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Seite:Bautzener Sagen.pdf/7

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jetzt das Schauspielhaus steht. Dort ließ es sich stets hören, wenn der Stadt ein Unheil drohte, so vor der Pest von 1519, 1586, 1611, 1612 und 1614, bei dem großen Brande von 1634 und bei einer Überschwemmung 1552. Jetzt aber hat man es längst nicht mehr gehört.

15. Der Rabenstein bei Budissin.

Anfangs des vorigen Jahrhunderts sah man noch am Abhange des Rabenberges ein verfallenes halbkreisförmiges Gemäuer. Eine schmale, zum Teil verschüttete Treppe führte in das Innere des Gemäuers hinauf, in dem ein vermauertes Pförtchen eine jetzt mit Erde und Steinen angefüllte Höhle abschloß. Das hieß der Rabenstein. Hieran knüpft sich eine Sage, die lautet also: Um die Hand der wunderschönen Tochter eines Budissiner Bürgermeisters bewarb sich nebst vielen Jünglingen der Stadt auch ein reicher Kaufmannssohn. Fast wäre es ihm geglückt, der Jungfrau Herz zu erobern, da begegnete derselben bei einem Spaziergange am Rabenberge ein fremder Ritter, der sich bei ihr nach dem nächsten Wege zur Stadt erkundigte. Da er Kaiserlicher Gesandter beim Rat war, kam sie durch ihren Vater in den folgenden Tagen oft mit ihm zusammen. Beide lernten sich lieben und in nicht allzu langer Zeit waren sie Mann und Weib. Der zurückgewiesene Kaufmannssohn aber schwur ihnen Rache. Da begab es sich einst, daß der Gemahl zum Kaiser entboten ward und seine Frau mit ihrem Knäblein, das sie kurz vorher geboren hatte, allein zurück ließ. Das war der Augenblick der Rache für den zurückgewiesenen Freier. Während Mutter und Kind schliefen, schlich er sich in das Haus ein und ermordete das Kind. Als nun die Mutter nach ihrem Erwachen das Kind in seinem Blute fand, klagte sie sich im Fieberwahn selbst des Mordes an. Unbarmherzige Richter verurteilten sie zum Tode, trotzdem sie später ihre Unschuld beteuerte. Als nun die Unglückliche den ungerechten Spruch vernahm, rief sie: „Ich bin unschuldig, ein Wunder wird die Wahrheit bezeugen.“ Während nun ihr Mann voll Freude, sein Weib umarmen zu können, in die Mauern der Stadt Budissin einritt, zerbrach der Nachrichter ihre Glieder auf dem Richtplatze. Siehe, da spaltete sich auf einmal das Gemäuer des Hochgerichts in drei Teile. Ihr unglücklicher Gatte aber, der später sein schrecklich verstümmeltes Weib wiederfand, stürzte sich in sein Schwert. Ihrem Verderber aber ließ es keine Ruhe. Er gestand sein Verbrechen und kurze Zeit darauf umschloß das finstere Gewölbe auch seinen Leichnam. Fortan sah man am Rabenstein, sobald die Dämmerung begann, eine weiße Gestalt, bittend die Hände zum Himmel erhoben, und dann plötzlich wieder verschwinden.

16. Der Schatz auf dem Proitschenberge.

a) Ein verarmter Bürger Budissins ging vor mehreren hundert Jahren am Fuße des Proitschenberges spazieren. In Gedanken versunken gelangte er zu der berüchtigten Teufelshöhle, in welcher er drei alte Männer mit weißen Bärten um einen steinernen Tisch sitzen sah. Voll Schreck wollte er nach der Stadt fliehen, da winkte ihm einer

Empfohlene Zitierweise:
: Bautzener Sagen. Verlag Johannes Vieweg, Leipzig 1924, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bautzener_Sagen.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.10.2023)