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Hans von Handschuchsheim Tod

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: E. Schuler
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Titel: Hans von Handschuchsheim Tod
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 527–532
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Originaltitel:
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[528]
Hans von Handschuchsheim Tod[1].
1.
Herausforderung.

Zu Heidelberg am Schlosse, das jugendlich noch stand,
Versehrt nicht von der Menschen und nicht von Gottes Hand,
Da lachten alle Zinnen mit abendlichem Roth,
Als könnt’ es nimmer trauern, als ob kein Sturm ihm droht’.

5
Und drinnen in den Hallen ging eine laute Lust,

Die Becher strömten über, die Herzen aus der Brust;
Jed’ Auge sah zum Himmel und fand ein golden Schloß,
Drin bei der schönsten Jungfrau ein ewger Frühling floß.

Der Pfälzer Kurfürst Friedrich mit seiner Liebsten hold

10
Saß oben an der Tafel bei Bechern voller Gold;

Von Lüneburg der Herzog, Johann von Brandenburg,
Von Hessen Landgraf Moriz und Philipp von der Murg.

Die saßen zwischen Frauen, wie zwischen Blumenlicht
Sich’s Dunkelgrün der Blätter mit goldnem Thau verflicht;

15
Bei einem süßen Fräulein, die schönste Blum’ im Kranz,

Saß mild Friedrich von Hirschhorn und stolz der Junker Hans

Von Handschuchsheim; der Junker fast noch ein Knabe war,
Drum trug er auch so trutzig um’s Kinn das krause Haar;
Er drohte ferne Thaten, die er einmal noch thät’,

20
Ging aus geträumten Schlachten, wie man als Sieger geht.
[529]

Drum fordert er auch Ehre von jedem Frauenbild,
Als hätt’ schon tausend Wunden sein träumerischer Schild;
Drum flammt auch eifersüchtig sein Blick aus finstern Brau’n,
Daß seiner künftigen Thaten nicht achteten die Frau’n.

25
Der Erbtruchseß[2] von Hirschhorn, der frommen Mutter Sohn,

Pflegt’ im bescheidnen Herzen getreu der Religion;
Doch wie des Thales Fruchthain zum dunklen Forste wild,
So stieg zum wilden Muthe des Jünglings mildes Bild.

Denn auf der Heimath Bergen bezähmt’ er manches Roß,

30
In Forsten sank manch Wildschwein von seinem Jagdgeschoß;

Er schlug mit Neckars Stürmen, mit Blitzen manche Schlacht;
Ihn mochte nur bezwingen der Schöpfung stille Pracht.

So wuchs er wie die Eiche in lachender Natur,
Das weiche Haar umwallte sein kräftig Antlitz nur;

35
Drum liebte manche Jungfrau ihn sehnsuchtsvollen Traums,

Möcht’ ihre Locken schmücken mit Blättern dieses Baums.

Drum wandte Hildegarde zu ihm ihr Angesicht;
Drum aus des Junkers Seele der Zorngedanke bricht:
„Mein gnädig Fräulein, dreht Euch doch ganz zum Hirschhorn um,

40
Das Hälslein, fürcht’ ich, wächst Euch sonst häßlich gar und krumm!“


Blaß bebet Hildegarde, wie an der Gluth die Ros’,
Und kehrt die schönen Augen hernieder in den Schooß;

[530]

Doch Friederich der Truchseß, ein flammend Augenpaar,
Wie wenn der Blitz in Söller herabgefahren war:

45
„Herr Junker! … feiger Knabe, was schimpfest du so kühn?

Die Jungfrau macht die Galle dir im Gesicht erglühn?
Bei Gott! hör’ ich, und räche nicht Unglimpf teutscher Frau’n,
So werd’ aus deinem Schlunde die Zunge nicht gehau’n!“

„Sieh da, der sanfte Koser, wie wird er ritterlich!

50
So süße bei den Frauen, den Männern bitterlich!

Wie seinen Rindern will er die Zunge aus mir hau’n,
Versteht wohl umzugehen mit Rind, doch nicht mit Frau’n.“ –

„Herr Kurfürst! weiset gnädig den frechen Hohn zu Recht,
Erlaubet meinem Degen, jetzt trifft er mir nicht schlecht!“

55
Noch wehte sanft die Freude in der Versammlung Kreis,

Wie sanfte Lüfte wehen im Blüthenwald des Mai’s:

Da aus der Zwietracht Wolke fuhr lichter Blitze Loh’,
Daß aus dem Kreis die Freude mit allem Witze floh;
Da ward es plötzlich stille, wie vor Gewittern still,

60
Und horchte man zum Donner, was seine Stimme will.


Doch Jene stürmen eilig selbander aus dem Saal,
Die Mitternacht erwartend im schönen Neckarthal;
Denn ernst verwies der Kurfürst des Zornes frevlen Streit,
Und dieses Streites Schlichtung zur eignen Tapferkeit.

65
Wie glänzt im tiefen Dunkel der weite Markt so licht,

Das sind der Schwerter Funken, wie stieben die so dicht;
Weh dir, o Handschuchsheimer, dein Gegner sticht dich aus,
Weh dir, bald ist erloschen mit dir dein altes Haus!


[531]
2.
Der Mutter Fluch.

Um Mittnacht auf dem Markte liegt Hans von Handschuchsheim,
Er liegt in seinem Blute; die Mutter schläft daheim;
Er liegt so still, so friedlich, es ist sein letzter Schlaf –
Der Truchseß mit dem Degen tief in das Herz ihn traf.

5
Jetzt ist aus seinem Busen der laute Haß geflohn;

Die Mutter schläft zu Hause; im Blut der einz’ge Sohn,
Er lächelt wie ein Kindlein, als hätt’ er nie gegrollt,
Als hätte nichts als Liebe sein Blut von je gerollt.

Sie tragen über’n Neckar ihn stumm nach Handschuchsheim,

10
Den einz’gen Sohn der Wittwe; die Mutter schläft daheim;

Sie tragen ihn zum Schlosse, sie pochen an der Thür,
Da tritt mit einer Lampe die Mutter bang herfür.

Da zucket um die Leiche der Fackeln rother Schein,
Ihr Angesicht, das bleiche, wird selbst wie todter Stein,

15
Auf blutbefleckter Bahre sieht sie den theuren Sohn,

Ergraut sind ihre Haare – ihr Athem ist entflohn.

Und wie sie wieder aufwacht und wieder kennt den Sohn,
Sie hell zum Himmel auflacht wie aller Welt zum Hohn.
„So hüllt man dich in Rosen, mein gutes armes Kind!

20
O sagt, durch wen sie sproßen? O sagt’s mir an geschwind.“


„Durch Friederich von Hirschhorn,“ – tönts aus der Träger Mund.
„Ha, Friederich von Hirschhorn! so möge mir zur Stund,
Der Herr des Himmels leihen solch einen Rachestrahl,
Daß ich den Mörder zeichne für Ein und alle Mal!

25
„Mein Fluch soll dieser Blitz seyn, sein Name soll verflucht,

Verflucht sein Stamm und Sitz seyn, und wenn er Ruhe sucht,

[532]

Soll immerfort ihn hetzen der Hölle wildes Heer,
Und selbst im Grabe letzen soll keine Rast ihn mehr!

„Gott mög’ ihm nie verzeihen, ihm nie barmherzig seyn!

30
Mein Sohn, um Rache schreien soll selbst dein Leichenstein,

Und wie mit dir, mein Leben, des Vaters Stamm erlischt,
Sey auch der Name Hirschhorn im Lebensbuch verwischt!“ –

Sie hören All’ erbleichend der Mutter grausen Fluch,
Als müßte selbst die Leiche aufschrecken aus dem Tuch;

35
Doch lächelt sie voll Frieden, aus ihren Zügen spricht:

Vom Haß bin ich geschieden, dort oben zürnt man nicht.“

E. Schuler.

  1. Der Zweikampf – welcher unserm Dichter den Stoff zu vorstehender Romanze gab, fiel zu Heidelberg vor, am Hoflager des Kurfürsten Friedrich IV., den 11. December 1600. Johann von Handschuchsheim starb an seiner Wunde den 31. December 1600, als der Letzte seines Geschlechts. Seine Mutter war Ammel Beufferin von und zu Ingelheim.
  2. Das Erbtruchseßamt (Truchseß, dapifer), von Trug (Essen) und setzen (auftragen), das des Seneschals, der die Oberaufsicht über Küche und Oekonomie der Kaiserl. Hofhaltung führte und bei dem feierlichen Gastmahle, welches der Krönung des teutschen Kaisers folgte, viel silberne Schüsseln mit Rindfleisch auf die Tafel zu setzen hatte, war am teutschen Kaiserhofe eine der höchsten erblichen Würden des Reichs, gehörte seit frühester Zeit zu Bayern; von 1356–1623 den Kurfürsten von der Pfalz und von da, bis zur Auflösung des teutschen Reichs, noch zu Bayerns Privilegien.