 3-7651-0044-7, S. 64.
- ↑ Hugo Riemann, Grundriss der Kompositionslehre, 1897, S. 89