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Diesterweg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor:
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Titel: Diesterweg
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 620
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[620] Diesterweg, der würdige unermüdliche Kämpfer für Volksbildung und Aufklärung, erhebt in seinem „Pädagogischen Jahrbuch“ für 1859 von Neuem seine Stimme gegen jene Partei, welche die Umkehr der Wissenschaft predigt und das Licht der Sonne gern verdunkeln möchte. Unter den vielen lesens- und beherzigenswerthen Aufsätzen heben wir besonders seine Worte zur Säcularfeier von Schiller’s Geburtstag hervor. Dieselben lauten im Auszuge ungefähr:

„Ob Schiller für Lehrer noch etwas Besonderes ist und werden könne, ist das noch eine Frage? Es wäre nicht nöthig, aber es ist so. Theile der Lehrer, der angehende, wie der gereifte, die Begeisterung der ganzen Nation für diesen herrlichen Mann, der, ohne arm zu werden, die Armuth von Millionen in Reichthum verwandeln kann; aber lerne er auch als Lehrer speciell von Ihm! Nicht blos, wie Alle, die Begeisterung für Alles, was groß und menschenwürditg heißt, sondern auch speciell: seine Tapferkeit im Kampfe mit den widrigsten Verhältnissen, die ihm in keiner Periode seines Lebens fehlten, unter welchen seine ökonomische Beschränktheit und seine kränkliche Leibesbeschaffenheit nicht die kleinsten waren (sein Leben war selbst eine Tragödie), seine Anstrengung zur Reife der Ausbildung und Vollendung („Perfectibilität“) bis zum letzten seiner Tage – seine Leidenschaft des Schaffenstriebes, denn keine Begeisterung ist ohne Leidenschaft – seine Grundsätze und Principien für wahre, menschliche Bildung und Cultur! Von ihm, in dem sich nicht blos die veredelte deutsche Natur, sondern die edle Menschheit selbst offenbart, muß man lernen können, wie man Menschen erziehen und bilden kann und soll. Frage man sich – schmerzlich und wider Willen berührt von den Mißklängen unserer Tage – ob Er darauf ausging, seine Zeitgenossen und Nachfahren in die Enge von kirchensatzungen einzumauern – ob von ihm der Rath herrührt, die Jugend durch Gedächtnißwerk zu belasten und niederzudrücken – ob er das Nachsprechen und Nachglauben empfahl – ob er das Uniformiren der Geister für pädagogische Aufgabe erachtete! Wie Er gelebt, so hat er gedacht und gewollt: zuoberst die Selbstständigkeit des Geistes, die Freiheit im Empfinden, Denken und Wollen, die Selbstbestimmung nach den Grundsätzen der gewonnenen und eroberten Erkenntniß und sittlichen Bestimmung – das Streben nach der Einheit mit dem ganzen menschlichen Geschlecht, nicht mit einer Partei nach der Mahnung der gepriesenen „Bekenntnißtreuen“, sondern nach der Forderung der „Wahrheitstreuen“ und der Treuen gegen redliche Ueberzeugung „aus Religion“ – den Grundsätzen huldigend, daß das Denken wichtiger sei, als das Gedachte, daß das Verarbeiten der Stoffe die Hauptsache sei bei allem Lernen und Bilden, daß es überall auf die Erweckung der Selbstthätigkeit ankomme, daß das passive Verhalten zu überwinden, die gottgegebene, individuelle Natur des Zöglings zu respectiren und auszubilden, der Einzelne in eigenthümlicher Weise dem Ganzen anzuschließen sei. Ueberlege man von Tausenden seiner Andeutungen und Aussprüche nur die folgenden, vergleiche man sie mit dem, was heut’ zu Tage als Resultat pädagogischer Weisheit den Lehrern aufzudringen versucht wird:

„Immer strebe zum Ganzen, lebe im Ganzen, schließ’ an das Ganze Dich an!

„Gib dem Zögling die Richtung zu freier Entwickelung, handle stets nach dem Bedürfniß seiner Jahre und Du darfst Dich der Vollendung seiner Individualität getrösten.

„Das edelste Vorrecht der menschlichen Natur ist, sich selbst zu bestimmen und das Gute um des Guten willen zu thun. Wehe dem Bestreben, die Unterjochung des Geistes als die Aufgabe der Erziehung zu betrachten und zu empfehlen!

„Religionsunterricht soll man nicht eher ertheilen, als bis sich das Bedürfniß dazu in dem Kinde kund gibt. Jede Verfrühung rächt sich durch naturwidrige Folgen.

„Nicht durch Satzungen, sondern durch die Erweckung der Gefühle legt man den Grund zu edler Menschlichkeit.

„Das Wesen der Religion liegt nicht im Lehrgebäude, nicht im System, nicht in überkommenen Worten, sondern in der lebendigen Unmittelbarkeit des Gefühls.

„Ein Kind ist ein heiliger Gegenstand, eben so heilig, wie das Sittengesetz.

„Religions- wie politische Gesetze sind gleichmäßig verwerflich, wenn sie eine Kraft des menschlichen Geistes fesseln, wenn sie ihm in irgend etwas Stillstand auferlegen.“

Also unser allverehrter Schiller.

„Vergleiche man damit,“ fährt Diesterweg fort, „was die deutsche Pädagogik bisher wollte, was aber die, welche von „überwundenen Standpunkten“ reden, nicht mehr wollen.“

Diese Proben dürften genügen, um auf die trefflichen Grundsätze des „Pädagogischen Jahrbuchs“ aufmerksam zu machen und dasselbe allen Freunden echter Volksbildung zu empfehlen.