Verschiedene: Die Gartenlaube (1875) | |
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flietig arbeiten, dortau hett he Kunnevieten. äwer de Scheetprögel is keene Meßfork (Mistfahren und fleißig arbeiten, dazu hat er Geschick, aber der Schießprügel ist keine Mistgabel).“
Doch alle diese Debatten, Wetten und Vermuthungen wurden plötzlich durch ein lärmendes, fröhliches Geschnatter und Gejauchze unterbrochen, begleitet von herausforderndem Trommelwirbel; das Schießen hatte aufgehört, und in stolzem Zuge, voran der bekränzte Schützenkönig, dem die errungene Scheibe als Preis nachgetragen wurde und dem der alte Veteran und Nachtwächter, die Trommel schlagend, voranschritt, bewegte sich der Menschenschwarm zum Wirthshause, woselbst der Held des Tages den Honoratioren und den Seinigen vorgestellt werden sollte. – Doch wer sitzt denn da plötzlich, Gewitterwolken auf der Stirn, und stiert in seinen Bierkrug? Das ist ja der vielbelobte Held des Tages, der Forstwart, und neben ihm der reichste Bauernsohn des Dorfes, verschnupft und mit geballter Faust. Der fleißige Arbeiter und schlechte Schütze Kunrad hatte den Preis errungen, und noch dazu mit einer Flinte ältester Construction, dem Feuersteinschloß, doch was eigentlich die Hauptsache dabei ist, beglückt vom hartnäckigsten „Schlump“ – denn um des greisen Vaters Worte zu gebrauchen „der Scheetprögel is keene Meßfork“. – Der ingrimmige Forstwart murmelte denn auch vernehmlich genug in den Bart: „De dümsten Buern hebben de dicksten Kartuffeln“ und andere tröstliche Sprüchwörter mehr, während der reiche Bauernsohn zu thätlicher Rache aufzustacheln suchte. Das Glück Kunrad’s wurde jedoch hierdurch nur gehoben, der von den Seinigen mit Jubel und frohem Staunen begrüßt wurde, von der Geliebten mit selig blitzenden Augen, vom ungläubigen Vater mit ausgebreiteten Armen und entkorkter Flasche, von den Uebrigen mit Staunen, Wohlwollen und herzlichen Glückwünschen.
Daß die eitlen Verspieler weidlich geneckt wurden, kann ihnen nicht schaden, denn – unfehlbar ist Keiner unter der Sonne.
Das ist der Gegenstand des Bildes. Wir haben den obigen Zeilen nur noch hinzuzufügen, daß das von Conrad Beckmann, einem geborenen Hannoveraner, mit brillanter Technik gemalte Bild in den deutschen Ausstellungssalons ungetheilten und ungewöhnlichen Beifall gefunden hat. Besonders ist es die frappante Natürlichkeit des psychologischen Ausdruckes, welche demselben so viele Bewunderer erworben hat. – Sicherlich wird es auch unter unseren Lesern zahlreiche Freunde finden.
Ein Stück deutscher Eisenbahn-Einheit. Unterm 4. Januar dieses Jahres hat der deutsche Reichskanzler die vom Bundesrathe beschlossene Signalordnung für die Eisenbahnen Deutschlands als am 1. April dieses Jahres in Kraft tretend vollzogen. Dieselbe hilft einem schon lange empfundenen Bedürfnisse ab, indem sie nothwendige Uebereinstimmung dort schafft, wo die Ungleichheit nicht blos Verluste an Zeit und Geld, sondern auch an Menschenwohl und sogar an Menschenleben herbeigeführt hat. Ist es doch nicht selten vorgekommen, daß von den bei directen Zügen zwischen weit von einander entfernten Orten oder in Kriegszeiten auf fremde Bahnen übergehenden Zugbeamten Signale verwechselt ober übersehen worden sind. Was für Unheil kann aber z. B. allein das Unterlassen rechtzeitiger Befolgung eines Bremssignals anrichten! Diese einheitliche Gestaltung der Eisenbahn-Signale wird nun, was nicht gering anzuschlagen ist, dahin führen, daß größere Kreise des Publicums mit denselben vertraut werden und dies sowohl dem Eisenbahnbetriebe überhaupt wie den Betheiligten insbesondere zum Nutzen gereichen.
Die nach den Bestimmungen der neuen Verordnung zulässigen Signale sind entweder akustische (elektrische Läutewerke, Dampfpfeife, Mundpfeife. Horn, Stationsglocke) oder optische (Stellung und Bewegung der Wärter etc., Telegraphenmastarme, weiße, rothe, grüne Laternen und runde Scheiben). Um dieselben, so weit sie den Reisenden interessiren können, näher kennen zu lernen, begeben wir uns zu einer Eisenbahnfahrt auf den nächsten Bahnhof. Wir sitzen im Wartezimmer; es ertönt ein kurzes Läuten der Stationsglocke mit einem deutlich markirten Schlußschlage: die Abfahrt des Zuges naht. Wir schicken uns zum Einsteigen an, – zwei markirte Schläge der Glocke: wir steigen ein, – drei Schläge: – der Zug ist zur Abfahrt bereit. Ein Pfiff des Zugführers auf der Mundpleife beordert das Zugpersonal auf seine Plätze, zwei solcher Pfiffe geben dem Locomotivführer das Zeichen zur Abfahrt. Die Dampfpfeife ertönt, in einem mäßig langen Pfiffe das „Achtungssignal“ gebend. Wir hören noch das „Abmeldesignal“, ein elektrisches Läutesignal,[1] auf die vor uns liegende Strecke vorauseilen, die wir nun selbst befahren.
Als oberster Grundsatz gilt, daß die Strecke nur dann als befahrbar betrachtet werden darf, wenn dies durch ein Signal ausdrücklich angezeigt ist; so lange solches Signal fehlt, soll gehalten werden. Da unser Zug sich aber in Bewegung befindet, so muß der Locomotivführer das „Fahrsignal“ erhalten haben. Indessen wir können selbst controliren: der nächste Bahnwärter macht Front gegen den Zug, das heißt: „der Zug darf ungehindert passiren“. Bei Dunkelheit würde der Wärter noch seine Handlaterne mit weißem Lichte dem Zuge entgegenzuhalten haben. Sind Telegraphenmasten im Gebrauche, so giebt der rechtsseitige Telegraphenarm schräg nach oben gerichtet () das Signal „freie Fahrt, bei Dunkelheit tritt weißes Licht der Signallaterne des Mastes hinzu.
Soll der Zug langsam fahren, so muß der Bahnwärter eine Stange in der Richtung gegen das Geleise, bei Dunkelheit aber die Handlaterne mit grünem Lichte dem Zuge entgegenhalten. Am Telegraphenmaste sehen wir in diesem Falle bei Tage einen Stab mit runder Scheibe befestigt, bei Dunkelheit grünes Licht der Signallaterne. Wenn, was nicht selten vorkommt, bei Reparaturen oder beim Auswechseln von Schwellen eine gewisse Strecke des Geleises nur langsam befahren werden darf, so wird dies bei Tage durch Scheiben (Nachts durch Stocklaternen), welche am Anfange und Ende der betreffenden Strecke aufgestellt sind, angezeigt, und zwar muß, dem kommenden Zuge zugekehrt, die erste Scheibe mit A[2] (bei Dunkelheit grünes Licht) und die zweite mit E[3] (bei Dunkelheit weißes Licht) bezeichnet sein.
Nachdem wir eben eine solche Strecke passirt, sehen wir plötzlich den nächsten Bahnwärter einen Stab (bei Dunkelheit die Handlaterne, womöglich mit rothem Lichte) lebhaft hin und her schwenken und den rechtsseitigen Telegraphenarm wagerecht stellen () (bei Dunkelheit auch rothes Licht am Telegraphenmaste). Sofort ertönen drei kurze Pfiffe der Dampfpfeife unseres Zuges schnell hintereinander, das heißt „die Bremsen anziehen“, um den Zug zum Stehen zu bringen. Ein Blick weiter längs der Bahn belehrt uns über den Anlaß zum „Haltsignal“: am Eingange des in geringer Entfernung belegenen Bahnhofes steht am Bahnhofsabschluß-Telegraphen das Signal „Einfahrt gesperrt“; es ist nämlich der Telegraphenarm nach rechts wagerecht gestellt (bei Dunkelheit rothes Licht nach dem kommenden Zuge, grünes Licht nach dem Bahnhofe zu).
Bald aber hebt sich am Bahnhofsabschluß-Telegraphen der Arm schräg rechts nach oben (bei Dunkelheit grünes Licht nach dem ankommenden Zuge, weißes Licht nach dem Bahnhofe zu), das heißt „die Einfahrt ist frei“. Zwei mäßig lange Pfiffe der Dampfpfeife schnell hintereinander geben die Ordre: „Bremsen loslassen“. Der Zug setzt sich langsam in Bewegung, und wir rollen an den Perron heran, dessen Telegraphenmast für unseren Zug sich der eben beim Bahnhofs-Abschlußtelegraphen geschilderten Zeichen bedient.
Es giebt auf jedem Bahnhofe nur einen Perrontelegraphen, aber nach jeder Richtung des Geleises hin einen Bahnhofsabschluß-Telegraphen, etwa an der Grenze des Bahnhofsterrains. Ihre Signale stimmen, wie wir gesehen haben, darin mit denen der Telegraphenmaste der Fahrstrecken überein, daß die Stellung des Armes rechts wagerecht () zu dem befahrenen Geleise, und bei Dunkelheit rothes Licht stets „Halt“ bedeutet, während die Stellung des Telegraphenarmes schräg rechts nach oben () und bei Dunkelheit weißes Licht (soll langsam gefahren werden, grünes Licht) „freie Fahrt“ bedeutet.
Bis jetzt haben wir nur Signale kennen gelernt, welche von den Zugleitenden für das Zugpersonal oder von dem Strecken- und Bahnhofspersonale für den Zug gegeben werden. Auf der Rückfahrt wollen wir nun auch diejenigen Signale uns einprägen, welche dazu dienen, von dem Zuge aus Zeichen an das Strecken- und Bahnhofspersonal zu geben. Darunter befinden sich auch die Kennzeichen für die Spitze und den Schluß des Zuges, welche nöthig sind, um die Vollständigkeit eines Zuges prüfen zu können. Nicht selten sind nämlich Unglücksfälle dadurch entstanden, daß die Kuppelung einzelner Bestandtheile eines Zuges sich gelöst hatte und somit gewissermaßen ein verlorener Theil des Zuges auf dem Geleise umherirrte.
Die Spitze des Zuges trägt bei Tage kein besonderes Zeichen, bei Dunkelheit aber zwei nach vorn weiß leuchtende Laternen; rothes Licht zeigen dieselben, wenn der Zug ausnahmsweise auf dem nicht für die Fahrrichtung bestimmten Geleise einer zweigeleisigen Bahnstrecke fährt. Das Schlußsignal des Zuges befindet sich an der Hinterwand des letzten Wagens; es besteht bei Tage in einer rothen und weißen runden Scheibe zwischen den Puffern, bei Dunkelheit in zwei Laternen auf der Hinterwand des letzten Wagens, welche nach hinten rothes Licht nach vorn grünes Licht zeigen. Hat eine dieser Laternen auch nach hinten grünes Licht, so folgt ein Extrazug (bei Tage außer dem Schlußsignale oben auf der Hinterwand des letzten Wagens eine grüne Scheibe).
Das Kommen eines Extrazuges in entgegengesetzter Richtung bezeichnet eine grüne Scheibe (respective Laterne) vorn an der Locomotive. Eine weiße runde Scheibe vorn an der Locomotive oder an jeder Seite verlangt: „die Telegraphenleitung zu revidiren.“ Schwingt ein Schaffner seine Mütze, respective seine Laterne, so liegt darin für den Bahnwärter die Anweisung, sofort seine Strecke zu revidiren.
Auch die beim Rangirdienste erforderlichen Signale sind einheitlich dahin zusammengefaßt, daß „Vorziehen“ durch einen langen Pfiff (Mundpfeife) oder Ton (des Hornes) oder durch senkrechte Bewegung des Armes, respective der Handlaterne angezeigt, „Zurückdrücken“ durch zwei mäßig lange Pfiffe (Töne) oder wagerechte Arm-, respective Handlaternenbewegungen signalisirt, endlich „Halt“ durch drei schnell hintereinander folgende Pfiffe (Töne) oder durch kreisförmige Arm-, respective Handlaternenbewegungen ausgedrückt wird.
Wir schließen in der Zuversicht, daß diese Eisenbahn-Signalordnung als eine nutzenbringende Frucht deutscher Einheit von den vaterlandsliebenden Betheiligten gewürdigt werden wird.
- ↑ Es bedeuten:
- a. Einmal eine bestimmte Anzahl von Glockenschlägen: Der Zug geht in der Richtung von X nach Y;
- b. zweimal dieselbe Anzahl: Der Zug geht in entgegengesetzter Richtung;
- c. dreimal dieselbe Anzahl: Die Bahn wird bis zum nächsten fahrplanmäßigen Zuge nicht mehr befahren („Ruhesignal“);
- d. sechsmal dieselbe Anzahl: Es ist etwas Außergewöhnliches zu erwarten („Alarmsignal“).
- zu a.: langer kurzer, kurzer langer Ton, einmal;
- zu b.: dasselbe Signal zweimal;
- zu c.: vier lange Töne;
- zu d.: acht kurze Töne.
- ↑ Anfang
- ↑ Ende
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_244.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)