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Seite:Die Gartenlaube (1875) 845.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


No. 51.   1875.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennige. – In Heften à 50 Pfennige.



Der Doppelgänger.
Erzählung von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)


Herr Fäustelmann strebte, während ihm diese und andere Gedanken durch den Kopf gingen, heimwärts und als er in Wilstorp wieder angekommen war, wandte er sich sogleich der Wohnung seines jungen Herrn zu. Dieser saß noch immer in seinem Eckzimmer in einem Sessel am Fenster, ohne dem Anschein nach weiter beschäftigt zu sein, als die hochaufgethürmten weißen Wolkenberge draußen am blauen Himmel zu betrachten.

„Nun, was bringen Sie für Nachrichten, Fäustelmann?“ rief er dem Rentmeister, als dieser bei ihm eintrat, entgegen.

„Nachrichten nicht gerade befriedigender Art – das Ergebniß ist, daß wir uns selber werden helfen müssen. Das Beste ist, daß ich aus den Reden der Prinzessin den Schluß habe ziehen können, wer Ihr Doppelgänger ist, obwohl sie mir directe Auskunft verweigerte. Es ist ganz ohne Zweifel der Emissär, von dem der Apotheker redete, der Mann, der die Waffen für die Kropp in’s Land geschafft hat …“

„Ah – und wie sollte der dazu kommen, sich Uffeln zu nennen?“

„Sehen Sie nicht ein, wie schlau das von ihm war? Welche bessere Maske konnte der Mensch sich wählen, als den Namen eines solchen neuen Ankömmlings im Lande, wie Sie sind? Wird ein Verdacht wider ihn erweckt, vernehmen die Franzosen etwas von einem Uffeln, der im Lande für den Tugendbund arbeitet, heben sie vielleicht solch einen an einen Herrn von Uffeln adressirten Waffentransport auf, dann fallen sie natürlich über Sie her, und dieser Schwindler behält unterdeß völlig Zeit, sich bei Seite zu machen und zu verschwinden.“

„So erklären Sie sich die Sache?“

„Wissen Sie eine bessere Erklärung?“

„Nein. Freilich nicht. Aber was wollte die Prinzessin von mir?“

„Ihrem Edelmuth ein großes Opfer abverlangen, Sie bitten, auf die Hand von Fräulein Adelheid zu verzichten.“

„Ah – nicht möglich!“

„Es ist so – sie wollte Ihnen die Herzensneigung von Fräulein Adelheid und Doctor Adolf Günther in einem so romantisch verklärten Lichte darstellen, daß Sie in tiefster Rührung und überquellender Seelengüte freiwillig auf alle Bewerbungen um Fräulein Adelheid’s Hand verzichten sollten.“

„Aber das kann ich ja gar nicht.“

„Nein, das können Sie nicht. Obwohl es die Prinzessin sehr ernsthaft nimmt. Denn sie läßt es Ihnen durch mich feierlich als Bedingung vorschreiben.“

„Als Bedingung? Ah – die Prinzessin schreibt mir Bedingungen vor! Wofür?“

„Sie übernimmt es dann, Ihren Doppelgänger sofort unschädlich zu machen und von hier zu vertreiben.“

„Vertreiben? Wodurch kann sie das, welche Macht hat sie über ihn? Ich werde ihr sehr dankbar sein, wenn sie ihn vertreibt – aber …“

„Aber Sie möchten wissen, welche Mittel sie dazu hat. Nun, eines, dessen sie auch erwähnte, liegt auf der Hand: sie kann das Geheimniß seines Aufenthaltes verrathen – sie kennt es.“

„Und würde sie das thun?“

„Nein! das würde sie nicht thun. Sie versprach, im Nothfall ihm damit drohen zu wollen, aber ich bin überzeugt, daß sie mit diesem Versprechen nur mich beruhigen wollte; in der That wird sie, wenn dieser Mensch ihr sich anvertraut hat, ihn auch nicht verrathen. Daran ist nicht zu denken. Sie muß also, wenn sie verspricht, ihn zu entfernen, andere Mittel haben auf ihn zu wirken, die sie nicht angeben will, statt deren sie von einer solchen Drohung redet.“

„Aber wie erklären Sie sich denn das? Wie kann diese Prinzessin mit dem Emissär zusammenhängen, wie kann sie Mittel haben, seine Entschlüsse zu bestimmen?“

„Das weiß der liebe Gott,“ sagte Herr Fäustelmann, „ich verstehe es eben so wenig wie Sie. Das Beste ist, daß wir es nicht gerade zu ergründen brauchen um uns helfen zu können, das heißt um Ihnen helfen und diesen gefährlichen Doppelgänger vom Halse schaffen zu können.“

„Und welche Mittel hätten wir dazu?“

„Dieselben ungefähr, welche die Prinzessin hat; sie scheint zwar den Aufenthaltsort des Menschen zu kennen, während er uns unbekannt ist. Dagegen können wir handeln, ohne durch Rücksichten auf Vertrauen und dergleichen gebunden zu sein. Und kennen wir seinen Aufenthaltsort nicht, den wir denunciren können, so kennen wir etwas, das uns ebenso weit hilft – sein Waffenlager.“

„Wollen Sie das der Polizei denunciren?“

„Weshalb nicht? Es muß freilich anonym geschehen, denn sonst würde man als schlechter Deutscher verfehmt, und Apotheker Widmer würde seiner vaterländischen Entrüstung in schlimmen Worten Luft machen.“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 845. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_845.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)