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Seite:Die Gartenlaube (1875) 181.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Ausarbeitung einer vergleichend anatomischen Arbeit über das Nervensystem der Fische behufs Erlangung des Doktorhuts und der venia legendi an der Universität Zürich gesellte, mußten selbstverständlich aufreibend auf Körper und Geist unseres Dichters wirken, und es scheint fast, als ob er sein nahes Ende und sogar die Art der Krankheit, an der er sterben sollte, vorausgefühlt hätte. Wenigstens schreibt er an seine Braut: „Könnte ich dieses kalte und gemarterte Herz an Deine Brust legen! – Meine geistigen Kräfte sind gänzlich zerrüttet“ etc.

Am 21. Februar des Jahres 1837 wurde Georg Büchner zu Zürich beerdigt. Am 15. Februar desselben Jahres hatte man Ludwig Börne, seinen großen Gesinnungs- und Leidensgenosen, in Paris zu Grabe gebracht. Zwei Tage nach Büchner’s Beerdigung, am 23. Februar, erlitt sein Mitkämpfer, Pfarrer Weidig, in einem Darmstädter Kerker seinen schauervollen und immer noch in die Geheimnisse eines fürchterlichen Augenblicks begrabenen Tod. Keiner von den Dreien sollte die Wonne haben, die Zeit zu sehen, an deren Herbeiführung sie die Kräfte ihres Lebens gesetzt hatten; aber freilich wurde ihnen auch manche Art der Täuschung dabei erspart!

 – Es bricht die müde Brust in Staub,
Und mit ihr wieder eine Freiheitsstütze!
Auf’s stille Herz fällt die gelähmte Hand,
Daß sie im Tod noch vor der Welt es schütze!
Und die so reich vor seinem Geiste stand,
Er darf die Zukunft nicht zur Blüthe treiben,
Und seine Träume müssen Träume bleiben;
Ein unvollendet Lied singt er in’s Grab,
Der Verse schönsten nimmt er mit hinab –“

so singt G. Herwegh in seinem berühmten Gedichte an Büchner und spielt mit den letzten Worten auf den Umstand an, daß höchst wahrscheinlich ein oder zwei ungedruckte Dramen Büchner’s aus seinem Nachlasse verloren gegangen sind. Wenigstens erwähnt der Dichter dieser Dramen in seinen Briefen mehrfach; während der Fieberdelirien seiner Krankheit soll er sich vergebens angestrengt haben, von Etwas Mittheilung zu machen, das ihm Sorge zu machen schien. Der Tod schloß seine Lippen, und in seinem Nachlasse konnte außer dem bereits Angeführten und einigen Jugendarbeiten Weiteres nicht aufgefunden werden. Sein Grab in Zürich schmückt ein einfacher Stein, den seine Geschwister ihm setzen ließen, doch soll, wie man hört, der mitten in der Stadt gelegene Kirchhof demnächst cassirt werden, in welchem Falle die Familie des Hingeschiedenen wohl eine Uebertragung der Leiche nach Darmstadt bewerkstelligen wird.




Der Canarienvogel.
Von einem Harzer Züchter.
Die Farbe des Vogels. – Wie er gefüttert werden muß. – Sein Käfig. – Seine Pflege der Krankheiten. – Wie er zahm zu machen ist. – Züchtung der Vögel auf dem Harz. – Die Hecken. – Die größten Händler. – Rathschläge beim Ankauf.


Bei der allgemeinen Beliebtheit, deren sich der Canarienvogel bei Hoch und Niedrig, bei Arm und Reich seines prächtigen goldgelben Gefieders wie seines Gesanges wegen erfreut, und bei der großen Verbreitung desselben über fast alle Länder nicht nur des Continents, sondern auch jenseits des Oceans, dürfte es den Tausenden und Abertausenden von verehrlichen Lesern und schönen Leserinnen der Gartenlaube, welchen ein Canarienvogel das Zimmer zieren und mit seinen harmonischen Tönen trübe Gedanken verscheuchen hilft, gewiß nicht uninteressant sein, an dieser Stelle einmal etwas Näheres über die Herkunft, Pflege und Zucht des kleinen Sängers zu erfahren.

Der Canarienvogel (fringilla canaria) gehört in die Classe der körnerfressenden Singvögel (granivori) und unter diesen mit Buchfink, Stieglitz, Hänfling, Zeisig und Sperling in’s Geschlecht der Finken. Seinen so sehr empfehlenden Eigenschaften – Gesang und Farbe, Gelehrigkeit, Fortpflanzung in der Gefangenschaft – hat er es zu verdanken, daß er schon seit Jahrhunderten zum erklärten Lieblinge unter allen Stubenvögeln besonders der zarteren Hälfte des Menschengeschlechtes ernannt ist.[1]

Es ist bekannt, daß er auf den canarischen Inseln einheimisch ist und daß er von diesen seinen Namen erhalten hat. Nicht so bekannt dürfte sein, daß er dort in der Wildniß nicht das gewöhnliche gelbe, sondern ein einfach graues Gefieder, das am Unterleibe in’s Grünliche spielt, trägt. Diese seine ursprüngliche Farbe ist durch klimatische Verhältnisse,[2] veränderte Nahrung und Lebensweise, wie durch Kreuzung mit Stieglitz, Hänfling, Zeisig etc. derart verändert worden, daß sie bei uns nur noch in seltenen Fällen zu Tage tritt. Die bei weitem vorherrschende Farbe unseres gezähmten Canarienvogels ist die gelbe, und je nachdem dieselbe mehr in’s Weiße oder Goldgelbe spielt, unterscheidet man weißgelbe, strohgelbe und hoch- oder goldgelbe Vögel. Doch giebt es daneben noch grüne, rothbraune und gefleckte oder bunte Vögel, letztere tragen bei gelber Grundfarbe graue, braune, schwarzgraue, graubraune oder grüne Abzeichen. Je regelmäßiger diese Zeichnungen sind und je besser die verschiedenen Farben zusammen passen, desto kostbarer ist der Vogel. Vögel, welche neben weiß- oder strohgelber Körperfarbe einen mit Krone gezierten Kopf und rothbraune ober isabellenfarbige Flügel besitzen, gelten für die schönsten; nächst diesen haben goldgelbe Vögel mit schwarzem Kopfe, schwarzgrauen Flügeln und Schwanz den höchsten Werth; auch einfach gelbe mit schwarzem Kopfe oder schwarzgraue mit gelbem Kopfe oder Halsband sind noch geschätzt; alle übrigen unregelmäßig gezeichneten werden den einfarbigen gleich geachtet.

Besondere Farbenunterschiede zwischen Männchen und Weibchen giebt es nicht. Doch zeichnen sich die ersteren durch schlankeren Wuchs, größeren Kopf, längeren Hals und breitere Brust vortheilhaft vor den Weibchen aus. Strohgelbe und rothbraune Männchen zeigen außerdem rings um die Augen eine feurigere Farbe als die gleichfarbigen Weibchen. Der Hauptunterschied zwischen beiden Geschlechtern besteht in der Stimme. Während nämlich das Männchen schon bei einem Alter von sechs bis acht Wochen ein anhaltendes Gezwitscher hören läßt, das sich nach und nach vervollkommnet und nach einem halben Jahre in einen durchdringenden, schönen Gesang übergeht, ist das Weibchen höchstens im Stande, einige abgebrochene schwache Töne ohne Harmonie und Zusammenhang von sich zu geben.

Das Alter der Canarienvögel variirt zwischen zehn und zwanzig Jahren. Am besten sind die Vögel von zwei bis acht Jahren; wenn sie älter werden, verlieren sie mehr oder weniger an Gesang und Farbe.

In seiner Heimath lebt der Canarienvogel vom Samen des Canariengrases, welches mit dem Vogel auch bei uns acclimatisirt ist; er soll jedoch auch das Zuckerrohr nicht verschmähen und in den Zuckerplantagen der canarischen Inseln nicht selten arge Verwüstungen anrichten, so daß er dort keineswegs ein gern gesehener Gast ist. In der Gefangenschaft muß das Hauptfutter zu allen Zeiten des Jahres aus reifem, nicht allzu jungem Sommerrübsamen bestehen, der gehörig von Staub zu reinigen ist; alle anderen Körnerarten, Canariensamen, Mohn, Hanf, Hirse etc. dürfen nur ab und zu und dann in geringen Quantitäten gereicht werden; wird zu viel davon gegeben, so werden die Vögel fett und in Folge dessen faul und krank. Auch alle anderen Leckerbissen, Zwieback, Zucker, Biscuit und dergleichen sind zu verwerfen, weil sie die Thiere verweichlichen und öfter Ursache von Krankheiten (Verstopfungen, Durchfall) werden.

Dagegen ist es nothwendig, daß die Vögel regelmäßig (mit

  1. Im siebenzehnten Jahrhunderte war der Canarienvogel im Salon jeder Schönen ebenso unentbehrlich, wie es heutzutage ein Pianino ist. Die Vögel waren in der Regel so dressirt, daß sie ruhig auf dem Zeigefinger der rechten Hand sitzen blieben. Mit dem Vogel auf der Hand empfing die Dame des Hauses Besuche, mit dem Vogel ließ sie sich malen; daher so häufig weibliche Portraits aus jener Zeit mit dem Canarienvogel auf der Hand.
  2. Es ist eine auffällige, aber durch ein merkwürdiges Naturgesetz begründete Erscheinung, daß solche Thiere, welche aus wärmeren, südlichen Gegenden nach kälteren nördlichen Himmelsstrichen verpflanzt werden, hellere Farbe bekommen. So haben nach übereinstimmenden Berichten die Gold- und Silberfische in ihrer Heimath China durchaus nicht die glänzende Farbe, durch welche sie sich bei uns auszeichnen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_181.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)