Auftakt
Als Auftakt (früher auch Aufschlag oder Arsis; engl. „upbeat“) bezeichnet man in der Musik den Beginn eines Liedes, Motivs, einer Phrase oder eines ganzen Werks auf einem unbetonten Taktteil vor der ersten Hauptbetonung.
Allgemeines
Seit dem 19. Jahrhundert verwendet die Musiktheorie den Begriff Auftakt für den Anfang eines Musikstückes, das nicht mit einem vollständigen Takt beginnt.[1] In Liedern verläuft der Rhythmus in der Regel mit den textlichen Betonungen synchron. Rhythmisch-metrisch folgt die Melodik meist dem Sprachfluss des Textes, so dass eine Text-Ton-Beziehung besteht.[2] Da insbesondere in der deutschen Sprache die Betonung meist auf der zweiten Silbe liegt, bleibt die erste Silbe unbetont. Sie ist dann die schwache Zählzeit des Taktes, weil die auf diese Taktzeit fallenden Noten nicht auf dem grammatischen Akzent des Liedtextes liegen.[3]
Metrischer Auftakt
Von einem metrischen Auftakt (Adjektiv: auftaktig) spricht man, wo eine musikalische Phrase, bzw. ein musikalisches Motiv auf einer leichten Zählzeit einsetzt.
Der Begriff dient also dazu, diese vom primären apperzeptuellen Konzept des sogenannten Abtakts abstrahierte Situation zu unterscheiden, wo eine Phrase oder Motiv regulär auf einer schweren Zählzeit, eben auf dem Takt im Sinne eines ersten Dirigierschlags einsetz.
Der Begriff Auftakt meint hier, dass auch ein oder mehr Schläge vor (nicht etwa: auf) dem Takt (Phraseneins, bzw. Motiveins) einer Phrasen- oder Motivgestalt zugerechnet werden.
Entsprechend wird am auftaktigen Beginn einer notierten Komposition die Taktzählung erst mit der ersten Phrasen- bzw. Motiveins, also nach den auftaktigen Noten begonnen.
Der Eindruck eines ausschließlich metrischen Auftakts wird nicht mit Mitteln der Rhythmik evoziert, sondern es stehen hier nur Mittel der Tonalität (Akkordstufenmetrik), bzw. der Betonung (Intensitäten, Helligkeiten) zur Verfügung.
So zeigt z. B. eine abstrakte Schlagfolge x x - - x x ... , dass ohne weiteres vorzugsweise abtaktig aufgefasst wird, dass also Auftakt ein abstrakteres Konzept ist, welches zusätzlicher musikalischer Parameter (Betonung durch Intensitäten, Akkordstufenmetrik oder gegebener Wortsilbenmetrik) bedarf:
x x - - x x ... (unbetont)
/ x x - - / x x - - / ... (abtaktige Auffassung)
x / x - - x / x - - - / ... (auftaktige Auffassung)
Hier zeigt sich also überhaupt eine mit den Mitteln der Rhythmik evozierte Taktwahrnehmung. Der Begriff des sogenannten 'Abtakts' wird demnach erst zur Unterscheidung vom abstrakteren und (musikalisch aufwendigeren) Konzept des Auftakts benötigt, ist ansonsten synonym mit dem des Takts.
Viele deutsche Volkslieder beginnen auftaktig, weil ihr Text mit unbetonten (Artikel, Pronomen, Präposition) anfängt.[4] Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt: „Im“ ist der Auftakt, da das Wort eine unbetonte Präposition ist und erst das Substantiv „Märzen“ betont wird. Weitere Beispiele: Am Brunnen vor dem Tore, Aus grauer Städte Mauern, Das Wandern ist des Müllers Lust, Der Mond ist aufgegangen, Ich ging durch einen grasgrünen Wald, Im Frühtau zu Berge usw. Siehe dazu Liste von Volksliedern.
Beispiele aus anderen Sprachen sind:
- Pera stous, pera kambous (Griechenland)
- Alas, my love, you do me wrong (Greensleeves, England)
- Petit papa noël (Frankreich)
(Auftakt kursiv, erste Betonung in Fettdruck)
Für Jérôme-Joseph de Momigny war der Auftakt ein bevorzugtes Element der Phrasierung, sodass er ihn betonte.
Hugo Riemanns System des musikalischen Rhythmik und Metrik (Leipzig, 1903) basiert auf 3 interdependenten Prinzipien, nämlich der Agogik (Tempoveränderung), Auftaktigkeit und Achttaktigkeit. Auftaktigkeit bedeutet hier, dass Musik generell von leicht nach schwer, von upbeat zum downbeat und von Frage zu Antwort fortschreite. Kritisiert wird Riemanns Theorie, weil sie überwiegend von auftaktigen Modellen ausgehe und abtaktige ignoriere.
Bei Liedern und kleineren, überschaubaren Instrumentalstücken wird der Schlusstakt um die Länge des Auftaktes gekürzt, so dass er mit dem Auftakt zusammen einen vollen Takt ergibt.[5] Dies wird insbesondere so gehalten, wenn mehrere Strophen mit einem durchgehenden Puls gesungen werden sollen.[6] Durchbrochen wird das Schema gerade im Bereich des Volkslieds, wenn sich aus der Textstruktur eine unregelmäßige musikalische Formung ergibt.[7] Auch ergab sich im 19. Jahrhundert durch die stilistische Lösung von klassischen Formen eine Befreiung von diesem Prinzip.[7]
Generalauftakt
Generalauftakt ist ein von Hugo Riemann stammender Begriff. Es ist ein Auftakt höherer Ordnung, der nicht Bestandteil des folgenden Motivs, sondern Überleitung zu einem neuen Gedanken oder zur Wiederholung eines bereits vorher aufgetretenen Themas darstellt. Er nennt ihn einen „Auftakt, der nicht zum nächsten Taktmotiv gehört, sondern zum erneuten Vortrage des Hauptgedankens überleitet.“[8] Die Bedeutung des Generalauftakts erkannte bereits Jérôme-Joseph de Momigny; er nennt ihn „lien“ (Band). Mathis Lussy, der Momignys Ideen 1873 wieder aufgriff, nennt die Überleitungstöne notes de soudure („Naht“). In Hugo Riemanns Phrasierungsausgaben ist der Generalauftakt durch einen vorwärts überlaufenden Bogen kenntlich gemacht.
Weitere Bedeutungen
- Einem älteren Gebrauch zufolge ist Auftakt (auch Aufstreich, frz. levée, it. levata) der unbetonte (leichte, schlechte) Taktteil, die Arsis, im Gegensatz zum betonten (schweren, guten) Taktteil, der Thesis, der als Abtakt (auch Niedertakt, Niederstreich, frz. frappée, it. battuta) bezeichnet wird. Diese Begrifflichkeit hat ihren Ursprung im tactus, der Auf- und Abbewegung der Hand oder des Fußes beim Singen. Das Wort Auftakt wurde dann auf den Phrasenbeginn im Auftakt übertragen.
- Im übertragenen Sinne spricht man von Auftakt auch als Eröffnung einer Veranstaltung: Den Auftakt zum diesjährigen Oktoberfest bildete der traditionelle Bier-Anstich.
Literatur
- Erich Wolf: Die Musikausbildung. Band I: Allgemeine Musiklehre. 7. Auflage. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1985, ISBN 3-7651-0044-7, S. 62–64.
- Wieland Ziegenrücker: ABC Musik. Allgemeine Musiklehre. Neuausgabe. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden, 2009, ISBN 978-3-7651-0309-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. 3. Auflage. Band 1. Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-019355-8, S. 166 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Wieland Ziegenrücker, Peter Wicke: Sachlexikon Populärmusik. Goldmann, München 1987, ISBN 3-442-33601-5, S. 219.
- ↑ Heinrich Christoph Koch: Kurzgefasstes Handwörterbuch der Musik. Hartknoch, Leipzig 1807, S. 38 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
- ↑ Wieland Ziegenrücker, Peter Wicke: Sachlexikon Populärmusik. Goldmann, München 1987, ISBN 3-442-33601-5, S. 30
- ↑ Wieland Ziegenrücker: ABC Musik. Allgemeine Musiklehre. Neuausgabe. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-7651-0309-4, S. 68.
- ↑ Christoph Hempel: Neue allgemeine Musiklehre. Schott, Mainz 1997, ISBN 3-254-08200-1, S. 89
- ↑ a b Erich Wolf: Die Musikausbildung. Band I: Allgemeine Musiklehre. 7. Auflage. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1985, ISBN 3-7651-0044-7, S. 64.
- ↑ Hugo Riemann: Grundriss der Kompositionslehre. Hesse, Leipzig 1897, S. 89.